AKTUELL 6/2025
Medizinrecht
Verwendung von Keimmaterial eines Verstorbenen für eine In-Vitro-Fertilisation
In einem Eilverfahren vor dem Landgericht Frankfurt a. M. hat die antragstellende Ehefrau verlangt, dass eine Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres bereits verstorbenen Ehemanns zur Verfügung stellt. Sie möchte damit eine In-Vitro-Fertilisation in Spanien durchführen lassen.
Das Krankenhaus hatte die Herausgabe verweigert, weil der mit dem Ehemann zu dessen Lebzeiten geschlossene Vertrag vorsah, dass das Sperma nach seinem Tod zu vernichten sei. Das Embryonenschutzgesetz untersage es, eine künstliche Befruchtung mit dem Samen eines verstorbenen Mannes durchzuführen. Nach Ansicht der Klinik drohe ihren Mitarbeitern im Falle einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas außerdem strafrechtliche Verfolgung.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat dem Eilantrag der Witwe in einem Beschluss vom 4.2.2025 (2 – 04 O 29/25) jedoch stattgegeben.
Die Kammer des Gerichts hat festgestellt, dass der seinerzeit mit dem Ehemann geschlossene Vertrag die Klinik nicht verpflichte, das kryokonservierte Keimmaterial zu vernichten. Diese „Vernichtungsklausel“ fuße nach dem Wortlaut des Vertrages allein auf § 4 Embryonenschutzgesetz (ESchG). Darin werde zwar strafrechtlich verboten, eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu befruchten. Der Schutzzweck des § 4 ESchG sei im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt. Insbesondere das Grundrecht des verstorbenen Ehemanns auf reproduktive Autonomie aus Artikel 2 II iVm Artikel 1 I Grundgesetz werde nicht beeinträchtigt, denn er habe vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas eingewilligt. Dies habe seine Ehefrau hinreichend dargelegt.
Die Kammer hat ausgeführt, dass sich aus der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin schlüssig und widerspruchsfrei die paarbezogene, individuelle Entwicklung des Kinderwunsches ergebe. Sie habe dargelegt, dass es den gemeinsamen Kinderwunsch gab, jedoch der frühe Tod dessen Verwirklichung zu Lebzeiten verhinderte und der verstorbene Ehemann zuletzt seinen Willen auf ein gemeinsames Kind nach seinem Tod richtete.“
Auch sei keine Verletzung der Grundrechte des noch nicht gezeugten Kindes zu besorgen. Jedenfalls in dem vorliegend zu entscheidenden Fall sei keine konkrete Kindeswohlgefährdung erkennbar, da es dem Willen beider Eltern entspreche, ein Kind zu bekommen.
Entgegen der Befürchtung der Klinik bestünden vorliegend bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas keine Strafbarkeitsrisiken für die Mitarbeiter. Da der Schutzzweck des § 4 ESchG im konkreten Fall schon nicht verletzt sei, fehle es bei einer künstlichen Befruchtung mit dem Sperma des verstorbenen Ehemanns an einer rechtswidrigen Haupttat. Eine Beihilfehandlung dazu scheide aus. Die Kammer betonte, dass es verfassungsrechtlich zwingend geboten sei, dass zur Ausübung einer Handlung, die Ausdruck einer nach Artikel 2 II iVm Artikel 1 I Grundgesetz verfassungsrechtlich besonders geschützten Selbstbestimmung sei, derjenige auch Hilfe in Anspruch nehmen könne, der diese Handlung realisieren wolle.
Schließlich führte die Kammer aus, dass die künstliche Befruchtung in einer spanischen Klinik vorliegend – unabhängig von konkreten medizinischen Erfolgsaussichten und ethischen oder moralischen Bewertungen – nach spanischem Recht möglich sei. Eine In-Vitro-Fertilisation sei dort im konkreten Fall nicht mit Strafe bedroht.
Der Beschluss vom 4.2. 2025 ist nicht rechtskräftig.
Nachrichten
Sinkender Gender Pay Gap
Frauen haben im Jahr 2024 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 16 % weniger verdient als Männer. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 13.2. 2025 mitteilte, erhielten Frauen mit 22,24 EUR einen um 4,10 EUR geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdienst als Männer (26,34 EUR). Im Vergleich zum Vorjahr sank der unbereinigte Gender Pay Gap um 2 Prozentpunkte. Das war der stärkste Rückgang seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2006. Dabei ging der unbereinigte Gender Pay Gap in den westlichen und östlichen Bundesländern gleichermaßen um 2 Prozentpunkte zurück. Damit blieb der unbereinigte Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern im Osten weiterhin deutlich kleiner als im Westen: Im Osten lag er im Jahr 2024 bei 5 % und im Westen bei 17 %.
