AKTUELL 19/2024
Vormundschaftsrecht
Telefonische Bestellung des Vormunds
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss v. 27.6.2024 (7 WF 74/23) entschieden, dass die bis zum 31.12.2022 vorgeschriebene Bestallung eines Vormunds auch ohne Handschlag und Anwesenheit telefonisch wirksam sein kann, wenn sie im Übrigen ordnungsgemäß erfolgte und nachvollziehbare Gründe im Hinblick auf die Pandemielage für ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall vorlagen.
Die Antragstellerin wurde im April 2020 zur Vormundin für zwei Kinder bestellt, nachdem den Kindeseltern das Sorgerecht entzogen worden war. Die Vormundschaft sollte berufsmäßig geführt werden. Die gesetzlich vorgesehene Verpflichtung der Vormundin durch den Rechtspfleger fand aufgrund der Corona-Pandemie telefonisch statt. Über das Telefonat wurde ein ausführlicher Vermerk gefertigt. Gemäß der damals geltenden Regelung sollte die Verpflichtung „mittels Handschlags an Eides statt“ erfolgen (§ 1789 S. 2 BGB idF bis zum 31.12.2022).
Die Staatskasse lehnte einen Vergütungsantrag der Vormundin ab, da diese lediglich telefonisch bestellt worden sei. Das Amtsgericht hat demgegenüber die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Antragstellerin sei wirksam zur Vormundin bestellt worden, bestätigte das OLG die Auffassung des Amtsgerichts. Sie sei telefonisch über die Aufgaben und Pflichten einer Vormundin unterrichtet und zu treuer und gewissenhafter Führung des Amtes verpflichtet worden.
Der Umstand, dass diese Verpflichtung lediglich telefonisch erfolgte, führe nicht zu Unwirksamkeit der Bestallung: Der Wortlaut des damals geltenden § 1789 S. 2 BGB aF stehe der Wirksamkeit nicht entgegen. Die dort vorgesehene Verpflichtung „mittels Handschlags an Eides statt“ stelle lediglich eine Soll-Vorschrift dar. Sowohl Handschlag als auch persönliche Anwesenheit seien demnach nicht gänzlich unverzichtbar. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Verpflichtung mittels Handschlags verfolgte aus Sicht des historischen Gesetzgebers den Zweck, dem zu Verpflichtenden den Ernst und die Bedeutung der von ihm zu übernehmenden Pflichten zu verdeutlichen. Dies könne aber auch telefonisch geschehen, begründete das OLG näher. Auch der historische Gesetzgeber sei nicht davon ausgegangen, dass die persönliche Anwesenheit des Vormunds für die Verpflichtung zwingend sei.
Zu Recht sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Umstände des Einzelfalls ein Absehen vom Handschlag bei persönlicher Anwesenheit hier ausnahmsweise rechtfertigten. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Verpflichtung in Anwesenheit trotz der seinerzeitigen Pandemie-Lage möglich und zumutbar gewesen wäre. Entscheidend sei, dass es aus der damaligen Sicht nachvollziehbare und vernünftige Gründe für ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall gegeben habe. Da die Frage, ob ein berufsmäßiger Vormund vor dem Hintergrund der Corona- Pandemie auch telefonisch verpflichtet werden konnte, bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden sei, hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
(Anm. der Schriftleitung: Die Entscheidung wird in Kürze von Birgit Hoffmann in der NZFam besprochen werden).
Nachrichten
Erhöhte Risiken für Kinder und Jugendliche durch KI im Netz
Das Gefährdungspotenzial für Kinder und Jugendliche im Netz nimmt zu. Aktuell macht es generative KI immer schwerer, Realität von Fälschung zu unterscheiden und verstärkt Risiken wie sexualisierte Gewalt, Mobbing und Extremismus. Dies ist ein zentraler Befund des Jahresberichts von jugendschutz.net, dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet.
2023 bearbeitete jugendschutz.net 7.645 Verstoßfälle. Davon sind zwei Drittel sexualisierter Gewalt zuzuordnen. Bei 12 Prozent handelt es sich um Sex/Pornografie, bei 11 Prozent um politischen Extremismus. Fünf Prozent gingen auf selbstgefährdende Inhalte zurück und zwei Prozent auf Cybermobbing.
3.210 Verstöße meldete jugendschutz.net an Anbieter und Selbstkontrolleinrichtungen mit dem Ziel der schnellen Abhilfe. 105 Verstoßfälle wurden an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zur Einleitung eines Aufsichtsverfahrens übermittelt. Außerdem wurden 252 Fälle an die KJM zur Indizierung durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) abgegeben. 3.582 Fälle sendete jugendschutz.net an die Strafverfolgungsbehörden, da kinder- und jugendpornografische Inhalte verbreitet wurden oder Gefahr für Leib und Leben bestand. Am Jahresende waren bei 6.902 Fällen (90 %) die Verstöße beseitigt.
ugendschutz.net fungiert als das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet. Die Stelle recherchiert Gefahren und Risiken in jugendaffinen Diensten. Sie wirkt darauf hin, dass Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen beseitigt und Angebote so gestaltet werden, dass Kinder und Jugendliche sie unbeschwert nutzen können.
Die Jugendministerien der Länder haben jugendschutz.net 1997 gegründet. Die Aufgaben wurden 2003 im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) festgelegt. Die Stelle ist seither an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angebunden. 2021 hat der Bund jugendschutz.net als gemeinsamem Kompetenzzentrum im Jugendschutzgesetz (JuSchG) ebenfalls eine gesetzliche Aufgabe zugewiesen.
jugendschutz.net wird finanziert von den Obersten Landesjugendbehörden, den Landesmedienanstalten und gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Europäischen Union.
jugendschutz.net nimmt über seine Online-Beschwerdestelle Hinweise auf Verstöße gegen den Jugendmedienschutz entgegen.