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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

AKTUELL 2/2025

Gleichstellungsrecht

AGG-Entschädigung für Ex-BAG-Richter wegen Verweigerung einer Kreditkarte

Eine Bank verweigerte einem 88-jährigen früheren Vorsitzenden Richter des Bundesarbeitsgerichts aufgrund seines Alters eine Kreditkarte. Dafür muss sie ihm nun wegen Altersdiskriminierung nach dem AGG einen Betrag iHv 3.000 Euro Entschädigung zahlen. Das LG Kassel (23.9.2024 - 4 S 139/23, BeckRS 2024, 31701) bestätigte eine Entscheidung des AG Kassel (BeckRS 2023, 28823).

Obwohl der Ex-BAG-Richter eine Pension von mehr als 6.400 EUR bezieht, verweigerte die norddeutsche Regionalbank, bei der er über deren Internetplattform eine Kreditkarte mit einem Verfügungsrahmen von (nur) 2.500 EUR beantragt hatte, den Abschluss eines Kreditkartenvertrages. Die Bank begründete das mit einer ungünstigen Rückzahlungsprognose. Die Gefahr zu versterben sei im höheren Alter größer, das Ausfallrisiko durch überschuldete Nachlässe und Erbschaftsausschlagungen höher und der Aufwand, etwaige Rückforderungen bei Erben durchzusetzen, hoch. Der pensionierte Richter monierte einen AGG-Verstoß und klagte auf Zahlung einer Entschädigung von 3.000 EUR.

Das AG Kassel gab ihm Recht und verurteilte die Bank entsprechend. Die Bank habe den Ex-Richter wegen seines Alters benachteiligt und damit gegen das Benachteiligungsverbot in § 19 I Nr. 1 AGG (bei Massengeschäften) verstoßen. Einen sachlichen Grund (§ 20 I 1 AGG) für die altersbedingte Ungleichbehandlung gebe es nicht.

Das hat nun das LG Kassel bestätigt und die Berufung der Bank zurückgewiesen. Zwar sei die Vermeidung von Rückzahlungsausfällen ein legitimes Ziel. Um dies zu erreichen, hätte es aber genügt, die Bonität des Pensionärs zu prüfen. Denn das Risiko von Zahlungsausfällen hänge von der Solvenz und nicht vom Lebensalter der Kunden ab, sodass sich über das Alter allein ungenügend solvente Kunden nicht ausschließen lassen. Auch wenn eine Bonitätsprüfung ein erhöhtes Ausfallrisiko ergebe, gebe es mildere Mittel als den Ausschluss von Menschen höheren Alters, etwa indem der Verfügungsrahmen beschränkt oder die Tilgungskonditionen angepasst werden.

Laut LG war es auch nicht angemessen, den Pensionär von einer Kreditkarte auszuschließen. Die Verweigerung einer Kreditkarte bedeute eine spürbare Einschränkung im Alltag. Kreditkarten seien als Zahlungsmittel üblich und häufig sogar erforderlich, etwa bei Zahlungen im Ausland, beim Einkauf im Internet oder bei Hotel- und Reisebuchungen. Werde Menschen höheren Alters pauschal eine Kreditkarte verweigert, beeinträchtige das deren Lebensqualität erheblich. Das sei ihnen nicht zumutbar, insbesondere mit Blick darauf, dass Banken ihr Risiko durch Bonitätsprüfungen reduzieren können. Bei Kunden mit ausreichender Bonität werde es auch im Erbfall keine Probleme geben, da ausreichende finanzielle Mittel im Nachlass vorhanden seien. Auch Erbschaftsausschlagungen seien in solchen Fällen unwahrscheinlich.