Der Rückgang des unbereinigten Gender Pay Gaps ist vor allem auf die stärkere Entwicklung der Bruttomonatsverdienste (ohne Sonderzahlungen) von Frauen zurückzuführen. Im Jahr 2024 stiegen die Bruttomonatsverdienste der Frauen gegenüber 2023 um rund 8 % von durchschnittlich 2.633 EUR auf 2.851 EUR. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Männern stieg schwächer um rund 5 % von 3.873 EUR auf 4.078 EUR. Die durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeiten von Frauen und Männern erhöhten sich nur geringfügig. Sowohl Frauen als auch Männer arbeiteten im Jahr 2024 mit 122 beziehungsweise 149 Stunden im Durchschnitt etwa eine Stunde mehr pro Monat als im Jahr 2023.
Ausgehend vom unbereinigten Gender Pay Gap lassen sich rund 63 % der Verdienstlücke durch die für die Analyse zur Verfügung stehenden Merkmale erklären. In EUR-Beträgen sind das 2,58 EUR des Verdienstunterschieds von 4,10 EUR. Im Jahr 2023 waren noch 24 % der Verdienstlücke (1,06 EUR) darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger in schlechter bezahlten Berufen und Branchen tätig sind. 2024 sank dieser Anteil auf 21 % (0,87 EUR). Das könnte darauf hindeuten, dass Frauen inzwischen verstärkt in besser bezahlten Berufen und Branchen arbeiten. Ein weiterer Faktor, um den Verdienstunterschied zu erklären, ist der Beschäftigungsumfang: Frauen sind häufiger in Teilzeit beschäftigt, was in der Regel mit geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einhergeht. Dies macht rund 19 % des Verdienstunterschieds (0,79 EUR) aus. Etwa 12 % der Verdienstlücke (0,48 EUR) lassen sich durch das Anforderungsniveau des Berufs erklären.
Die verbleibenden 37 % des Verdienstunterschieds (1,52 EUR von 4,10 EUR) können nicht durch die im Schätzmodell verfügbaren Merkmale erklärt werden. Dieser unerklärte Teil entspricht dem bereinigten Gender Pay Gap von 6 %. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im Jahr 2024 pro Stunde 6 % weniger als ihre männlichen Kollegen (westliche Bundesländer: 6 %, östliche Bundesländer: 8 %).
Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfallen würden, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analyse zur Verfügung stünden, etwa Angaben zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Schwangerschaft, der Geburt von Kindern oder der Pflege von Angehörigen. Der bereinigte Gender Pay Gap ist daher als „Obergrenze“ für eine mögliche Verdienstdiskriminierung von Frauen zu verstehen.
Zivilprozess der Zukunft: Reformkommission legt Abschlussbericht vor
Modern, nutzerfreundlich, barrierearm: das ist das Leitbild, an dem sich die Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ bei ihrer Arbeit orientiert hat. Ihr Abschlussbericht liegt jetzt vor (https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Nav_Themen/250131_Abschlussbericht_Zivilprozess_Zukunft.html).
Das Ziel: Verfahren beschleunigen, effizienter gestalten und die Chancen der Digitalisierung nutzen. Zentrale Bausteine dafür laut Bericht: klare Verfahrensregeln, eine transparente Kommunikation sowie die bessere Vorhersehbarkeit von Abläufen.
Es soll ein bundesweites Justizportal als zentrale Anlaufstelle für alle justizbezogenen Informationen und Dienstleistungen eingeführt werden. Neben Informationen und Auskünften soll das Portal den Rechtsuchenden ermöglichen, digital Justizdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, Anträge einzureichen und über dieses Klagen zu erheben. Die verfahrensbezogene Kommunikation im Zivilprozess soll über eine bundeseinheitliche und cloudbasierte Kommunikationsplattform erfolgen. Sämtliche verfahrensbezogenen elektronischen Dokumente sollen an die Plattform übermittelt, dort bereitgestellt, eingesehen, abgerufen und auch bearbeitet werden können. Das soll eine reibungslose und sichere Kommunikation zwischen den Beteiligten gewährleisten. Das seitenbasierte pdf-Format soll durch einen maschinenverarbeitbaren digitalen Parteivortrag ersetzt werden. Dazu soll ein digitales Verfahrensdokument erprobt werden, das den Parteien einen geordneten und gegliederten Vortrag ermöglicht.
