Editorial 15/2025
Gutachten im Kindschaftsrecht – neue Herausforderungen
Obwohl es den Datenschutz auch schon vor der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gab, ist dieses Thema gefühlt erst mit ihrem Inkrafttreten merklich in der Praxis angekommen– auch in der der Gutachtenpraxis (u.a. Weber NZFam 2018, 865). Familiengerichte, Beteiligte und Sachverständige waren und sind zunehmend Adressaten von Fragen und Anliegen zum Datenschutz. Dabei wird jedem, der sich mit der Materie befasst schnell deutlich, Datenschutz und Kindschaftsrecht fügen sich nicht so einfach sinnvoll ineinander und werden dabei sowohl dem Schutz personenbezogener Daten als auch dem Kindeswohl angemessen gerecht. Anders als beispielsweise bei Gutachten im Bauwesen erheben Sachverständige im Kindschaftsrecht eine Vielzahl von personenbezogenen, oftmals hoch sensiblen Daten von unterschiedlichsten Personen. Diese Komplexität und der Datenschutz führen in der Praxis immer wieder zu großen Unsicherheiten. Nicht wenige argumentieren mit vermeintlichen Datenschutzverletzungen in der kritischen Würdigung des Gutachtens und des Gutachtenprozesses (u.a. OLG Düsseldorf 16.2.2021 - 16 U 269/20, ZD 2022, 47), manchmal instrumentalisiert mit der Intention, ein unliebsames Gutachtenergebnis zu entkräften. Die Arbeitsgruppe familienrechtliche Gutachten hat daher in interdisziplinären Diskussionen mit mehreren Datenschutzexperten Hinweise zum Datenschutz für Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht erarbeitet. In einer dritten Auflage der Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht werden sie in Kürze erscheinen. Angesichts der Vielschichtigkeit der Materie hat dieser Prozess fast vier Jahre gedauert: Er hat zu mehr Wissen und Verständnis auf beiden Seiten geführt – Datenschützer lernten das Familienrecht und die Beteiligten im Familienrecht die Überlegungen und Anliegen des Datenschutzes näher kennen und verstehen. In der Sache und Praxis bleibt nun zu wünschen, dass die Überlegungen der Arbeitsgruppe zu weiteren Qualitätsverbesserung bei der Gutachtenerstattung beitragen und unnötige Diskussionen auf für das Kindeswohl nicht relevanten Nebenschauplätzen minimieren.
Nach vorne schauend zeichnen sich schon deutlich nächste Themenfelder für die Arbeitsgruppe ab. Eines davon ist sicherlich das Thema der Künstlichen Intelligenz. So ist auf der einen Seite die Entwicklung und Nutzung von KI auch im familienpsychologischen Gutachterwesen zu fördern, beispielsweise im Hinblick auf Aktenzusammenfassungen oder Transkriptionen. Auf der anderen Seite sind die von KI-Modellen ausgehenden Gefahren durch Regelungen und verhältnismäßige Anwendung zu minimieren. Der Beurteilungsprozess gerade im Gutachterwesen muss eine von Menschen gesteuerte Tätigkeit bleiben. Die Arbeit zur Qualitätsverbesserung ist also nicht beendet, sondern muss sich weiter fortsetzen, um am Puls der Zeit zu bleiben.
Ihr
Anja Kannegießer