Einen Betrag von 3.000 EUR als Entschädigung hält auch das LG wegen der nicht unerheblichen Persönlichkeitsverletzung für angemessen. Anders als das AG hat es das soziale Renommee als früherer Bundesrichter aber nicht bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt. Es sei nicht einleuchtend, warum in einem gleich gelagerten Fall, bei dem der Betroffene eine geringere berufliche Qualifikation habe, eine niedrigere Entschädigungssumme angemessen sein sollte.


Nachrichten

Steigende Zahl von Inobhutnahmen

Die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen ist im Jahr 2023 erneut gestiegen, aber deutlich schwächer als im Jahr zuvor: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 2.12.2024 mitgeteilt hat, nahmen die Jugendämter in Deutschland im Jahr 2023 rund 74.600 Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut. Das waren 8.100 oder 12 % Betroffene mehr als im Vorjahr. Damit stieg die Zahl der Inobhutnahmen 2023 zum dritten Mal in Folge – allerdings nicht so stark wie 2022: Damals hatte das Plus bei 18.900 Fällen oder 40 % gelegen. Hintergrund des Anstiegs ist das Aufkommen an unbegleitet eingereisten Minderjährigen aus dem Ausland. Ohne Berücksichtigung dieser Fälle sank die Zahl der Inobhutnahmen im Jahr 2023 sogar – und zwar um 2.600 Fälle oder 7 % auf 35.00 Fälle.

Im Jahr 2023 haben die Jugendämter 39.300 Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise durchgeführt (2022: 28.600). Das war gut die Hälfte aller Inobhutnahmen (53 %). Dazu zählen sowohl vorläufige Inobhutnahmen (33 %), die direkt nach der Einreise durchgeführt werden, als auch reguläre Inobhutnahmen (20 %), die in der Regel – nach einer bundesweiten Verteilung der Betroffenen – daran anschließen. Angaben zu den Herkunftsländern der unbegleitet eingereisten Minderjährigen liegen der Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht vor.

Ein weiteres gutes Drittel aller Inobhutnahmen (36 %) erfolgte 2023 aufgrund von dringenden Kindeswohlgefährdungen und etwa ein Zehntel (11 %) der Fälle waren Selbstmeldungen, also Fälle, in denen Kinder oder Jugendliche selbst aktiv beim Jugendamt Unterstützung suchten.

Vor der Inobhutnahme lebten 44 % der Kinder oder Jugendlichen in einer Familie oder einem privaten Haushalt, darunter der Großteil zusammen mit mindestens einem Elternteil (37 % aller Fälle). Weitere 18 % waren – mit oder ohne Elternteil – in einer Einrichtung untergebracht, etwa in einem Heim (10 %) oder einer Aufnahmeeinrichtung beziehungsweise Gemeinschaftsunterkunft (3 %). In den verbleibenden Fällen – darunter insbesondere nach unbegleiteten Einreisen – war der vorherige Aufenthalt unbekannt (26 %) oder keine feste Unterkunft vorhanden (13 %).

Im Schnitt dauerte eine Maßnahme 50 Tage, trotzdem konnte etwa jeder dritte Fall (31 %) in weniger als einer Woche beendet werden. Rund ein Fünftel der Minderjährigen (19 %) war vor der Inobhutnahme von zuhause ausgerissen. Neben der unbegleiteten Einreise zählten zu den häufigsten der insgesamt 13 möglichen Anlässe für eine Inobhutnahme im Jahr 2023: Die Überforderung der Eltern (22 %), Hinweise auf Vernachlässigungen (10 %), Anzeichen für körperliche Misshandlungen (9 %) und Beziehungsprobleme (7 %). Mehrfachnennungen waren möglich.

