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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

Editorial 7/2024

Bürokratieentlastung durch Rücknahme von Bürokratieentlastung?

Landauf, landab wird eine überbordende Bürokratie beklagt, die Wirtschaft, Verwaltung und Bürger belaste, Fortschritt und Entwicklung hemme und enorme Mittel überflüssig binde. Die Klage hat die Politik vernommen, und sie will Abhilfe schaffen. So ist im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ vereinbart, dass ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt werde. Dam hat man Taten folgen lassen, indem das BMJ am 11. Januar 2024 den Entwurf des 4. Bürokratieentlastungsgesetzes auf seiner Homepage veröffentlich hat. Das in 55 Artikeln aufgeteilte sog. Meseburger Entbürokratisierungspaket (benannt nach dem Ort der Kabinettsklausur Ende August 2023) enthält eine ganze Reihe von gesetzgeberischen Einzelmaßnahmen.

Darunter auch Artikel 9 (Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes), der in § 4 Nr. 2 kurz und knapp vorsieht: „§ 7 a wird aufgehoben.“ § 7 a UVG – da war doch was? Richtig, mit Beschluss vom 31. Mai 2023 hatte der BGH entschieden, dass diese Vorschrift nicht nur die Vollstreckung, sondern bereits die gerichtliche Geltendmachung des nach § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruchs durch den Sozialleistungsträger gegenüber bestimmten SGB II-Leistungsempfängern untersagt (NZFam 2023, 1287). Unweigerliche Folgefrage: Was mag die Streichung dieser Norm mit Bürokratieabbau zu tun haben? Nach der Entwurfsbegründung (S. 68) „ist die Klärung der Voraussetzungen (…) regelmäßig aufwendiger als die Durchführung erfolgloser Vollstreckungsmaßnahmen“ und soll zudem wegen des Wegfalls der Prüfung zu einer jährlichen Ersparnis von 877.000 EUR führen (S. 57).

Diese Einschätzungen verwundern nun doch. Nicht nur wird schlicht verschwiegen, dass laut BGH schon die Titulierung zu unterbleiben hat, so dass es bereits nicht zu (erfolglosen) Vollstreckungsmaßnahmen kommen kann. Die Entwurfsbegründung lässt auch gänzlich unerwähnt, dass die Titulierung der Unterhaltsansprüche für die Unterhaltsvorschusskassen und auch die Gerichte erfahrungsgemäß mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist (fiktive Einkünfte des Unterhaltspflichtigen?), der deutlich über die SGB II-Abfrage hinausgeht. Nicht umsonst war die zum 1. Juli 2017 erfolgte Einführung des § 7 a UVG mit der Vermeidung verwaltungsaufwändiger und unwirtschaftlicher Rückgriffsbemühungen begründet worden (BT-Drs. 18/11135, S. 163). Kein Wunder, dass der Deutsche Städtetag in seiner Stellungnahme zum Entwurf einen „Mehraufwand“ aufgrund der Streichung prognostiziert. Und die Bundesrechtsanwaltskammer verweist zu Recht darauf, § 7 a UVG solle verhindern, dass für die Anspruchsdurchsetzung staatliche Gelder aufgewendet werden, obwohl von vornherein von der Mittellosigkeit des Anspruchsgegners auszugehen sei.

Steht vielleicht eine neue Erfolgsformel – Bürokratieabbau durch Rückbau von Bürokratieabbau – hinter dem Vorschlag? Wohl kaum! Tatsächlich wird die gesetzgeberische Motivation doch aus der Entwurfsbegründung deutlich. „Die Regelung ist beim Unterhaltsrückgriff nicht hilfreich und vermindert den Rückgriffserfolg“, ist da auch zu lesen (S. 68). Das ist als Grund für die Streichung von § 7 a UVG zumindest schlüssig. Mit Bürokratieentlastung hat es aber rein gar nichts zu tun.

Ihr
Hartmut Guhling

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