CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
jaheader_neu

Fast schon wieder Normalität – NZI 9/2022

RA Dr. Rolf Leithaus, Köln

Der 19. Deutsche Insolvenzrechtstag bescherte den Berliner Taxifahrern seit langem einmal wieder so etwas wie ein „Geschäft“ mit zahlreichen Fahrten zwischen Bahnhof, Flughafen und Tagungshotel. Bei den über 750 angemeldeten und größtenteils auch (natürlich nicht nur) körperlich anwesenden Teilnehmern verursachte die Veranstaltung fast schon vergessen geglaubte Gefühle wie das von multiplem Händeschütteln und veritablen Umarmungen (!).

LeithausMan merkte es Veranstaltern, Referenten, Diskutanten und Ausstellern förmlich an: Die Freude, sich mal wieder über zwei Tage in großer Menge tummeln zu dürfen, überwog ganz offenkundig den immer noch vorhandenen Respekt vor bekrönten Viren.

Und inhaltlich? Natürlich kann im Rahmen eines kurzen Editorials nicht auf alle Themen eingegangen werden. Aber hervorgehoben werden dürfen sicher die kontrovers diskutierten jüngeren und jüngsten Entscheidungen des BGH zur Anfechtung nach § 133 InsO, die sowohl vom Vorsitzenden des IX. Senats Dietmar Grupp als auch im Rahmen eines Workshops vom stellvertretenden Vorsitzenden desselben Senats Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer erläutert und analysiert wurden. Um es vorsichtig zu sagen: Nicht alle Teilnehmer des DIT waren und sind glücklich mit der Richtung, die die Rechtsprechung zuletzt eingeschlagen zu haben scheint. Auch wurde vielfach bemängelt, dass das Grundproblem der schwer vorhersehbaren Gesamtschau von Einzelindizien auch nach der „Neuausrichtung“ der Rechtsprechung weiterhin bestehen bleibt. Wer derzeit, egal auf welcher Seite, einen Anfechtungsprozess führt, hat angesichts diverser, teils sehr umfangreicher höchstrichterlicher Judikate viel zu lesen und bleibt dennoch – jedenfalls ohne eine leistungsfähige Glaskugel – immer noch ratlos am Schreibtisch sitzen.

In Erinnerung bleiben wird außerdem die „Verteidigungsrede“ der Vorsitzenden des 6. Senats des BAG Karin Spelge, die die zuletzt arg in die Kritik geratene Rechtsprechung zur Eigenschaft von Urlaubsabgeltungsansprüchen als Masseverbindlichkeit darlegte. Ihre Überraschung ob deutlich ablehnender Entscheidungsrezensionen, teils sogar nur auf Basis von Pressemitteilungen, war spürbar, zumal sie nicht zu Unrecht darauf hinwies, dass Urlaubsansprüche im Wesentlichen europäischem Recht unterliegen und der EuGH vermutlich noch deutlich strenger entscheiden dürfte. Jedenfalls habe das BAG nach Spelges Wahrnehmung nur konsequent unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung geurteilt, für Verwunderung sei daher kein Raum.

Bleibt der Ausblick in die Zukunft, der dem Autor in Ermangelung (irgend)einer Glaskugel auch nicht gerade leichtfällt. Ob die nachteiligen Auswirkungen der fortschreitenden Kriegshandlungen eine erneute Aussetzung der Antragspflichten zur Folge haben oder ob das StaRUG der Insolvenz den Boden abgräbt? Jedenfalls dürften die höchsten Richter der Republik absehbar deutlich mehr zu tun haben als die zahlreichen Amtsgerichte zwischen Alpen und Küste.

Anzeige


NZI Probeabo | Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht


beck-online Insolvenzrecht plus - Probeabo

Teilen:

Menü