Materiell-rechtliche Voraussetzung des Zugangs zum Restrukturierungsrahmen ist gem. § 29 I StaRUG das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit iSd § 18 II InsO, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schuldner innerhalb eines Prognosezeitraums von in der Regel 24 Monaten nicht in der Lage sein wird, seinen fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen.
Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit verlangt - wie das Restrukturierungsgericht Köln in einer ersten Entscheidung zum StaRUG jüngst festgestellt hat (
NZI 2021, 433 mAnm Thole
NZI 2021, 436) - die vollständige richterliche Überzeugung, die im Rahmen der Amtsermittlung zu bilden ist. Die bloße Behauptung des Schuldners, drohend zahlungsunfähig zu sein, reicht also nicht aus. Es soll und darf nicht darum gehen, eine rein unternehmerische Umstrukturierung eines Unternehmens mit Hilfe des StaRUG zu ermöglichen; nur und erst dann, wenn ein Gläubigerwettlauf auf die beschränkte Haftungsmasse des Schuldners zumindest droht, rechtfertigt sich die Verkürzung von Eigentümer- und Gläubigerrechten im Rahmen von Moratorium oder Planbeschlüssen (vgl. Dahl/Linnenbrink NZI Beilage 1/2019, 45 [46]).
Liegt demgegenüber beim Schuldner bereits Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vor, so stehen ihm grundsätzlich nur die Möglichkeiten des Regelinsolvenzverfahrens nach der InsO offen. Eine die Überschuldung ausschließende Fortführungsprognose kann aber nach dem Willen des Gesetzgebers des zum 01.01.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG auch aus der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung eines Sanierungs- oder Restrukturierungsvorhabens nach dem StaRUG resultieren (Begr. RegE zu
Art. 5 SanInsFoG, Nr. 11). Ob dies allerdings richtig sein kann, wird zu Recht bezweifelt: Bitter (
ZIP 2021, 321 ff.; vgl. auch Balthasar NZI Beilage 1/2021, 18 ff.) weist zutreffend darauf hin, dass die Insolvenz schlicht weg- und ein vorinsolvenzliches Verfahren herdefiniert wird, wenn der Gesetzgeber meint, die überwiegende Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Umsetzung eines Sanierungs- oder Restrukturierungsvorhabens begründe zwar nicht bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit, wohl aber bei der Überschuldung eine positive Liquiditäts-/Fortführungsprognose. Auch bei einer Sanierung im Insolvenzverfahren, etwa im Rahmen eines Insolvenzplans, soll der Schuld-ner am Ende des Verfahrens wieder zahlungsfähig sein. Es wäre absurd anzunehmen, dass er deshalb schon zu Verfahrensbeginn eine positive Fortführungsprognose (gehabt) hätte. Mit entsprechender Argumentation den Anwendungsbereich einer "vorinsolvenzlichen" Sanierung nach dem StaRUG auf Unternehmen zu erstrecken, die die Schwelle zur Insolvenzreife überschritten haben, leuchtet nicht ein.