logo_welle_trans_143
NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

AKTUELL 4/2025

Ehewohnungsrecht

Nutzungsentschädigung für Ehewohnung bei ungeregeltem Unterhalt

Bevor ein Partner, der die Ehewohnung verlässt, eine Nutzungsentschädigung erhält, ist zu prüfen, ob der Wohnvorteil nicht bereits unterhaltsrechtlich berücksichtigt wurde. Auch wenn es keine Regelung gibt, ist nach einer Entscheidung des BGH v. 27.11.2024 (XII ZB 28/23) die unterhaltsrechtliche Situation für die Nutzungsentschädigung relevant.

Ein Ehepaar bewohnte mit dem gemeinsamen Sohn bis zur Trennung ein Reihenhaus. Erst verließ der Mann - freiwillig - das Familienheim, das zur Hälfte ihm und zur anderen Hälfte seiner Frau gehörte. Ein paar Monate später zog der heute 17-jährige dann zu ihm. Von seiner Ehefrau verlangte der Ehemann eine monatliche Entschädigung in Höhe von 1.464,50 EUR für die Nutzung des Hauses. Das lehnte diese jedoch komplett ab und hielt ihm ungeregelte Unterhaltsansprüche - wie etwa den Trennungsunterhalt - vor. Er zog bis vor den BGH.

Die Vorinstanzen waren sich dabei uneins: Während er beim Amtsgericht 492 EUR zugesprochen bekam, setzte das OLG auf seine Beschwerde hin den monatlich zu zahlenden Betrag auf 805,60 EUR fest. Die Zuerkennung einer Nutzungsentschädigung, so die Begründung, sei für die Frau keine unangemessene Härte. Ein besonders großes Ungleichgewicht bei den Einkommensverhältnissen bestehe jedenfalls nicht, da die Frau über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.359,66 EUR verfüge, wovon ihr – nach Abzug eines anteiligen Hausdarlehens und des Kindesunterhalts – jedenfalls noch 1.370 EUR blieben. Davon könne sie die Nutzungsentschädigung zahlen, die „lediglich den Wohnwert kompensiere, der ihr durch die Nutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Ehemanns zufließe“. Die Rechtsbeschwerde der Frau hatte Erfolg.

Der XII. Zivilsenat des BGH hob das Urteil des OLG München auf und verwies die Sache dorthin zurück. Entgegen der Entscheidung des OLG lässt sich den Karlsruher Richterinnen und Richter zufolge die Frage, wie sich das Fehlen einer Unterhaltsregelung auf den Anspruch auf Nutzungsentschädigung auswirkt, in der Regel nicht feststellen, ohne die unterhaltsrechtliche Seite zu berücksichtigen. Fehle es an einer Unterhaltsregelung wie hier, sei bereits im Ehewohnungsverfahren als Kriterium für die nach § 1361b III 2 BGB gebotene Billigkeitsabwägung zu fragen, „ob und gegebenenfalls in welcher Größenordnung dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten bei summarischer Prüfung im Falle der Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung (hypothetische) Ansprüche auf Trennungsunterhalt gegen den weichenden Ehegatten zustehen würden“. Dies war vorliegend laut BGH vor allem deswegen angebracht, da die Frau angab, selbst bei Zurechnung des vollen Mietwerts bereits ohne die Nutzungsentschädigung Unterhalt zu benötigen. Offensichtlich sei auch streitig, ob sie – als Flugbegleiterin teilzeitbeschäftigt mit Nebentätigkeit als Kita-Erzieherin – ihrer Erwerbsobliegenheit vollständig genüge.

Das OLG müsse ferner berücksichtigen, dass eine Nutzungsentschädigung erstmals ein Jahr nach dem Auszug des Manns geltend gemacht wurde, Wohnbelange des gemeinsamen Kindes nach dem Umzug des Sohnes zum Ehemann insoweit nicht mehr zu berücksichtigen seien und das Haus für die Deckung angemessener Wohnbedürfnisse der alleinlebenden Frau ersichtlich zu groß sei.

(Anm. der Schriftleitung: Die Entscheidung wird alsbald in der NZFam mit einer Anmerkung von Erbarth vorgestellt).


Sozialrecht


Barrierefreie Gerichtsunterlagen: Anwalt muss Blinder Schriftsätze vorlesen


Eine nahezu vollständig erblindete Ärztin stritt sich vor Gericht um die Kosten einer Assistenzkraft. Sie verlangte vom Gericht eine vollständige Digitalisierung der Akte in Audioform. Das LSG Bayern lehnte dies mit Beschluss v. 16.1.2025 (L 2 U 313/24 B ER, BeckRS 2025, 205) ab: Da der Verfahrensinhalt überschaubar sei, könne ihr Anwalt sie ausreichend informieren.

