Aktuell 14/2025
Wehrdienstrecht
Ehebruch unter Soldaten
Der 2. Wehrdienstsenat des BVerwG (Urteil v. 22.1.2025 – 2 WD 14.24) hat entschieden, dass die Beteiligung eines Soldaten am Ehebruch zu Lasten eines anderen Soldaten disziplinarrechtliche Konsequenzen haben kann. Dem Urteil lag der Fall eines Hauptfeldwebels zu Grunde, der mit der Ehefrau eines befreundeten Mannschaftssoldaten desselben Bataillons ein Verhältnis angefangen und mit ihr in der ehelichen Wohnung Geschlechtsverkehr hatte, kurz nachdem ihr Ehemann in vorläufiger Trennungsabsicht ausgezogen war. Der Hauptfeldwebel beendete die Beziehung wenige Wochen später. Die Ehe des Mannschaftssoldaten scheiterte.
Das Truppendienstgericht hat gegen den Hauptfeldwebel wegen Verletzung seiner Kameradschaftspflicht ein Beförderungsverbot mit Bezügekürzung ausgesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die zu Gunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft überwiegend zurückgewiesen, den Fall aber etwas milder bewertet und eine mehrmonatige Kürzung der Dienstbezüge verhängt.
In der Urteilsbegründung wird betont, dass die Kameradschaft in der Bundeswehr nicht nur eine ethische Kategorie, sondern eine im Soldatengesetz vorgeschriebene Rechtspflicht ist. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 12 SG beruht der Zusammenhalt in der Bundeswehr wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Dies schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.
Der vom Gesetz geforderte Respekt vor den Rechten des Kameraden werde bei der Beteiligung an dem Ehebruch nicht gewahrt. Die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts sei nach § 1353 BGB eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft, die mit dem wechselseitigen Anspruch auf eheliche Treue verbunden ist. Der Gesetzgeber habe mit der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft an diesem Ehebild festgehalten und die eheliche Treue als Wesensmerkmal der Ehe bezeichnet (BT-Drs. 7/4361, S. 7). Der Charakter der ehelichen Treue als gesetzliches Recht bestehe unabhängig davon, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen ist und dass zivilrechtliche Sanktionen bei Eheverfehlungen nur selten und bei Hinzutreten weiterer Umstände – etwa bei Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe – ausgesprochen werden (vgl. BGH NJW 2014, 1243 f.).
Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme sei gerechtfertigt, weil die Beteiligung am Ehebruch eine Missachtung eines Kameradenrechts im Sinne des § 12 SG sei und regelmäßig negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb habe. Die Missachtung der Ehe könne ebenso wie die Verletzung anderer Rechte des Kameraden das alltägliche Leben in der militärischen Gemeinschaft massiv belasten und die Bereitschaft, in Krisensituationen füreinander einzustehen, gefährden. Kaum ein anderes Verhalten zum Nachteil eines Kameraden sei stärker geeignet, Spannungen, Unruhe und Misstrauen nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern in der Truppe allgemein auszulösen und damit den Zusammenhalt der Soldaten untereinander zu stören. Deshalb werde auch in anderen Ländern – etwa in der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika – die Beteiligung am Ehebruch disziplinarrechtlich geahndet.
Das BVerwG hat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass bei der Beteiligung am Bruch einer Kameradenehe grundsätzlich ein Beförderungsverbot in den Blick zu nehmen ist (vgl. BVerwG NJW 2002, 3722 Rn. 11). Im Hinblick auf den dienstlichen Schutzzweck der Disziplinarmaßnahme sei dies allerdings nur verhältnismäßig, wenn – wie hier – zwischen den beteiligten Soldaten ein räumlich-dienstliches Näheverhältnis bestand und deswegen konkret nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb drohten.
