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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

Editorial 23/2025


Familienrecht und seine „andere Seite“


Aktuelle Gesetzesvorhaben, wie zB der Entwurf zur Umsetzung des Urteiles des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung oder der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und die Täterarbeit im Gewaltschutzgesetz geben Gelegenheit, eine „andere Seite der Medaille“ zu beleuchten.

Denn häufig wird bei allem Reformeifer nicht hinreichend bedacht, welche Auswirkungen (komplexe) Gesetze auf die am (Familien-)Verfahren beteiligten Professionen, insbesondere Familienrichterinnen und -richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, aber auch Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie das Jugendamt, haben.

Überlegungen des Gesetzgebers und deren Umsetzung in Vorschriften sind grundsätzlich begrüßenswert, erfahren aber nicht selten Kritik, jedenfalls dann, wenn entweder Rechtsprobleme nur teilweise aufgegriffen werden (Stichwort: „Insellösungen“) oder das Regelungsgefüge nach Inhalt und
Umfang unübersichtlich gerät, wie zB in § 1358 BGB. Die Neigung des Gesetzgebers, weg von kurzen, prägnant gefassten und anwenderfreundlichen Normen hin zu Vorschriften, die jedes Detail erfassen (sollen) und dabei zum Teil „uferlos“ geraten, ist nicht zu übersehen, wie auch und gerade der Entwurf zur „Fußfessel“ zeigt.

Aus richterlicher Sicht, die hier beispielhaft herausgegriffen werden soll, gilt es bei allen angedachten Gesetzgebungsvorhaben auch die Auswirkungen auf die Personalsituation mit zu bedenken. Zwar sind die Geschäftszahlen in Familiensachen insgesamt betrachtet in erster Instanz rückläufig, verzeichnen aber seit 2024 wieder einen leichten Anstieg (Quelle: Statistisches Bundesamt Stand: 29.10.2025).

Auf konstant hohem Niveau bewegen sich jedoch die Eingangszahlen in Sorge – und Umgangssachen, die häufig konfliktbehaftet und nicht in nur einem Termin zu erledigen sind. Hinzu kommt der nicht unerhebliche Verwaltungsaufwand, der für jeden Einzelnen mit der elektronischen Aktenführung (zwingend ab dem 1.1.2026) verbunden ist. Verzweiflung macht sich breit, wie zu hören ist, denn es „ruckelt“ heftig bei der technischen Umsetzung. Die „KI-Befragung“ – schon mal von der Geschäftsstelle vorsorglich angeregt – bringt einen selten weiter, schon gar nicht in der Sache selbst, in der Kontrollüberlegungen, Würdigung des Sachverhalts und ggf. des Ergebnisses der Beweisaufnahme unerlässlich sind.

Von den beschriebenen Herausforderungen abgesehen, lässt den einen oder die andere die Frage nach der Erfüllung der fachlichen Qualifikationsvoraussetzungen (§ 23b III und IV GVG, die eine „wichtige Forderung aus Politik- und Fachkreisen aufgegriffen hat – so: BT-Drs 19/23707, S. 47) womöglich (doch) in Überlegungen eintreten, das Dezernat zu wechseln.

Die nötigen Fachkenntnisse durch eine gezielte Aus- und Fortbildung zu erwerben, ist aber unerlässlich, wie der Entwurf zur „elektronischen Aufenthaltsüberwachung“ exemplarisch aufzeigt. Dafür ist unbedingt  Sorge zu tragen.

Ihre
Brigitte Meyer-Wehage

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