Prof. Dr. Dres. h. c. Rolf Stürner, Freiburg
Wenn man auf die letzten Jahrzehnte zurückblickt, so muss auffallen, wie sich die gesellschaftliche Bewertung der Insolvenzfälligkeit von Marktteilnehmern schleichend zu verändern beginnt. Das Recht hat dazu insoweit beigetragen, als es die persönlichen Folgen einer Insolvenzfälligkeit wie Berufsverbote, Registrierung und Informationsrechte anderer Marktteilnehmer zwar nicht voll abgeschafft, aber doch zeitlich und inhaltlich gemildert und beschränkt hat.
Dem lag die richtige Erkenntnis zu Grunde, dass vor allem bei gewöhnlicher und leichter Fahrlässigkeit oder gar Schicksalshaftigkeit Menschen- und Grundrechte für die Möglichkeit eines Neuanfangs sprechen (dazu MüKoInsO/Stürner, 4. Aufl. 2019, Einl. Rn. 92, 93), die eine zeitlich nachhaltige und frei zugängliche Registrierung mit ihrer durchaus beachtlichen Prangerwirkung massiv beeinträchtigen müsste. Andererseits besteht an einer Information
der Marktteilnehmer und der Gesellschaft insgesamt über missglückte geschäftliche oder gar inkriminierte Aktivitäten der Vergangenheit ein durchaus berechtigtes Interesse, soweit es um die Besetzung von einschlägigen Stellen in der freien Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst sowie die Ausübung freier Berufe oder auch um politische Positionen oder Ämter geht. Eine öffentliche Organisation solcher Information, die über den gegenwärtigen Stand der Registrierung wesentlich hinausgeht, müsste allerdings rasch an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen. So bleibt es in einer freien Gesellschaft die Aufgabe vor allem der freien Medien und in geringerem Umfang privater Auskunfteien, ein berechtigtes Informationsinteresse zu befriedigen.
Dieser Aufgabe sollten diese Institutionen aber auch nachkommen und nachkommen können, vor allem, wenn es um Positionen mit gewichtigen Funktionen geht, die das Gesamtbild von Gesellschaft und Wirtschaft wesentlich mitprägen. Vergesslichkeit und Nachlässigkeit, wenn es um solche Fragen vergangener Karriere geht, sind nicht gerechtfertigt, soweit es bloß um die sachliche Information geht und ihre Bewertung jedem Einzelnen und der öffentlichen Meinungsbildung überlassen bleiben muss. Gesellschaft und Rechtsprechung müssen Versuchen widerstehen, diese Form der öffentliche Information zu behindern und einen Trend zu begünstigen, der eine Meinungsbildung unter Berücksichtigung vergangener und ursprünglich dokumentierter Tatsachen der Vergangenheit verunmöglichen oder doch beeinträchtigen könnte. Wenn bei der Besetzung vor allem auch politischer Spitzenpositionen eine Verharmlosung der Insolvenzfälligkeit gesellschaftlich akzeptiert zu werden begänne, wie dies in den USA teilweise bereits der Fall ist und ansatzweise auf Europa überzuschwappen droht, hätte eine gesellschaftliche Umbewertung des lockeren Umgangs mit fremdem Kapital bedenklichen Fortschritt zu machen begonnen.