Eine Milderung der Maßnahme sei im vorliegenden Fall nicht deswegen veranlasst, weil der Ehebruch erst nach der räumlichen Trennung der Ehegatten stattfand. Denn die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft erlischt nicht schon mit dem Tag der Trennung, sondern erst wenn die Ehe gescheitert ist (§ 1352 II BGB), d.h. wenn nicht mehr erwartet werden kann, dass die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft wiederherstellen (§ 1565 I 2 BGB). Diese Voraussetzung war wenige Tage nach der räumlichen Trennung ersichtlich nicht erfüllt. Das BVerwG hat dem angeschuldigten Hauptfeldwebel jedoch zu Gute gehalten, dass er sich diesbezüglich in einem – wenn auch vermeidbaren – Verbotsirrtum befand und dass er konstant gute dienstliche Leistungen erbrachte. Daher erschien eine Bezügekürzung am untersten Rand des gesetzlichen Rahmens ausreichend und angemessen.
Zwangsvollstreckungsrecht
Keine Zwangsräumung bei Hochschwangerschaft
Die Wohnung einer hochschwangeren, kurz vor einem Kaiserschnitt stehenden Frau und ihrer Familie sollte zwangsgeräumt werden, die Familie in eine Container-Notunterkunft. Das hat das BVerfG vorläufig gestoppt. Das Amtsgericht hätte das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit berücksichtigen müssen.
Die Familienwohnung sollte vier Tage vor dem geplanten Kaiserschnitt zwangsgeräumt werden. Nach der Räumung sollte die Familie in einer Notunterkunft der Gemeinde in Containern untergebracht werden. Die Familie beantragte Räumungsschutz nach § 765a ZPO. Sie wies unter Vorlage eines Krankenhausberichts auf den bevorstehenden Kaiserschnitt hin und monierte die Notunterkunft mangels ausreichender medizinischer und hygienischer Versorgung als unzumutbar.
Das AG sah allerdings keine sittenwidrige Härte und versagte Räumungsschutz. Dabei bezweifelte es zunächst trotz des Krankenhausberichts die Schwangerschaft, klärte das aber nicht weiter auf. Denn es meinte, die neuerliche Schwangerschaft sei aufgrund der finanziellen Lage der Familie „geradezu fahrlässig“. Die Familie könne sich deshalb nicht auf staatliche Schutzpflichten berufen. Eine sofortige Beschwerde der Familie brachte keine Abhilfe durch das AG.
Ein isolierter Eilantrag der Familie beim BVerfG bringt jetzt Aufschub. Das BVerfG kritisiert das AG scharf und hat die Zwangsräumung vorläufig, höchstens für sechs Monate, ausgesetzt (Beschluss vom 18.5.2025 – 2 BvQ 32/25, BeckRS 2025, 12043). Es betont das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, aus dem sich auch eine staatliche Schutzpflicht ergebe. Die Vollstreckungsgerichte seien zu einer genauen Aufklärung verpflichtet, wenn drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren durch die Zwangsräumung substantiiert geltend gemacht werden.
Das BVerfG beanstandet, dass das AG die erforderliche Abwägung zwischen dem Räumungsinteresse des Vermieters und den Interessen der Familie zu Unrecht unterlassen (Ablehnungsbeschluss) bzw. die gesundheitliche Situation der Hochschwangeren und die Versorgungslage für die Frau und das ungeborene Kind in der Notunterkunft nicht genügend berücksichtigt habe (Nichtabhilfeabschluss).
Es kritisiert ferner, dass das AG auf die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden für den Schutz der Familie verwiesen
habe. Zwar führt eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr durch Zwangsräumung laut BVerfG nicht automatisch zu Räumungsschutz. Könne die Gefahr durch geeignete Maßnahmen gebannt werden, müsse die Zwangsräumung nicht gestoppt werden. Allerdings müssten die Fachgerichte das genau geprüft und dafür gesorgt haben, dass die Maßnahmen vorgenommen werden.
Das BVerfG moniert auch, dass das AG es nicht als seine Aufgabe angesehen habe, eine Zwangsvollstreckung trotz drohender menschenunwürdiger Bedingungen im Fall der Unterbringung vorläufig zu stoppen. Das AG hätte aus Sicht der Karlsruher Richterinnen und Richter prüfen müssen, ob die Notunterkunft mit Blick auf die Bedürfnisse der Frau nach der Entbindung und die des ungeborenen Kindes dem Mindestmaß an menschenwürdiger Unterbringung entspricht.
