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Mietzinsansprüche und Insolvenzreife in Zeiten der Corona-Pandemie – NZI 4/2022

RA Frank Linnenbrink, Köln
Auch wenn die aktuellen Insolvenzzahlen eine andere Sprache zu sprechen scheinen, hat die COVID-19-Pandemie die gesamte Wirtschaft und insbesondere den Einzelhandel hart getroffen. Bei der Prüfung einer Insolvenzreife stellt sich die Frage, wie Mietzinsansprüche aus dem Zeitraum behördlich angeordneter Betriebsschließungen und -beschränkungen zu berücksichtigen sind. In nicht wenigen Fällen hängt hiervon ab, ob Insolvenzantrag gestellt werden muss.
Linnenbrink2Art. 240 § 2 EGBGB hilft insofern nicht weiter. Die Norm schließt allein eine Kündigung des Vermieters bis zum 01.07.2022 aus dem Grund aus, dass der Mieter den Mietzins aus dem Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.6.2020 nicht leistet, hat aber keine Auswirkungen auf dessen Fälligkeit und Berücksichtigung im Liquiditäts- und Überschuldungsstatus. Art. 240 § 7 EGBGB vermutet eine Störung der Geschäftsgrundlage, wenn vermietete Objekte in Folge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Der BGH hat hierzu in der aktuellen Entscheidung vom 12.01.2022 (XII ZR 8/21,
BeckRS 2022, 48; demnächst mit ausf. Bespr. von Chr. Schmitt in der NZI) geurteilt, dass es einer umfassenden Abwägung bedarf, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, ob einem Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Eine pauschale Betrachtungsweise (etwa eine Risikoverteilung 50:50), wie bislang teilweise angenommen, komme nicht in Betracht.

Die Entscheidung macht die Prüfung der Insolvenzreife freilich schwieriger: Solange nämlich durch Vereinbarung der Vertragsparteien oder gerichtliche Klärung nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Anpassung des Mietzinses in Betracht kommt, ist die Frage allenfalls als streitig zu betrachten. Streitige Forderungen sind im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich zu berücksichtigen, da Forderungen nicht generell auf ihre Rechtsbeständigkeit zu prüfen sind. Die entsprechenden Mietzinsverbindlichkeiten sind deshalb im Liquiditätsstatus des Mieters insgesamt als fällige Forderungen anzusetzen. Alleine die Regelung des Art. 240 § 7 EGBGB hilft dem Mieter bei der Prüfung der eigenen Zahlungsfähigkeit also nicht. Ähnliches gilt für die Prüfung der Überschuldung. Im Überschuldungsstatus dürfen streitige Forderungen nur aktiviert werden, wenn und soweit begründete Hoffnung besteht, sie zu realisieren. Der Vermieter darf also seine Mietforderungen nur in der Höhe aktivieren, wie er nicht damit rechnen muss, dass sie nach Vertragsanpassung gem. § 313 BGB zu kürzen sind. Spiegelbildlich verhält es sich für den Mieter, der den Mietzins nur dann nicht passivieren muss, wenn er mit gutem Recht davon ausgehen darf, einen Anspruch auf Mietanpassung zu haben.
 

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