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Die Zwölfmonatsfrist im neuen Überschuldungsrecht: wichtiger und richtiger denn je - NZI 18/2022

RA Christopher Seagon, Heidelberg
Nachdem zu den wirtschaftlichen Pandemiefolgen auch noch erhebliche negative Auswirkungen des Ukraine-Krieges kommen, wird vermehrt die erneute Anpassung des durch das SanInsFoG bereits deutlich zuverlässiger konturierten Überschuldungsrechts diskutiert. Selbst der nun mit zwölf Monaten konkrete Prognosezeitraum überzeugt manche Kritiker nicht: Kein Geschäftsleiter könne unter den aktuellen Bedingungen so lange planen, das gleiche dem Blick in die Glaskugel. Von maximal sechs oder gar drei Monaten Prognosezeitraum bis hin zur vollständigen Abschaffung des Überschuldungstatbestandes reichen die Vorschläge der Überschuldungskritiker.

Dabei wirkt der Zwang zur Fortführungsplanung resilienzerhöhend und sanierungsfördernd zugleich: Resilienzerhöhend, weil gefährliche Planunterschreitungen frühzeitig(er) erkannt, Ein- und Auszahlungen hinterfragt und vor allem nachhaltige(re) Puffer an Mindestliquidität gebildet werden, die das Unternehmen weniger anfällig für kurzfristige exogene Ereignisse machen. Und sanierungsfördernd, weil die Liquiditätsplanung erlaubt, kritische Entwicklungen frühzeitiger zu erkennen und verschiedene Sanierungsoptionen rechtzeitig zu analysieren, um diese wohlvorbereitet und mit allen Stakeholdern abgestimmt umzusetzen, anstatt erst „auf den letzten Drücker“ tätig zu werden.

Die Verkürzung des Prognosezeitraums widerspricht auch dem Gläubigerschutzgedanken des Überschuldungsrechts: Kontrahiert der Gläubiger mit einem in der Haftung beschränkten Unternehmen, steht ihm bei Ausfall seiner Forderung zunächst nur dessen Haftungsmasse als Ausgleich zur Verfügung. Wird diese ohne belegbare Fortführungsperspektive aufgezehrt, besteht im Grundsatz eine Insolvenzantragspflicht, auch um einen außergerichtlichen Gläubigerwettlauf zu vermeiden. Führt man den Gläubigerschutzgedanken weiter, müsste sich der Prognosezeitraum an der maximalen Laufzeit der Verträge des Unternehmens mit seinen Gläubigern orientieren. Man denke beispielsweise an die langjährigen Projektverträge von Anlagenbauern oder die idR unbefristeten Arbeitsverträge der Beschäftigten. Für den Gesetzgeber galt es schon im SanInsFoG, einen Kompromiss zu finden. In der zurückliegenden Fristendiskussion wurden Prognosehorizonte zwischen zwölf und 24 Monaten gefordert. Im SanInsFoG wurde schließlich das Minimum dieser Vorschläge mit zwölf Monaten festgeschrieben. Verkürzte man diesen zwölfmonatigen Prognosezeitraum „kriegsveranlasst“ oder gar „konjunkturbedingt“, entsteht der Eindruck der Beliebigkeit. zwangsläufig führt dies zur Verunsicherung von Gläubigern. In der Unternehmenskrise war auch schon vor dem 01.01.2020 die Vorlage von Liquiditätsplänen, die das laufende und das darauffolgende Geschäftsjahr, dh stets mehr als zwölf Monate, abdeckten, üblich, vor allem bei Beteiligung institutioneller Finanzierer. Würde der Prognosezeitraum nun auf unter zwölf Monate verkürzt, würde dies in vielen Sanierungsfällen zu dem sanierungsrechtlich zu vermeidenden Gläubigerwettlauf führen. Eine dementsprechend weitere Verunsicherung von auf Sicht nun wieder stärker geforderten Gläubigergruppen wäre daher kontraproduktiv.

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