Eine noch einzulegende Verfassungsbeschwerde wäre daher weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet, so das BVerfG. Im Rahmen der Folgenabwägung überwögen die der Familie drohenden Nachteile die Nachteile für den Vermieter, für den sich die Zwangsräumung lediglich um wenige Monate verzögere. Es liege nicht fern, dass die Zwangsräumung vier Tage vor dem Kaiserschnitt die körperliche Unversehrtheit der Frau und des ungeborenen Kindes erheblich gefährde.
Nachrichten
Verlängerung der Fortgeltungsanordnung in Vaterschaftsanfechtungsverfahren
Mit Beschluss v. 3.6.2025 (BeckRS 2025, 12634) hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die im Urteil v. 9.4.2024 (1 BvR 2017/21) angeordnete Fortgeltung der für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten gesetzlichen Vorschriften über die Vaterschaftsanfechtung der § 1600 II und III 1 BGB verlängert. Im Verfahren 1 BvR 2017/21 hatte der Erste Senat die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Vaterschaftsanfechtung für mit dem Elterngrundrecht (Art. 6 II 1 GG) unvereinbar erklärt, aber eine Fortgeltung der beanstandeten Regelungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens jedoch bis zum 30.6.2025, angeordnet. Auf eine Anfrage des Senats bei dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung, ob mit einer Neuregelung innerhalb der genannten Fristen gerechnet werden könne, hat der Bundeskanzler im April 2025 angeregt, die Fortgeltungsanordnung
zu verlängern. Die im Verfahren Beteiligten bzw. Äußerungsberechtigten sind dieser Anregung nicht grundsätzlich entgegengetreten. Der Erste Senat hat die Fortgeltungsanordnung bis zum 31. März 2026 verlängert und zur Begründung vor allem darauf verwiesen, dass die für die ursprünglichen Fortgeltungsanordnungen geltenden Gründe weiter fortbestehen.
Elektronische Beurkundung
Das Bundesjustizministerium will notarielle Urkunden in Zukunft auch elektronisch ermöglichen – etwa per Unterschriftenpad– und hat dazu einen Referentenentwurf (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung v. 13.6.2025 – https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Einfuerung_elektronische_Praesenzbeurkundung.html?nn=18816) veröffentlicht. Ziel ist ein vollständig digitales Verfahren ohne Medienbruch.
Nach deutschem Recht ist für viele Rechtsgeschäfte – etwa beim Grundstückskauf, bei Eheverträgen oder GmbH-Gründungen – eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben. Diese erfolgt bislang zwingend in Papierform, obwohl Verwahrung und Vollzug längst elektronisch laufen. Dies führt zu einem doppelten Medienwechsel: Urkunden werden ausgedruckt, unterzeichnet und anschließend wieder eingescannt. Der Gesetzentwurf will diesen Bruch beseitigen. Zukünftig soll die Urkundsperson die Niederschrift unmittelbar als elektronisches Dokument erstellen. Die Beteiligten können das Dokument dann elektronisch unterzeichnen – entweder mittels qualifizierter elektronischer Signatur oder auf einem Hilfsmittel wie einem Touchscreen oder Unterschriftenpad.
Zur technischen Umsetzung soll die Bundesnotarkammer ein bundeseinheitliches Signatursystem für elektronische Präsenzbeurkundungen bereitstellen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Notarinnen und Notaren die notwendige Software flächendeckend und niedrigschwellig zur Verfügung steht.
Auch die Beglaubigung elektronischer Unterschriften soll vereinfacht werden: Künftig sollen eigenhändig geleistete Unterschriften, die auf einem elektronischen Hilfsmittel angebracht werden, beglaubigt werden können. Zudem soll künftig der Zugang einer elektronisch beglaubigten Abschrift ausreichen, um die Wirksamkeit einer Erklärung herbeizuführen. Dies betrifft etwa die elektronische Übermittlung von Erbausschlagungserklärungen an Nachlassgerichte. Stellungnahmen können bis zum 27.6.2025 abgegeben werden. Ein ähnlicher Gesetzesentwurf war bereits in der vorherigen Legislaturperiode gescheitert. Der nun vorgelegte Entwurf ist punktuell überarbeitet worden.