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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

Aktuell 12/2025


Sorgerecht


Internationale Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Sorgerechtsstreit

Mit Beschluss v. 9.4.2025 hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1618/24) eine Verfassungsbeschwerde einer in Hamburg lebenden Mutter nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen fachgerichtliche Beschlüsse in einem Sorgerechtsstreit zwischen geschiedenen Eltern richtete. Aus der Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen. Um das Sorgerecht für zwei der Kinder haben die Eltern sowohl in Deutschland als auch in Dänemark verschiedene gerichtliche Verfahren geführt, insbesondere um das Recht, den Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen. Die Verfassungsbeschwerde der Mutter richtete sich gegen mehrere Entscheidungen Hamburger Gerichte, vor denen sie mit den jeweils eingelegten Rechtsmitteln in den Sorgerechtsverfahren erfolglos geblieben war. Nachdem die betroffenen Kinder mittlerweile seit einigen Jahren in Dänemark leben und ein dänisches Gericht dem Vater das Sorgerecht übertragen hatte, haben die deutschen Gerichte eine eigene Zuständigkeit nur noch für eilbedürftige Maßnahmen angenommen, in der Hauptsache aber die Zuständigkeit der deutschen Familiengerichtsbarkeit wegen des mehrjährigen Aufenthalts der Kinder in Dänemark verneint.

Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde der beschwerdeführenden Mutter blieb ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat zum einen – wegen des in Dänemark ergangenen Beschlusses zum Sorgerecht – bereits keine für die Beschwerdeführerin noch rechtlich belastenden Wirkungen der deutschen Entscheidungen und zum anderen keine Verletzung von Grundrechten der Mutter durch diese Entscheidungen erkennen können.

Nach der Trennung der mittlerweile geschiedenen Eltern lebten zunächst alle vier aus der Ehe hervorgegangenen Kinder im Haushalt der Beschwerdeführerin in Deutschland. Der Vater ist wieder verheiratet und lebt mit seiner neuen Ehefrau in Dänemark. Für die beiden in den Ausgangsverfahren betroffenen Kinder bestand ab dem Jahr 2015 eine Umgangsregelung, die einen Wochenendumgang des Vaters mit den beiden Kindern in Dänemark vorsah. Im Verlauf eines solchen Umgangs teilte der Vater der Beschwerdeführerin Ende August 2021 mit, dass er die beiden Kinder entgegen der Vereinbarung nicht nach Deutschland zurückbringen werde, sondern sie in Dänemark bleiben würden. In der Folge kam es zu mehreren gerichtlichen Verfahren sowohl in Deutschland als auch in Dänemark, die jeweils das Sorgerecht beziehungsweise die Herausgabe oder Rückführung der Kinder zum Gegenstand hatten. Obwohl das Zurückhalten der Kinder durch den Vater von den Gerichten als rechtswidrig bewertet wurde, erfolgte deren Rückführung nach Deutschland nicht, weil die zuständigen dänischen Gerichte Härtefallgründe nach dem maßgeblichen Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) bzw. dem inhaltsgleichen dänischen Recht annahmen, die einer Rückführung entgegenstünden.

In dem der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge hat zunächst im September 2021 der Vater und im Oktober 2021 dann die Beschwerdeführerin die Übertragung des Sorgerechts jeweils auf sich allein bei dem Familiengericht in Deutschland beantragt. Die Erstellung eines vom Familiengericht beauftragten Sachverständigengutachtens kam nicht zustande, weil der Vater weder selbst an der Begutachtung mitwirkte noch die Begutachtung der Kinder zuließ.

In der Nacht vom 31.12.2023 auf den 1.1.2024 ereignete sich eine Entführung der betroffenen Kinder durch mehrere Personen. Die Kinder wurden von Dänemark nach Deutschland verbracht. Ab dem 2.1.2024 hatte die Beschwerdeführerin Kontakt mit den Kindern; spätestens seit dem 3. und bis zum 5.1.2024 hielten diese sich in ihrem Haushalt in Deutschland auf. Im Anschluss an diese Verbringung der Kinder sind sowohl in Dänemark als auch in Deutschland mehrere Verfahren zum Sorgerecht für die Kinder geführt beziehungsweise fortgeführt worden. So übertrug das zuständige dänische Amtsgericht mit Beschluss vom 2.1.2024 einstweilen das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater. Es sei international zuständig, weil sich die Kinder seit August 2021 in Dänemark aufhielten und sie sich dort niedergelassen hätten. In Deutschland hat das Oberlandesgericht am 5.1.2024 in einem Eilverfahren durch einstweilige Anordnung ebenfalls das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das „Erziehungsrecht“ für die betroffenen Kinder auf den Vater allein übertragen und deren sofortige Herausgabe an ihn angeordnet. Es sei für Eilmaßnahmen im einstweiligen Anordnungsverfahren nach dem hier maßgeblichen Art. 11 des Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) zuständig. Mit einem weiteren Beschluss vom 19.2.2024 hat das Oberlandesgericht in dem Hauptsacheverfahren zur elterlichen Sorge wie zuvor bereits das Familiengericht die fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte festgestellt. Es sei davon auszugehen, dass die Kinder sich beide in ausreichender Form familiär und auch sozial in Dänemark integriert hätten.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerdeführerin u.a. die Verletzung von Art. 6 II 1 Grundgesetz (GG) (elterliches Sorgerecht) und Art. 20 III in Verbindung mit Art. 2 I GG im Sinne des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs geltend gemacht.