Eine Ärztin erkrankte während ihrer Promotion 2010 an einer schweren Hornhautentzündung der Augen, was ihre Sehkraft stark einschränkte. Zu dieser Zeit arbeitete sie an einem onkologischen Forschungsprojekt. Von den schleswig-holsteinischen Sozialgerichten verlangte sie die Einstufung ihrer Erkrankung als Folge eines versicherten Arbeitsunfalls. Während dieser Prozess noch lief, leitete sie in Bayern ein Verfahren bezüglich der Kosten für eine Assistenz ein (Persönliches Budget nach dem Arbeitgebermodell). In diesem Verfahren verlangte sie über ihren Anwalt vom LSG Bayern, ihr alle Verfahrensdokumente des einstweiligen Rechtsschutzes und des Klageverfahrens als Audioaufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Das LSG lehnte dies ab.

Das LSG Bayern hat entschieden, dass ihr Bevollmächtigter sie ausreichend über den Sachstand informieren könne. Es gehe um eine überschaubare Sache und das Vorlesen der Schreiben sei in gewissem Umfang eine berufsrechtliche Verpflichtung des Juristen: „Jedenfalls bei nicht langen (gegnerischen und gerichtlichen) Schreiben im gerichtlichen Verfahren, wie dies vorliegend der Fall ist, unterfällt das Vorlesen der Schreiben der berufsrechtlichen Verpflichtung des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin – und zwar mit der Konsequenz, dass die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf barrierefreie Zugänglichmachung gegenüber dem Gericht hat.“

Entgegen der Ansicht des Anwalts bestehe der Anspruch auf Audiodokumente nicht pauschal und voraussetzungslos. Das LSG lehnte insoweit die Rechtsansicht des LG München I in einer 2023 getroffenen Entscheidung (NJW-RR 2023, 1486) ab, das dies so auch zugunsten einer anwaltlich vertretenen Person entschieden hatte, als „nicht überzeugend“ ab.


Nachrichten


Familienbericht: Jede fünfte Familie allein- oder getrennterziehend


Am 15.1.2025 hat Bundesfamilienministerin Lisa Paus den Zehnten Familienbericht (BT-Drs. 20/14510) im Kabinett vorgestellt. Der Familienbericht untersucht die Lebenslagen Allein- und Getrennterziehender und nimmt dabei die Dynamiken im Lebensverlauf in den Blick. Die Bundesregierung ist durch den Deutschen Bundestag beauftragt, mindestens in jeder zweiten Wahlperiode einen Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland mit einer Stellungnahme der Bundesregierung vorzulegen. Mit der Erstellung des Zehnten Familienberichts wurde im Januar 2023 eine unabhängige Sachverständigenkommission beauftragt, zu der im weiteren Prozess noch zwei weitere Expertinnen hinzugezogen wurden. Für den Bericht wertete die Kommission eine Vielzahl an Datenquellen aus. Zu den zentralen amtlichen Datenquellen gehören der Mikrozensus sowie die Zeitverwendungsstudien. Zentrale sozialwissenschaftliche Befragungsdaten liefern unter anderen die Daten des vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführten Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A), das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), das Familiendemograf ische Panel (FreDA), sowie die DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS).

In jeder fünften Familie in Deutschland erziehen Eltern ihre Kinder allein oder getrennt. Dies entspricht etwa 1,7 Millionen Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren. Der Großteil der Alleinerziehenden sind Mütter, aber der Anteil der Väter wächst und liegt 2023 bei 18 Prozent.

Alleinerziehende Mütter sind dem Bericht zufolge besonders oft von Armut bedroht. Obwohl sie überwiegend erwerbstätig sind, sind viele auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen. Viele Mütter gehen durch die Fokussierung auf Sorgearbeit und Ausstieg oder Reduzierung ihrer Erwerbsarbeit hohe finanzielle Risiken ein. Entsprechend ist das Armutsrisiko von alleinerziehenden Müttern etwa drei Mal höher als das von Müttern in Paarbeziehungen. 

Die Familienberichtskommission unter dem vom Vorsitz von Prof. Dr. Michaela Kreyenfeld hat vier zentrale Ziele formuliert, auf die ihre Handlungsempfehlungen hinwirken sollen: Die Förderung der ökonomischen Eigenständigkeit von Müttern wie Vätern, die Stärkung der gemeinsamen Elternverantwortung, die Berücksichtigung von Vulnerabilitäten und die Anerkennung sowie Förderung der Vielfalt von Familienformen.

Um die ökonomische Eigenständigkeit beider Elternteile und insbesondere von Müttern durchgehend im Lebenslauf zu unterstützen, schlägt die Sachverständigenkommission u.a. eine Reform des Elterngeldes, den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung und eine stärkere Berücksichtigung von Sorgetätigkeit im Arbeitsrecht vor. Da sich Väter heute stärker als frühere Generationen an der Betreuung ihrer Kinder beteiligen, würden gleichzeitig die Erwerbstätigenquoten und Arbeitszeiten von Müttern kontinuierlich zunehmen. Familienrecht sollte die Vielfalt eines sich verändernden Familienlebens abbilden und alle Betreuungsmodelle gleichberechtigt regeln. Da Alleinerziehende und ihre Kinder besonders oft von Armut betroffen oder bedroht seien, empfiehlt die Kommission, Komplexitäten im Sozialrecht zu reduzieren und Zugänge zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zusätzliche Kosten, die durch Umgang und Mitbetreuung entstehen, wenn Kinder in zwei Haushalten aufwachsen, sollten durch einen pauschalierten Mehrbedarf berücksichtigt werden. Genauso vielfältig wie die Wege in allein- und getrennterziehende Elternschaft seien auch die Familienkonstellationen, die daraus resultieren. Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die Familienvielfalt adäquat zu erfassen und die Statistik und Evaluationsforschung zeitgemäß weiterzuentwickeln.


