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NZFam - Neue Zeitschrift für Familienrecht

AKTUELL 14/2024

Erbrecht


Deutsche Justiz muss Ratzingers Erben nicht ermitteln


Die deutsche Justiz ist laut einem Gerichtsbeschluss in Bayern nicht für die Suche nach Erben des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. zuständig. Das hat das OLG München mit Beschluss v. 12.6.2024 (33 Wx 270/23) entschieden und sich damit der Auffassung des Amtsgerichts München angeschlossen.

Der Kläger eines Zivilverfahrens in Traunstein um Missbrauch in der katholischen Kirche hatte beim Amtsgericht beantragt, eine Nachlasspflegschaft und die Ermittlung von möglichen Erben Joseph Ratzingers anzuordnen - und war damit gescheitert. Die Entscheidung des OLG München ist rechtskräftig.

Das OLG argumentierte, es sei dem Kläger zumutbar und möglich, ein Verfahren zur Ermittlung von Ratzingers Erben bei Gerichten im Staat Vatikanstadt anzustrengen. Dort habe der vor seinem Tod emeritierte Papst seit 2005 seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Außerdem sei dem Gericht kein „positives Nachlassvermögen“ Ratzingers wie Geldwerte oder Immobilien in Deutschland bekannt. Sowohl sein Elternhaus im oberbayerischen Marktl als auch sein ehemaliger Wohnsitz in Pentling in der Oberpfalz gehörten zum Zeitpunkt von Ratzingers Tod demnach einer kirchlichen Stiftung und dem „Institut Papst Benedikt XVI.“.

Die Frage nach etwaigen Erben Ratzingers ist für das Zivilverfahren in Traunstein relevant, weil der in der Zwischenzeit gestorbene Papst Benedikt XVI. ursprünglich unter den Beklagten war. Als damaliger Kardinal Joseph Ratzinger war er Erzbischof von München und Freising, als ein Priester in sein Bistum versetzt wurde, der den Kläger im Verfahren Mitte der 1990er Jahre in Garching an der Alz sexuell missbraucht haben soll.

Das Verfahren gegen Ratzinger wurde aber abgetrennt, weil nach seinem Tod noch immer unklar ist, wer seine Rechtsnachfolge antritt und damit gewissermaßen auch das Verfahren erbt. Deshalb bleibt das Verfahren in diesem Zusammenhang ausgesetzt. Der Kläger fordert in dem Zivilprozess mindestens 300.000 EUR Schmerzensgeld vom Erzbistum. Im Januar hatte er persönlich vor dem Gericht seine Erlebnisse geschildert. Der Kläger ist eines von zahlreichen Opfern des Priesters, dessen Fall der wohl bekannteste aus dem vor zwei Jahren vorgestellten Gutachten zu sexueller Gewalt im katholischen Erzbistum München und Freising ist.

Der Anwalt des Klägers im Traunsteiner Verfahren kritisierte die Entscheidung des OLG und kündigte eine Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde an.


Nachrichten


Häusliche Gewalt im Jahr 2023 um 6,5 Prozent gestiegen


256.276 Menschen in Deutschland wurden 2023 Opfer häuslicher Gewalt, davon sind 70 Prozent weiblich. Dies ist ein Anstieg um 6,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. 78.341 Menschen wurden 2023 Opfer innerfamiliärer Gewalt zwischen nahen Angehörigen. Dies sind 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt das neue umfassende Lagebild, das am 7.6.2024 von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundesfrauenministerin Lisa Paus und der Vizepräsidentin beim Bundeskriminalamt, Martina Link, in Berlin vorgestellt wurde.

Das Lagebild Häusliche Gewalt ist eine Fortschreibung und Ergänzung der früheren Kriminalstatistischen Auswertung Partnerschaftsgewalt, die seit 2015 jährlich durch das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht wurde. Neben der Partnerschaftsgewalt werden im Lagebild Häusliche Gewalt auch die Delikte der sog. innerfamiliären Gewalt von und gegen Eltern, Kinder, Geschwister und sonstige Angehörige betrachtet.

