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Zieht`s endlich wieder an? - NZI 21/2021

RA Dr. Rolf Leithaus Köln
Im Verlauf eines informellen Gesprächs zwischen Protagonisten der Insolvenz-Szene wird zuletzt immer häufiger die mehr oder weniger besorgte Frage gestellt, ob das Geschäft denn wenigstens beim Gegenüber wieder besser läuft.
Die für die Leser dieser Zeitschrift durchaus schizophrene Ausgangsposition „schlechte Wirtschaft, gut fürs Geschäft“ will sich seit gut 1 ½ Jahren nicht so richtig bewahrheiten. So hätte die Corona- Pandemie die Wirtschaft doch eigentlich zum Erliegen bringen müssen. Jedoch verhinderte die Politik (wer auch immer das sein mag) zunächst durch diverse Stützungsmaßnahmen und die befristete Aussetzung und anschließende Einschränkung der Insolvenzantragspflicht eine sonst wohl unvermeidliche Insolvenz(verfahrens)welle. Dies vermied nicht nur den Anstieg der Zahl von Insolvenzanträgen, sondern setzte sogar den seit Jahren anhaltenden Trend der Abnahme von Insolvenzverfahren weiter fort. Welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen diese von nahezu allen politischen Parteien mitgetragenen Maßnahmen haben (werden),
wird wohl erst die Zukunft nach dem Übergang der Pandemie in einen endemischen Dauerzustand zeigen.
Leithaus_Rolf_NZI2021-21Doch ein (Un-)Glück kommt selten allein: Zuletzt führten Probleme in der Lieferkette (verstopfter Suezkanal, Chip-Mangel etc.), Überflutungen an Ahr und Erft, eine ungewohnt hohe Inflation – angestachelt durch dramatisch steigende Energiepreise – zu neuen Ängsten vor einer Verschlechterung der Wirtschaftslage. Auch dürfte nach inzwischen vollgezogener Bundestagswahl die bisherige Rücksichtnahme der Bundesregierung auf unterschiedlichste Empfindlichkeiten in der Wirtschaft und damit auch beim Wahlvolk der Anreiz für Insolvenz verhindernde Maßnahmen abnehmen. Obwohl die Corona-Zahlen nach einem kurzfristigen Anstieg zum Ende des Sommers derzeit auf einem überschaubaren Niveau stagnieren und sich sowohl die Fußgängerzonen als auch die Restaurations- und Beherbergungsbetriebe spürbar füllen, ist ein erneuter „heißer Herbst“ nicht auszuschließen.
Unwahrscheinlich ist jedoch, dass sich die scharfen dirigistischen Maßnahmen des letzten Winters wiederholen werden. Ob aber eine Freiheit nach dem Vorbild Großbritanniens ausgerufen oder ob sich die neue Bundesregierung eher gemäßigt auf eine Öffnung hinbewegen wird, ist derzeit nur schwer abschätzbar. Ob die negativen Signale Vorboten einer baldigen Insolvenzwelle sind oder ob die wiedergewonnene Lust nicht nur der Geimpften und Genesenen, die neuen Freiheiten auszuleben, der Wirtschaft positive Impulse gibt, muss sich in den kürzer werdenden Tagen zeigen.

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