RA Dr. Rainer Riggert, Achern
§ 6 I 1 InsO ordnet an, dass Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in solchen Fällen einem Rechtsmittel unterliegen, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Der Gesetzgeber nimmt hier eine Abwägung vor, in welchen Fallkonstellationen das Rechtsschutzbedürfnis das Ziel der Verfahrensbeschleunigung überwiegt. Dies ist notwendigerweise eine generelle Betrachtung und kann im Einzelfall nicht ausschließen, dass es zu erheblichen Rechtsverletzungen von Beteiligten kommt und kein Rechtsmittel zur Verfügung steht. Im aktuellen Fall BGH (NZI 2022, 334 mAnm Madaus NZI 2022, 336) fehlte es dagegen bereits an einer Rechtsverletzung.
Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der Rechtsmittelausschluss überwunden werden kann, richten sich nach der Rechtsprechung des BVerfG, deren Grundlagen in einem zu wenig beachteten Beschluss zu § 272 InsO aF zusammengefasst wurden (BVerfG NZI 2021, 989 mAnm Büttner VIA 2021, 83). Danach ist eine Gerichtsentscheidung willkürlich und damit aufzuheben, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, den Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, die Rechtslage also in krasser Weise verkannt wird. In diesem Fall liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 I GG) vor. Hierbei handelt es sich um eine hohe Hürde, da nicht jeder Rechtsfehler diese Voraussetzungen erfüllt. Anhaltspunkte für die gestellten Anforderungen gibt dabei der Ausgangssachverhalt: Das Insolvenzgericht hatte den § 272 InsO (Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung) in der aktuellen Fassung angewendet, obwohl für den zu entscheidenden Sachverhalt noch die frühere Fassung einschlägig war. Insoweit wurde Art. 103m EGInsO falsch angewendet bzw. übersehen, welcher eine entsprechende Überleitungsvorschrift enthält. Im Ergebnis hat das Insolvenzgericht auf Anregung des Sachwalters die Eigenverwaltung aufgehoben. Die Entscheidung des Amtsgerichts war aber nicht so fernliegend, wie es den Anschein vermittelt. Bereits zur alten Fassung des § 272 InsO gab es einen Meinungsstreit darüber, ob eine Aufhebung der Eigenverwaltung auch von Amts wegen möglich ist (s. hierzu bereits K. Schmidt/ Undritz, InsO, 19. Aufl. 2016, § 2 Rn. 2). Zumindest in Analogie zu § 59 S. 1 InsO hätte das Insolvenzgericht eine zitierfähige Rechtsposition finden können.
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass – gerade im Hinblick auf die Herleitung seiner Entscheidung – eine nicht mehr nachvollziehbare Normanwendung durch das Insolvenzgericht vorlag. Diese Schwelle kann aber auch in anderen Fällen erreicht werden, etwa wenn durch Insolvenzgerichte gesetzgeberisch vorgegebene Reformvorschriften offensichtlich nicht umgesetzt werden.