Die meisten Opfer häuslicher Gewalt waren von Partnerschaftsgewalt betroffen (167.865 Personen, 65,5%), ein Drittel von innerfamiliärer Gewalt betroffen (88.411 Personen, 34,5%). Im Bereich der Partnerschaftsgewalt stieg die Anzahl der Opfer um 6,4 Prozent auf 167.865 Opfer. Ganz überwiegend trifft Gewalt im häuslichen Kontext Frauen: 79,2 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt und 70,5 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt insgesamt sind weiblich. Von den Tat-verdächtigen bei Partnerschaftsgewalt sind 77,6 Prozent Männer, im Gesamtbereich der häuslichen Gewalt 75,6 Prozent.

Im Bereich der Partnerschaftsgewalt lebte die Hälfte der Opfer mit der tatverdächtigen Person zusammen. Die Mehrheit sowohl der Opfer als auch der Tatverdächtigten waren zwischen 30 und 40 Jahre alt, im Bereich der innerfamiliären Gewalt waren unter 21-Jährige Opfer am häufigsten betroffen. 155 Frauen und 24 Männer sind im Jahr 2023 durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden.

Von den 88.411 Opfern innerfamiliärer Gewalt waren 54% weiblich und 46% männlich. Insgesamt ist fast ein Viertel der Opfer unter 14 Jahre alt. Im Jahr 2023 wurden 92 weibliche und 63 männliche Personen Opfer von innerfamiliärer Gewalt mit tödlichem Ausgang.

Die Zahlen von polizeilich registrierter Häuslicher Gewalt steigen nahezu kontinuierlich an, in den letzten fünf Jahren um 19,5 Prozent. Doch nach wie vor ist davon auszugehen, dass viele Taten der Polizei nicht gemeldet werden, etwa aus Angst oder Scham.


Gesetzesentwurf zur Stärkung der Zivilgerichtsbarkeit


Die Bundesregierung hat am 5.6.2024 den von dem Bundesminister der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen beschlossen.

Der Gesetzesentwurf hat insbesondere das Ziel, die Zivilgerichtsbarkeit zu stärken und sie bürgernäher auszugestalten.

Dazu gehört auch das Anliegen, wieder mehr Zivilverfahren vor die Amtsgerichte zu bringen. Dadurch soll deren Schwächung durch die seit Jahren abnehmenden Fallzahlen und letztendlich die Schließung insbesondere kleinerer Amtsgerichtsstandorte vermieden werden. Den Bürgerinnen und Bürgern soll weiterhin ein ortsnaher und leichter Zugang zur Justiz gewährt werden.

Zur Umsetzung dieses Anliegens soll der Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte angehoben werden. Damit wird auch ein Vorschlag der Länder aufgegriffen. Darüber hinaus sieht der Entwurf weitere Maßnahmen vor, unter anderem solche zur weiteren Spezialisierung der Amts- und Landgerichte. Hierdurch wird den Gerichten ein zeit- und ressourcenschonenderes Arbeiten ermöglicht.

Für das Familienverfahrensrecht relevant sind die geplanten Änderungen von § 102 ZPO und die neue Regelung in § 84a FamFG. Danach sollen die Familiengerichte künftig berechtigt sein, von Amts wegen eine Kostenentscheidung zu ändern, wenn diese in Folge einer nachträglichen Streitwertänderung oder in Folge einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Wertfestsetzung unrichtig geworden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2016, 1021) war dies bisher nicht durch eine „Berichtigung“ der Kostengrundentscheidung möglich. Dies führte zu Wertungswidersprüchen und Ungerechtigkeiten. Deshalb sollen für solche Fälle gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die eine solche Änderung ermöglichen. Wird die Kostenentscheidung nachträglich geändert, ist auch eine bereits erfolgte Kostenfestsetzung von Amts wegen zu ändern.

Durch einen Verweis auf § 117 GVG in § 10 I EGGVG-E soll im Übrigen klargestellt werden, dass eine Abordnung von Richterinnen und Richtern auch an oberste Landesgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit möglich ist. Dies kann von Bedeutung werden, wenn dort bei hohem Geschäftsanfall Engpässe im richterlichen Bereich entstehen, welche durch Abordnungen verhindert werden könnten.


