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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

Editorial 9/2025

Ehewohnung und Kindeswohl

Blickt man 15-20 Jahre zurück, so waren Streitigkeiten von getrenntlebenden Ehegatten um die Überlassung der Ehewohnung nach § 1361b I BGB in der Regel nicht allzu schwer zu entscheiden. Da dessen Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass eine unbillige Härte auch dann gegeben sein kann, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist, waren in Zeiten des Residenzmodells kaum Gründe zu finden, dem nicht die Kinder betreuenden Elternteil, der häufig nur jedes zweite Wochenende Umgang
hatte, die Wohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die durch die zunehmende Verantwortungsübernahme der Väter bewirkte Änderung der Kinderbetreuung hin zum paritätischen Wechselmodell bzw. erweiterten Umgang hat nicht nur das Sorge- und Umgangsrecht sowie das Unterhaltsrecht massiv verändert, sondern stellt nunmehr auch das Ehewohnungsrecht vor große Herausforderungen. Die erwähnte Kindeswohlklausel in § 1361b I 2 BGB läuft nicht nur dann ins Leere, wenn gemeinsame Kinder paritätisch in verschiedenen Elternhaushalten leben. In der Praxis ist zuletzt auch der Fall aufgetreten, dass Kinder im sog. Nestmodell betreut werden (vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2024, 42064). Wie in der Vergangenheit im Sorgerecht könnte dies auch im Ehewohnungsrecht die Frage aufwerfen, ob das Gesetz im Rahmen von § 1361b I BGB eine temporär wechselnde Überlassung der Ehewohnung ermöglicht. Doch damit nicht genug. Welche Bedeutung hat § 1361b I 2 BGB, wenn die Ehegatten nach der Trennung die Kinder unter sich aufgeteilt haben (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 2025, 172)? Und schließlich noch die Frage, wie mit der Vorschrift umzugehen ist, wenn die Eltern nach der Trennung die Betreuung der Kinder noch nicht sorge- bzw. umgangsrechtlich geklärt haben (so ebenfalls bei OLG Frankfurt a.M. NJW 2025, 172). Soll dann durch eine Entscheidung im Ehewohnungsverfahren über den Schwerpunkt der Kindesbetreuung entschieden werden? Letzteres dürfte sich schon deshalb verbieten, weil in Ehewohnungssachen die Bestellung eines Verfahrensbeistands (§ 158 FamFG) ausgeschlossen ist und allein die Anhörung des Jugendamts (§ 205 FamFG) keine hinreichende Grundlage für eine kindeswohlorientierte Entscheidung bieten dürfte.

Die Familiengerichte werden in diesen Fällen zunehmend auf andere Kriterien für ihre Abwägungsentscheidungen nach § 1361b I BGB abstellen müssen. Neben der in Satz 3 genannten dinglichen Rechtslage (zB Alleineigentum eines Ehegatten) wird insbesondere zu berücksichtigen sein, welcher Ehegatte, insbesondere aufgrund seiner günstigeren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, besser dazu in der Lage ist, sich zeitnah auf dem vor allem in Städten angespannten Wohnungsmarkt Ersatzwohnraum zu beschaffen.

Als Schriftleiter der NZFam werde ich mich bemühen, auch dieses spezielle Thema im Blickfeld zu behalten und Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung aufzuzeigen.

Ihr
Werner Dürbeck

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