Roma locuta causa finita - NZI 19/2022
VRiOLG a. D. Werner Sternal, Pulheim
Der BGH hat mit Beschluss vom 24.2.2022 (NZI 2022, 441) die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur umstrittene Frage entschieden, inwieweit die von dem Schuldner gem. § 305 I Nr. 1 InsO einzureichende Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Einigungsversuchs einer inhaltlichen Überprüfung durch das Insolvenzgericht unterliegt. Der IX. Zivilsenat hat der teilweise vertretenen Auffassung, die Insolvenzgerichte seien bei offenkundigen Anhaltspunkten befugt, die vorgelegte Bescheinigung darauf zu überprüfen, ob die geeignete Stelle oder Person persönlich beraten hat, eine eindeutige Absage erteilt.
Trotz der überzeugenden Ausführungen des Rechtsbeschwerdegerichts, wird vereinzelt weiterhin eine inhaltliche Prüfungsmöglichkeit gefordert, damit keine Gefälligkeitsbescheinigungen ausgestellt werden (Frind ZInsO 2022, 958; Lissner AGS 2022, 237). Dabei wird verkannt, dass nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers dem Insolvenzgericht nicht die Rechtsaufsicht über die Tätigkeit einer anerkannten geeigneten Stelle und Person obliegt, vielmehr für die ordnungsgemäße Durchführung der Beratung ausschließlich der Aussteller der Bescheinigung verantwortlich ist. Unzureichende Tätigkeiten bzw. falsche Bescheinigungen sind ausschließlich durch die jeweils zuständigen Genehmigungsbehörden bzw. iRd jeweiligen Berufs- und Standesrecht zu ahnden.
Zweifelhaft mag indes sein, ob die von dem BGH in dem Beschluss angesprochene Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs bei unzureichender Prüfung der Schuldnerunterlagen in der Praxis tatsächlich weiterhilft. Der Nachweis eines durch eine unzureichende Beratung entstandenen kausalen Schadens dürfte im Einzelfall schwierig sein. Trotzdem muss es bei dem von Augustinus stammenden Rechtsgrundsatz „Roma locuta causa finita“ bleiben; der BGH hat entschieden, die Sache ist damit endgültig erledigt. Damit scheidet eine Überprüfung der persönlichen Beratung in „Zweifelsfällen“ durch die Insolvenzgerichte aus. Erfolgt dennoch eine gerichtliche Prüfung und anschließende Zurückweisung des Eröffnungsantrags als unzulässig, ist die Entscheidung rechtswidrig und unterliegt im Falle einer Anfechtung der Aufhebung.
Durch die Entscheidung des BGH ist die weiterhin schwelende Diskussion hinsichtlich der Sinnhaftigkeit des vorgeschalteten außergerichtlichen Einigungsverfahrens nicht erledigt. Letzteres ist in den meisten Fällen erfolglos, da eine Einigung mit den Gläubigern zumindest bei Vorlage eines (Fast-)Nullplans in der Regel nicht möglich ist. Ebenfalls steht noch eine obergerichtliche Klärung der inhaltlichen Anforderungen an eine persönliche Beratung aus. Erforderlich ist eine sorgfältige Aufarbeitung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners durch die geeignete Stelle oder Person. Dies hilft dem Schuldner bei dem vollständigen und fehlerfreien Ausfüllen der gem. § 305 I InsO einzureichenden gesetzlichen Formulare. Hierdurch wird die Gefahr eines Eintritts der Rücknahmefiktion gem. § 305III InsO vermindert. Ob für eine sorgfältige Beratung auch stets erforderlich ist, einen mit Kosten und Aufwand verbundenen, in der Regel indes erfolglosen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan an die die Gläubiger zu versenden, muss der Gesetzgeber entscheiden.