Das neue Jahr 2022 bringt nicht nur Änderungen im Insolvenzrecht. Für mich beginnt am 01.01.2022 der letzte Monat meiner Berufstätigkeit als Insolvenzrichter. Blicke ich zurück, kann ich sagen, dass mir die Tätigkeit Spaß gemacht und mich erfüllt hat.
Der Start verlief unspektakulär zu Zeiten der KO im November 1991. Als damals dienstjüngster Richter am AG Göttingen wurde mir auch das Konkursdezernat übertragen mit einem Anteil von zehn Prozent der Arbeitskraft. Mein ursprünglicher Plan ging dahin, bei passender Gelegenheit das Dezernat dem nächsten jüngeren Richterkollegen übertragen zu lassen. Im Laufe der Zeit fand ich jedoch zunehmend Gefallen an der Tätigkeit. Bei knapp 100 Eingängen pro Jahr war das Dezernat überschaubar. Anders als in meinem Zivildezernat hatte ich den Einblick in alle Verfahren. Als dann im Jahr 1999 die InsO in Kraft trat, war es für mich keine Frage, das Dezernat weiter zu bearbeiten. Es bot sich die Chance, rechtsgestaltend tätig zu sein. Die Entscheidungen eines AG erfahren normalerweise keine große Aufmerksamkeit. Anders ist es bei Entscheidungen in Insolvenzsachen. Ein Vorteil lag auch darin, dass insbesondere die Verfahren über das Vermögen natürlicher Personen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung erst langsam anliefen und damit ein „learning by doing“ ohne Schwierigkeiten möglich war.
Durch die Vielzahl der Gesetzesänderungen (Dauerbaustelle InsO) stellen sich ständig neue Fragen. Allerdings ist die Flut der Änderungen mit den heute üblichen „Mini-Dezernaten“ nur schwer zu bewältigen. Die geforderte Spezialisierung, die bei einem Anteil von 50% Insolvenzsachen liegt, ist heute kaum noch zu erreichen. Als weiterer Nachteil stellt sich dar, dass ein Insolvenzdezernat nicht „beförderungsrelevant“ ist. Anders als beispielsweise in Zivilsachen können bei einer Beurteilung keine längeren Entscheidungen vorgelegt werden. Die meisten Erörterungen mit vorläufigen Insolvenzverwaltern und den übrigen Verfahrensbeteiligten im Eröffnungsverfahren werden auch nicht dokumentiert. So ist es – leider – nicht einfach, jüngere Kolleginnen und Kollegen für ein Insolvenzdezernat zu begeistern.
Unvergessen bleibt mir der Schuldner, der sich im Erstverfahren der Wohlverhaltensperiode befand und nach gescheiterter Selbstständigkeit einen erneuten Antrag auf Eröffnung des Verfahrens mit Restschuldbefreiungsantrag stellen wollte. Als ich ihn auf die Problematik zweier paralleler Restschuldbefreiungsverfahren hinwies, schwieg er zunächst und fragte dann, was passierte, wenn er den Restschuldbefreiungsantrag im ersten Verfahren zurücknehme. Daraufhin schwieg ich erst einmal. Ich weiß bis heute nicht, woher er den Gedanken hatte. Eine Umfrage unter „meinen“ Insolvenzverwaltern ergab übrigens einen Gleichstand bei der Frage, ob ein solches Procedere zulässig sei. Ich bejah(t)e es.
Ganz zurückziehen aus dem Insolvenzrecht werde ich mich nicht. Ich werde abwarten, wo ich als RiAG a. D. meinen Sachverstand und langjährige Erfahrung noch einbringen kann. Aus der Welt bin ich also nicht. Kurz gefasst: „Man sieht sich“.