(Anm.: Die Entscheidung wird demnächst im Volltext mit einer Anmerkung von Keuter in der NZFam erscheinen).


Nachrichten


Kritik an Nachlassgerichten

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) hat unter Anwälten eine Umfrage zur Verfahrensdauer bei Nachlassgerichten durchgeführt. Das Ergebnis: Wartezeiten seien zu lang, die Arbeitsfähigkeit der Gerichte in Gefahr. Lösungsvorschläge präsentiert der DAV auch.

Für die Umfrage befragte der Verein 539 Anwältinnen und Anwälte, Notarinnen und Notare sowie Justizangehörige. Das Ergebnis bestätigt laut DAV den vorherrschenden Eindruck, dass „sich die Dauer von eigentlich simplen Abläufen bei den Nachlassgerichten im Vergleich zur Vergangenheit enorm verlängert hat“. So heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands v. 15.4.2025.

Insbesondere Wartezeiten seien ein großes Problem. So soll beispielsweise die Eröffnung der Testamente in beinahe der Hälfte der Fälle zwei Monate oder länger dauern, selbst wenn eine notarielle Verfügung im Zeitpunkt eines Erbfalls bei einem Nachlassgericht hinterlegt war, so der DAV. „Noch schlimmer“ seien die Wartezeiten, wenn es kein notarielles Testament gebe und nach der Testamentseröffnung noch ein Erbschein beantragt werden müsse. So dauere die Erteilung eines Erbscheins „selbst in unstreitigen Fällen“ dann laut der Umfrage in 40 Prozent der Verfahren länger als sechs Monate. Solche Verzögerungen könnten für Erbinnen und Erben zu „erheblichen wirtschaftlichen Schäden“ führen, so der Verband.

Die Umfrage habe auch ergeben, dass sowohl die Zufriedenheit der Anwältinnen und Anwälte als auch die der Justizangehörigen im Vergleich zur Vergangenheit deutlich abgenommen habe. Der DAV antizipiert durch den zunehmenden Personalmangel der Justiz gar eine weitere Verschlechterung der bemängelten Wartezeiten.

Für eine „langfristige und nachhaltige Lösung“ brauche es daher dringend eine umfassende Digitalisierung der Justiz, schlägt der DAV vor. Bis diese erreicht sei, könne eine Verbesserung jedoch auch durch „vermeintlich banale Dinge“ erreicht werden. So könne ein Testament schneller eröffnet werden, wenn die Gerichte keine umfangreiche Ermittlungsarbeit mehr leisten müssten. Dafür müssten in Testamenten auch vollständige Angaben zu den gesetzlichen und testamentarischen Erben gemacht werden, so der DAV.

Zudem schlägt der DAV vor, einem Erbscheinsantrag in unstreitigen Fällen direkt eine Zustimmungserklärung der sonstigen Beteiligten beizufügen, sodass Nachlassgerichte den Erbschein direkt ohne Anhörung der Beteiligten erteilen könnten. Es sei „höchste Zeit, dass jetzt schnell etwas zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit unserer Nachlassgerichte unternommen wird“, heißt es in der Mitteilung. Man werde den Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Justiz und der Notarkammer suchen.


Neue Zahlen aus 2024 zu grenzüberschreitenden Kindesentführungen


Das Bundesamt für Justiz (BfJ) ist deutsche Zentrale Behörde nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Haager Kindesentführungsübereinkommen – HKÜ). In dieser Funktion unterstützt es Betroffene bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückführung widerrechtlich entzogener oder zurückgehaltener Kinder. Die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2024 für das BfJ liegen un vor.

 

Im Jahr 2024 verzeichnete das BfJ insgesamt 474 neue Vorgänge nach dem HKÜ (Vorjahr: 527). Dabei handelt es sich in 392 Fällen (83 Prozent) um Verfahren auf Rückführung eines Kindes und in 82 Fällen (17 Prozent) um Umgangsverfahren. Von den 392 Verfahren auf Rückführung eines Kindes betreffen 228 Kindesentziehungen von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat (ausgehende Verfahren) sowie 164 Kindesentziehungen von einem anderen Vertragsstaat nach Deutschland (eingehende Verfahren).

