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NZA Nachrichten

Betriebsratsvergütung: Darf’s noch etwas mehr sein?

Professor Dr. Adam Sagan, MJur (Oxon), Bayreuth

Heft 20/2023

Foto des Autors von NZA-Editorial Heft 20/2023, Adam SaganDem US-Präsidenten Truman zufolge kann ein ehrlicher Staatsdiener in der Politik nicht reich werden. Das dürfte auch für das privatrechtliche Amt als Mitglied des Betriebsrats gelten. Von ihm erwartet das Gesetz einigen Idealismus. Betriebsräte üben ihr Amt unentgeltlich aus (§ 37 I BetrVG). Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 78 BetrVG). Hinzu kommt der Mindestanspruch auf das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 IV BetrVG). Reich wird man davon nicht.

Die Realität sieht mitunter anders aus. Schlagzeilen hat der Fall VW gemacht. Wer dort als gelernter Montagewerker beschäftigt wurde, konnte als Arbeitnehmervertreter deutlich mehr als 500.000 EUR im Jahr verdienen. Dafür hat der 6. Strafsenat des BGH im Januar 2023 klare Worte gefunden (6 StR 133/22, NZA 2023, 301). Betriebsräte dürfen nicht wegen ihrer Tätigkeit wie Spitzenmanager bezahlt werden. In Rede steht eine Strafbarkeit von Vorständen und Prokuristen wegen Untreue (§ 266 StGB). Der Sache nach ist die Entscheidung des BGH richtig. Offensichtlich wurde mit der rechtsgrundlosen Überzahlung der Betriebsräte das Vermögen des Unternehmens bewusst geschädigt. Heikel sind einzelne Passagen der Begründung. Sie können dahin missverstanden werden, eine Bezahlung oberhalb des Niveaus vergleichbarer Arbeitnehmer sei eine unzulässige Begünstigung. Das ist nicht haltbar. Das Mindestentgelt nach § 37 IV BetrVG markiert nicht die Obergrenze zu der nach § 78 BetrVG unzulässigen Begünstigung.

Das BGH-Urteil hätte die betriebliche Praxis kalt lassen können. Der Extremfall VW spiegelt nicht den Alltag in tausenden von Unternehmen und Betrieben wider, in denen Betriebsräte ihre Aufgaben in der Tat ehrenamtlich wahrnehmen. Die missglückte Formulierung der Entscheidung gibt jedoch Anlass zu rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Diskussion. 

Die Politik hat reagiert. Eine vom BMAS eingesetzte Kommission hat im Juli 2023 Vorschläge für „Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung“ vorgelegt (NZA 2023, 1303, in diesem Heft). Danach soll sich u. a. die Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer nur noch grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Amtsantritts richten. Bei sachlichen Gründen könne sie neu bestimmt, das Verfahren in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Das ist bedenkenswert, doch läuft der unbestimmte Rechtsbegriff „sachlicher Grund“ Gefahr, nicht für mehr, sondern für weniger Klarheit zu sorgen. Ungelöst bleibt der schwierige Spagat zwischen der Berücksichtigung im Amt erworbener Qualifikationen einerseits und einer mittelbaren Entlohnung für die Amtsführung andererseits. 

Eine denkbare Alternative wäre es, die Betriebsratsvergütung nicht an eine bestimmte Vergleichsgruppe, sondern (zumindest auch) an die durchschnittliche Gehaltsentwicklung im gesamten Betrieb zu koppeln. Das bildete die Verantwortung des Betriebsrats für die Gesamtbelegschaft ab, ohne das Ehrenamtsprinzip aufzugeben. Dem Betriebsrat ginge es gut, wenn es dem Betrieb gut geht. Editorial 20/2023 als pdf-Datei

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