Neue Daten zeigen, dass in 6 % aller Fälle ein Widerspruch gegen die Maßnahme von den Sorge- oder Erziehungsberechtigten eingelegt wurde. Etwa viermal so hoch und damit weit über dem Durchschnitt lag dieser Anteil bei Hinweisen auf Vernachlässigungen (26 %), psychische Misshandlungen (26 %) und sexuelle Gewalt (23 %). Eine hohe Widerspruchrate kann auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der Sorge- oder Erziehungsberechtigten bei der Behebung der Kindeswohlgefährdung hindeuten. Geht das Jugendamt bei einem Widerspruch davon aus, dass die Kindeswohlgefährdung andauert, kann es das Familiengericht anrufen, damit es die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls herbeiführt. Diese Möglichkeit haben die Jugendämter 2023 in 83 % aller Widerspruchsfälle auch genutzt.

Nach Beendigung der Inobhutnahme kehrte fast ein Viertel (23 %) der betroffenen Jungen oder Mädchen an den bisherigen Aufenthaltsort zurück. Knapp die Hälfte (47 %) der Kinder oder Jugendlichen wurde nach der Inobhutnahme an einem neuen Ort untergebracht, und zwar am häufigsten in einem Heim oder einer anderen Einrichtung, deutlich seltener in einer Familie beziehungsweise einem privaten Haushalt.

In jeweils etwa jedem zehnten Fall wurden die Betroffenen von einem anderen Jugendamt übernommen (9 %) oder beendeten die Inobhutnahme selbst (11 %), gegebenenfalls auch, indem sie aus der Maßnahme ausrissen. In weiteren 10 % der Fälle wurde die Inobhutnahme anderweitig beendet. Diese Angaben zum Maßnahmen-Ende beziehen sich nur auf reguläre Inobhutnahmen (ohne vorläufige Inobhutnahmen).


Herbstkonferenz der Justizminister

Unter dem Vorsitz des Landes Niedersachsen fand am 28.11.2024 die Herbstkonferenz 2024 der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) in der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund in Berlin statt. Familienrechtliche Themen standen dort nicht im Vordergrund. Unter Top I.5. (Familien stärken durch Vorrang der Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht) stellte die JuMiKo aber durch Beschluss fest, dass nach ihrer Ansicht die Anwendung des Art. 19 I EGBGB zu unbefriedigenden Ergebnissen führen kann, wenn ein Kind unmittelbar nach einer rechtskräftigen Scheidung zur Welt kommt und die Vaterschaftsanerkennung mit der ausländischen Vorschrift der nachwirkenden Vaterschaft des geschiedenen Ehemannes kollidiert. Aufgrund der in vielen Staaten auch in Europa noch vorhandenen Regelung der nachwirkenden Vaterschaft und der stetig zunehmenden Fälle mit Auslandsbezug sehen sie gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Die Justizministerinnen und Justizminister bitten den Bundesminister der Justiz zu prüfen, wie unter Berücksichtigung der derzeitigen Reformüberlegungen auf EU-Ebene zur sog. Elternschaftsverordnung die Regelungen des internationalen Privatrechts im deutschen Recht geändert werden könnten, um der Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht Vorrang vor einer ausländischen nachwirkenden Vaterschaft einzuräumen oder wie in sonstiger Weise den Betroffenen bei ausländischer nachwirkender Vaterschaft ein Weg eröffnet werden kann, der ihnen in Deutschland ohne das Erfordernis einer vorherigen Vaterschaftsanfechtung eine Vaterschaftsanerkennung ermöglicht.


 NRW erhält Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat den Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung eines bzw. einer unabhängigen Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte beschlossen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen besitze für die Landesregierung höchste Priorität, denn alle Formen der Gewalt, insbesondere die Form der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hätten weitreichende Folgen auf das gesamte Leben sowohl der Betroffenen selbst als auch ihrer Angehörigen und des privaten Umfelds.

Die Errichtung der Stelle eines oder einer Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte habe das Ziel, den Kinderschutz sowie die Wahrung und Förderung der Kinderrechte weiter zu stärken. Durch die Position sollen Kinder, Jugendliche, von Gewalt im Kindes- und Jugendalter Betroffene sowie ihre Angehörigen und weitere im Kinderschutz tätige Personen eine Ansprechperson für ihre Belange erhalten. Zudem soll das Wissen um den Schutz von Kindern und die Wahrung und Förderung ihrer Rechte gestärkt werden.