DAV mahnt Reformbedarf in Juristenausbildung an


Die Feststellung der Justizministerkonferenz, es gebe keinen grundlegenden Reformbedarf in der juristischen Ausbildung, schlägt weiter hohe Wellen. Nun meldet sich der Deutsche Anwaltverein(DAV) ausführlich zu Wort.

Der DAV hat sich noch einmal eindringlich für eine Reform der juristischen Ausbildung ausgesprochen und tritt damit ausdrücklich der Justizministerkonferenz entgegen. Die Ministerinnen und Minister hatten Anfang des Monats bei ihrem Treffen in Hannover erklärt, keinen grundlegenden Reformbedarf in der juristischen Ausbildung zu sehen. Die Digitalisierung sei längst da. Die Rechtspflege dürfe sich von ihr nicht abhängen lassen. Mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), E-Evidence und Videoverhandlungen habe sich die Berufswelt schon signifikant verändert und zu einem digitalen Arbeiten geführt, worauf das Studium nun auch vorbereiten müsse.

Zwar hätten einige Bundesländer im ersten wie auch im zweiten Staatsexamen bereits computergestützte Prüfungen eingeführt, bzw. planen dies, das könne jedoch nach Ansicht des DAV nur ein erster Schritt sein: Von einer wirklich ‚volldigitalen‘ Staatsprüfung sei man noch weit entfernt. Zwar würden die Studierenden auf Laptops schreiben, sie hätten aber keinen digitalen Zugriff auf Gesetze und Kommentare. So müssten sie weiterhin auf Printausgaben zurückgreifen und auch korrigiert werde nach wie vor auf Papier.

Der Beschluss der Justizministerkonferenz ignoriere die Sorgen und Bedürfnisse des Nachwuchses, aber auch der Berufsverbände. Der Verband richtet dabei den Appell an die Politik, zeitnah umzudenken.


Reform des Gebührenrechts


Das BMJ hat am 18.6.2024 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des RVG und des Justizkostenrechts vorgelegt. Die Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) waren zuletzt am 1.1.2021 erhöht worden. Seither verzeichnen Rechtsanwaltskanzleien einen erheblichen Anstieg der Personal- und Sachkosten. Damit die Anwaltschaft ihren wichtigen Beitrag für den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht auch weiterhin leisten kann, sollen die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren an die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.

Auch die Honorarsätze nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für Sachverständige und Sprachmittler sollen erhöht werden, um zu gewährleisten, dass den Gerichten und Staatsanwaltschaften weiterhin qualifizierte Sachverständige und Sprachmittler in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Mit der Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren sowie der Anpassung der Vergütungen und Entschädigungen nach dem JVEG sind höhere Ausgaben des Staates in Rechtssachen verbunden. Da gleichzeitig auch die Sach- und Personalkosten der Justiz gestiegen seien, sollen auch die Gerichtsgebühren sowie die Gerichtsvollziehergebühren angepasst werden.

Zur Anpassung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung soll eine Kombination aus strukturellen Verbesserungen im anwaltlichen Vergütungsrecht sowie einer linearen Erhöhung der Gebühren des RVG erfolgen. Dabei sollen die Betragsrahmensowie die Festgebühren um 9 Prozent und die Wertgebühren um 6 Prozent steigen. Die Gerichtsgebühren sollen ebenfalls linear um 9 beziehungsweise 6 Prozent angehoben werden, die Gerichtsvollziehergebühren um 9 Prozent. Darüber hinaus seien einzelne weitere strukturelle Änderungen in den Justizkostengesetzen vorgesehen. Auch die Honorarsätze der Sachverständigen und Sprachmittler sollen um 9 Prozent erhöht werden.

Für das FamGKG sieht der Entwurf u.a. eine Erhöhung der Regelverfahrenswerte für die Kindschaftssachen in § 45, die Abstammungssachen in § 47, die Ehewohnungssachen in § 48 und die Gewaltschutzsachen in § 49 FamGKG um jeweils 1.000 EUR vor. Dies bislang bestehende Lücke im KV FamGKG für Beschwerden gegen die Zurückweisung von Arresten soll in Anlehnung an die für vergleichbare zivilrechtliche Verfahren geltenden Gebührenvorschriften der Nummern 1430 und 1431 KV GKG geschlossen werden.


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