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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

Editorial 13/2024

Sekundärgutachten im Kindschaftsrecht – eine Patentlösung in der Qualitätsdebatte?

Gutachten in Kindschaftsverfahren stehen mal mehr mal weniger in der Diskussion – sie sind und bleiben aber ein Dauerbrenner. Das ergibt sich schon aus der Natur der Sache. Denn vor Familiengerichten geht es in der Regel nicht um schwarz oder weiß. Stattdessen müssen Familienrichter über Kompetenzen, Bindungen, Beziehungen von Kindern und ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen jetzt und mit Blick in die Zukunft befinden. Gut gemacht helfen Gutachten Ungewissheiten zu minimieren und sachgerechte Entscheidungen zu finden. Falsche Gutachten können Fehlentscheidungen den Weg ebnen. Daraus kann nur folgen: Gutachten müssen fehlerfrei sein. Sie können es aber nicht immer sein. Denn die Dinge sind schon für die Vergangenheit und Gegenwart oftmals schwer einzuschätzen, Prognosen über die Fortentwicklung sind erst recht nicht mit völliger Gewissheit zu treffen und menschliche Fehler immer möglich. Umso wichtiger ist es alle Möglichkeiten der Fehlerminimierung und Qualitätssicherung zu nutzen. Verbesserung der Qualifikation der Sachverständigen, Entwicklung der „Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht“ und ein Peer Review Verfahren als professionelle Selbstkontrolle bei familienpsychologischen Gutachten sind Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden.

In jüngster Vergangenheit wird zunehmend das Mittel der methodenkritischen Stellungnahme im laufenden Verfahren oder im anschließenden Haftungsprozess nach § 839a BGB gewählt. Schadensersatzforderungen von mehreren hunderttausend Euro sind keine Seltenheit. In diesen Verfahren zeigt sich nun aber, dass sich auch bei den Sekundärgutachten die Qualitätsfrage stellt. So legten Verfasser solcher Stellungnahmen eigene Maßstäbe an und schossen damit über das Ziel einer an Fachstandards ausgerichteten Einschätzung hinaus. Oder sie stellten eigene Bewertungen im Hinblick auf die gerichtliche Fragestellung an, obwohl dies mangels eigener Befunderhebung und Kenntnis der Beteiligten fachlichen Standards nicht entspricht. Natürlich müssen auch Sekundärgutachter Datenschutzbestimmungen einhalten, was bei der Verwendung von nicht anonymisierten Primärgutachten fraglich ist.

Für die Praxis bedeutet dies nun, dass bei der Auswahl des Verfassers eines Sekundärgutachtens größte Sorgfalt geboten ist. Auf besondere fachliche und persönliche Qualifikation ist zu achten, ebenso wie auf ein ergebnisoffenes Vorgehen. Vertreter der Fachwissenschaft und Praxis haben sich mit Anforderungen an methodenkritische Stellungnahmen befasst. Die Ergebnisse sind alsbald in der NZFam zu lesen.

Letztlich gilt auch für Sekundärgutachten: gut gemacht können sie helfen, Fehlentscheidungen zu verhindern. Mangelhafte schüren falsche Hoffnungen, heizen den Konflikt weiter an und produzieren unnötige Kosten. Die Qualitätsdiskussion bleibt uns also so oder so erhalten. Ihre

Ihre
Anja Kannegießer

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