Das Kammerprinzip soll gestärkt und die Spezialisierung einzelner Kammern ausgebaut werden. Die Kammern sollen in Spezialmaterien sowie ab einem bestimmten Streitwert originär zuständig sein. Die Gerichte sollen bereits zu einem frühen Zeitpunkt verfahrensfördernde Maßnahmen ergreifen. Dies umfasst unter anderem Organisationstermine und gerichtliche Hinweispflichten. Die Beweisaufnahme soll effizienter gestaltet werden. Dies soll insbesondere durch digitale Lösungen erfolgen. Das betrifft beispielsweise ein digitales Beweisverzeichnis oder die Verwertung von Zeugenaussagen in Parallelverfahren durch Ton- und/oder Videoaufzeichnungen.
Es soll ein digitales Vollstreckungsregister eingerichtet werden. Das elektronische Empfangsbekenntnis soll abgeschafft und künftig die Zustellung fingiert werden. Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen soll verpflichtend werden. Zuverlässige Anwendungen zur automatisierten Anonymisierung sind hierfür unentbehrlich.
Der Abschlussbericht soll bei der nächsten Sitzung des Bund-Länder-Digitalgipfels im Frühjahr 2025 zentraler Tagesordnungspunktsein.
50 % der Erwachsenen sind verheiratet
Jede zweite erwachsene Person in Deutschland ist verheiratet. Das entsprach 35,0 Millionen Menschen, die Ende 2023 in einer Ehe lebten. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) zum Welttag der Ehe am 9.2. 2025 mitteilte, waren das gut 50 % der Bevölkerung ab 18 Jahren hierzulande. Zahl und Anteil der Verheirateten sinken jedoch seit Jahren nahezu kontinuierlich: 30 Jahre zuvor hatten noch rund 39,3 Millionen volljährige Menschen in einer Ehe gelebt, das waren 60 % aller Erwachsenen.
Im selben Zeitraum stieg die Zahl der volljährigen ledigen Personen und ihr Anteil an der Bevölkerung ab 18 Jahren deutlich. Ende 2023 waren 22,6 Millionen Menschen ab 18 Jahren ledig, also nicht verheiratet, verwitwet oder geschieden. 1993 waren gut 15,8 Millionen Erwachsene ledig. Der Anteil der Ledigen an der Bevölkerung ab 18 Jahren ist binnen 30 Jahren von 24 % auf rund 33 % gestiegen.
Dass der Anteil der Verheirateten seit Jahren schrumpft, geht auch damit einher, dass die Menschen bei ihrer ersten Heirat immer älter sind – sofern sie überhaupt heiraten. Das Durchschnittsalter bei der ersten Eheschließung ist binnen 30 Jahren um rund sechs Altersjahre gestiegen und hat einen neuen Höchststand erreicht: Im Jahr 2023 waren Frauen bei ihrer ersten Heirat im Schnitt 32,8 Jahre alt, Männer 35,3 Jahre. 1993 hatte das Durchschnittsalter bei der ersten Eheschließung für Frauen bei 26,8 Jahren und für Männer bei 29,2 Jahren gelegen.
Die Zahl der Eheschließungen insgesamt ist langfristig rückläufig. 2023 wurden insgesamt 361.000 Ehen geschlossen, das war der zweitniedrigste Stand seit 1950. Mehr als drei Viertel (78 %) der 722.000 Eheschließenden heirateten zum ersten Mal, waren zuvor also weder geschieden noch verwitwet. Gut 97 % der Ehen schlossen Paare unterschiedlichen Geschlechts und knapp 3 % Paare gleichen Geschlechts. Nach der Einführung der Ehe für alle im Oktober 2017 gehen seit dem Berichtsjahr 2018 auch gleichgeschlechtliche Eheschließungen in die Statistik ein.
Prozesskostenhilfebekanntmachung 2025
Seit dem 1.1. 2025 sind aufgrund der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2025 – PKHB 2025) v. 18.12. 2024 (BGBl. 2025 I Nr. 429) neue Beträge für die Prozess- und Verfahrenskostenhilfe maßgebend. Sie sind nach § 115 I 3 Nr. 1 b und Nr. 2 sowie 5 ZPO vom Einkommen der Partei abzusetzen und betragen nun für Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen (§ 115 I 3 Nr. 1 b ZPO), 282 EUR, für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner (§ 115 I 3 Nr. 2 a ZPO), 619 EUR, für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, in Abhängigkeit von ihrem Alter (§ 115 I 3 Nr. 2 b ZPO) für Erwachsene 496 EUR, Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 518 EUR, Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 429 EUR und Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 393 EUR.