Durch die Position des bzw. der Beauftragten sollen Impulse für die Weiterentwicklung in den Bereichen Kinderschutz und Kinderrechte entstehen und bestehende Maßnahmen und künftige Angebote beratend begleitet werden. Das Gesetz sieht zusätzlich ein Beteiligungsverfahren vor, in dem sich insbesondere Kinder und Jugendliche, von Gewalt im Kindesalter Betroffene und die Akteure aus den Bereichen Kinderrechte und Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen aktiv einbringen sollen.

Der Gesetzentwurf hat zuvor die Verbändeanhörung durchlaufen und wird im nächsten Schritt ins parlamentarische Verfahren gehen.

In einer weiteren, bereits bestehenden Initiative plant die Landesregierung eine neue Professur für Kinderschutz und Kinderrechte in Nordrhein-Westfalen einzurichten. Ziel der neuen Professur ist es, an einer Hochschule des Landes Forschung und Lehre sowie den wissenschaftlichen Dialog zu diesen Themen zu stärken. Auch will die Landesregierung damit den Austausch über Kinderschutzthemen in relevanten Studiengängen weiter fördern, und das Wissen in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Staatliche und staatlich refinanzierte Hochschulen für angewandte Wissenschaften wurden dazu eingeladen, entsprechende Konzepte einzureichen.

Auch in Hessen wurde jüngst erstmals ein Kinderschutzbeauftragter berufen. Es ist der CDU-Landtagsabgeordnete Alexander Bauer, wie die Staatskanzlei in Wiesbaden mitteilte. Er soll nach dem Willen der Landesregierung künftig eine Schlüsselrolle in der Prävention, Intervention und Förderung von Kinderschutz in Hessen einnehmen.


Gemeinsame Unterhaltsleitlinien der NRW-Oberlandesgerichte


Die Familiensenate der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln haben erstmals gemeinsame unterhaltsrechtliche Leitlinien erarbeitet. Diese „Leitlinien NRW“ sind ab dem 1.1.2025 in ganz Nordrhein-Westfalen anwendbar und treten an die Stelle der bisherigen jeweils bezirksinternen Unterhaltsleitlinien der drei nordrhein-westfälischen Oberlandesgerichte.

Auch wenn den Leitlinien NRW keine bindende Wirkung zukommt, zielen sie gleichwohl darauf ab, landesweit eine möglichst einheitliche Rechtsprechung in Unterhaltssachen zu gewährleisten. Anknüpfend an die Düsseldorfer Tabelle behandeln sie Fragen der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens und der Bemessung von Unterhaltsansprüchen. Die Leitlinien NRW sollen zu einer angemessenen Lösung des Einzelfalls beitragen. Dabei folgen sie der bundeseinheitlichen Struktur für unterhaltsrechtliche Leitlinien, die ebenso wie die Düsseldorfer Tabelle auf Koordinierungsgesprächen unter Beteiligung aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. beruhen.

Mit der Schaffung einheitlicher unterhaltsrechtlicher Leitlinien entsprechen die Familiensenate in Nordrhein-Westfalen einem von der Rechtspraxis wiederholt geäußerten Wunsch. So fordert der Deutsche Familiengerichtstag e.V. seit vielen Jahren eine Vereinheitlichung, Zusammenfassung und Bündelung der im Bundesgebiet von den Oberlandesgerichten herausgegebenen Unterhaltsleitlinien. Einheitliche unterhaltsrechtliche Leitlinien NRW ersparen es Betroffenen sowie Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern, sich in Unterhaltsangelegenheiten bei einem Wechsel in einen anderen nordrhein-westfälischen Oberlandesgerichtsbezirk – etwa nach einem Umzug – auf abweichende Vorgaben einzustellen.

 

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