Steigende Kita-Betreuungszeiten


Lange Betreuungszeiten werden in den Kindertageseinrichtungen hierzulande immer häufiger. Die Zahl der Kinder mit einer vertraglich vereinbarten Betreuungszeit von mehr als 35 Stunden in der Woche hat von 2014 bis 2024 um 30 % zugenommen, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 21.1.2025 mitgeteilt hat. Knapp zwei Drittel (64 %) dieser Kinder hatten zuletzt eine festgelegte Betreuungszeit von mehr als 45 Wochenstunden. Ebenfalls gestiegen ist in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Kinder mit einer Betreuungszeit von 25 bis 35 Wochenstunden (+25 %). Einen Rückgang gab es hingegen bei Kindern mit einer kürzeren Betreuungszeit von bis zu 25 Stunden in der Woche: Deren Zahl nahm von 2014 bis 2024 um 8 % ab. Die durchschnittlich vereinbarte Betreuungszeit stieg damit in den vergangenen zehn Jahren von 35,3 auf 36,1 Stunden pro Woche. Im selben Zeitraum ist die Zahl der betreuten Kinder insgesamt um ein Fünftel (20 %) gestiegen – von 3,29 Millionen auf 3,94 Millionen.

Um lange Betreuungszeiten gewährleisten zu können, wird ausreichend Personal benötigt. Die Zahl der pädagogisch tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen ist in den vergangenen zehn Jahren um 46 % gestiegen. Rund 724 100 Betreuungskräfte arbeiteten 2024 in Kindertageseinrichtungen, im Jahr 2014 waren es noch gut 494 300 Personen.

Obwohl die Zahl der pädagogischen Betreuungskräfte binnen zehn Jahren stark gestiegen ist, gilt die Personalsituation in vielen Einrichtungen als angespannt. Ein Grund für die personelle Notlage vieler Kitas dürfte darin liegen, dass der Anteil der Kita-Betreuungskräfte in Vollzeit vergleichsweise gering ist: 67 % des pädagogischen Kita-Personals im Jahr 2024 arbeiteten weniger als 38,5 Stunden pro Woche (2014: 65 %).

Für die pädagogische Arbeit in der Kindertagesbetreuung qualifiziert unter anderem eine schulische Ausbildung in einem der drei häufigsten Erziehungsberufe. Im Jahr 2023 schlossen rund 55.600 Menschen eine solche Ausbildung als Erzieher/in, Sozialassistent/in oder sozialpädagogische/r Assistent/in beziehungsweise als Kinderpfleger/in ab. Das war ein neuer Höchststand, obwohl für Schleswig-Holstein die entsprechende Zahl nicht vorlag. Knapp die Hälfte (44 %) der Absolvierenden, die einen beruflichen Abschluss an Berufsfachschulen, Fachschulen oder Fachakademien erlangten, erwarb diesen in einem der Top3-Erziehungsberufe. Im Jahr 2013 hatten bundesweit noch 44.100 Absolventinnen und Absolventen eine Ausbildung in einem dieser Erziehungsberufe abgeschlossen. Dabei bildet ein Ausbildungsabschluss als Sozialassistent/in in der Regel die Basis für eine Laufbahn in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens, in einigen Bundesländern ist der Abschluss Voraussetzung für die weiterführende Ausbildung als Erzieher/in sowie als Heilerziehungspfleger/in.

Für die Kinderbetreuung wird auch auf Fachkräfte aus dem Ausland gesetzt. 2.778 Verfahren zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses als Erzieher/in gab es im Jahr 2023. Davon wurden 1.743 positiv, 624 negativ und 222 noch nicht beschieden. 186 Verfahren wurden ohne Bescheid beendet. Besonders häufig ging es um die Anerkennung von Abschlüssen aus Spanien (324), der Ukraine (237) und der Türkei (231). Insgesamt zählt der Abschluss als Erzieher/in zu den Top 10 in der Rangliste der Berufe mit den meisten Anerkennungsverfahren ausländischer Abschlüsse. Die Verfahren zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses als Erzieher/in machten knapp 3 % aller Anerkennungsverfahren aus.

Anzeigen

Werbebanner-Link zum beck-shop
Werbebannerlink zur Bestellung im beck-shop

BECK Stellenmarkt

Teilen:

Menü