Die zahlenmäßig bedeutendsten Länder (HKÜ-Vorgänge insgesamt) sind Polen und die USA mit jeweils 31 Vorgängen, gefolgt von der Ukraine (27 Vorgänge) und der Türkei (25 Vorgänge). Bei den ausgehenden HKÜ-Vorgängen in einen anderen Vertragsstaat ist die Türkei wichtigster Partnerstaat (21 Vorgänge), gefolgt von den USA (19 Vorgänge) und Polen (16 Vorgänge). Bei aus dem Ausland eingehenden HKÜ-Vorgängen steht wie schon im Vorjahr erneut die Ukraine (18) an erster Stelle, gefolgt von Polen und Frankreich mit jeweils 15 Vorgängen an zweiter Stelle. Hinsichtlich der Fallzahlen wird darauf hingewiesen, dass das BfJ als deutsche Zentrale Behörde beratend und unterstützend tätig werden kann, die Einschaltung der Zentralen Behörden jedoch im Rahmen des Übereinkommens nicht zwingend vorgeschrieben ist. Es können daher keine Gesamtzahlen zu grenzüberschreitenden Kindesentziehungen genannt werden.


Mehr Fälle häuslicher Gewalt

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ vom 10.5.2025 im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Die Zeitung beruft sich auf Recherchen bei den Innenministerien und Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer. Demnach wurden 2024 bundesweit mehr als 266.000 Opfer häuslicher Gewalt von der Polizei registriert, etwa vier Prozent mehr als im Vorjahr.

Als Täter wurden demnach Partner, Ex-Partner und Familienangehörige erfasst. Zwei Drittel der Opfer seien Frauen. Ausgegangen werde zudem von einer hohen Dunkelziffer, weil sich viele Betroffene nicht trauen, Anzeige zu erstatten. Offiziell sollen die Zahlen dem Bericht zufolge voraussichtlich im Sommer im Rahmen des Lagebilds „Häusliche Gewalt 2024“ des Bundeskriminalamts (BKA) vorgestellt werden.

Beim Vergleich der Länder verzeichnet Niedersachsen mit 12,3 Prozent (30.209 Opfer) den stärksten Zuwachs. Dahinter kommen Schleswig-Holstein (plus 8,8 Prozent, 9342 Opfer) und Baden-Württemberg (plus 8,7 Prozent, 27.841 Opfer). Es folgen Thüringen (plus 7,5 Prozent, 7040 Opfer), Brandenburg (plus 7,4 Prozent, 6790 Opfer), und Sachsen-Anhalt (plus 6,0 Prozent, 8735 Opfer) mit überdurchschnittlich hohen Werten. Den geringsten Anstieg bei der häuslichen Gewalt haben Bayern (plus 1,0 Prozent, 28.358 Opfer) und Hessen (1,4 Prozent, 15.902 Opfer). Rückgänge gibt es lediglich in drei Ländern: in Bremen/Bremerhaven (minus 3,7 Prozent, 3514 Opfer), im Saarland (minus 2,7 Prozent, 3890 Opfer) und in Mecklenburg-Vorpommern (minus 1,6 Prozent, 5249 Opfer).


Bundesrat fordert Gleichbehandlung von Zwei-Mütter-Familien

Mit einer am 23.5.2025 gefassten Entschließung (BR-Drs. 161/25) ruft der Bundesrat die Bundesregierung dazu auf, das Abstammungsrecht bei Zwei-Mütter-Familien zu ändern.

Als Grund für seinen Vorstoß, der auf eine Initiative von Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zurückgeht, nennt der Bundesrat die fehlende Gleichstellung von Regenbogenfamilien im Abstammungsrecht. So werde bei Zwei-Mütter-Familien derzeit nur die leibliche Mutter in die Geburtsurkunde und das Geburtenregister eingetragen. Die andere Mutter müsse ein langwieriges Adoptionsverfahren durchlaufen, um rechtlich als Elternteil anerkannt zu werden. Bei Paaren, die aus einer Frau und einem Mann bestehen, werde der Mann bei der Geburt eines Kindes hingegen automatisch Vater, wenn er mit der leiblichen Mutter verheiratet ist. Sind sie nicht verheiratet, könne der Mann die Vaterschaft anerkennen. Nach Auffassung des Bundesrates stellt diese Ungleichbehandlung eine Diskriminierung dar, die es zu beseitigen gilt. Im Sinne des Kindeswohls müsse es allen Kindern ermöglicht werden, unabhängig vom Geschlecht der Eltern unmittelbar nach der Geburt zwei Eltern im Rechtssinne zu haben. Daher schlagen die Länder der Bundesregierung vor, das Abstammungsrecht dahingehend zu ändern, dass die Ehefrau der gebärenden Frau rechtliche Mutter des Kindes wird. Auch die Anerkennung der Mutterschaft müssen bei Zwei-Mütter-Familien ermöglicht werden.

 

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