RA Robert Reifeld, LL.M. corp. restruc., Heidelberg
Vor einem Jahr ist am 01.01.2021 mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) in Kraft getreten, dessen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (SRR) erstmals eine präventive Restrukturierung durch Mehrheitsentscheid der Beteiligten im Vorfeld einer Insolvenz erlaubt. Ging es bei dem Gesetz zunächst primär darum, die Restrukturierungsrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen, entstand Ende 2020 die Hoffnung, mittels des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen könnte sich eine seinerzeit prognostizierte pandemiebedingte Insolvenzwelle bewältigen lassen.
Daraus entwickelte sich ein Impetus, das Gesetz bereits zum 01.01.2021 in Kraft treten zu lassen. Ein gesetzgeberischer Parforceritt folgte und es vergingen vom Regierungsentwurf (16.10.2020) über die Stellungnahme des Bundesrates (27.11.2021), die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages (15.12.2021) bis zum Beschluss des Bundestages (17.12.2021) lediglich zwei Monate.
Dennoch ist es gelungen, mit dem StaRUG ein Gesetz zu schaffen, dem allgemein hohe handwerkliche Qualität attestiert wird. Gleichwohl führte wohl der Zeitdruck dazu, dass der Rechtsausschuss des Bundestages auf den „letzten Metern“ einige folgenreiche Streichungen vornahm. Zu nennen sind vor allem der „Shift of Duties“ (§§ 2 f. RegE-StaRUG), wonach Geschäftsleiter ab drohender Zahlungsunfähigkeit vorrangig die Interessen der Gläubiger wahren und bei Pflichtverletzung für den Schaden haften sollten, und die Vertragsbeendigung (§§ 51 ff. RegE-StaRUG), wonach auch gegenseitige, nicht beiderseitig vollständig erfüllte Verträge (praxisrelevant unter anderem bei Mietverträgen krisenbefangener Filialisten) hätten beendet werden können.
Nach einem Jahr StaRUG ist zu konstatieren, dass die ursprünglich erwartete Vielzahl an Fällen unter dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen komplett ausgeblieben ist. Als Treiber dieser Entwicklung werden in Fachkreisen vielfach die vorgenannten Streichungen zitiert. Auf europäischer Ebene soll die Restrukturierungsrichtlinie zum 17.07.2026 evaluiert werden (Art. 33), in der Gesetzesbegründung zum SanInsFoG ist die Rede von einer vorgelagerten nationalen Evaluation für den Zeitraum bis zum 31.07.2024 (BR-Drs. 619/20, 113).
Die vorbeschriebenen Entwicklungen und ersten Fallzahlen geben dem Gesetzgeber Anlass, sich unabhängig davon erneut mit den Streichungen des Rechtsausschusses zu befassen. Dabei wäre vor allem zu untersuchen, ob im StaRUG nicht doch ein tatbestandlich klar nachvollziehbarer Shift of Duties erforderlich ist, der die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt. Dieser könnte dazu beitragen, Geschäftsleiter zur frühzeitigen, werterhaltenden Sanierung zu motivieren – nicht nur; aber gerade auch mittels des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen.