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NZA Nachrichten

Das „Aus“ von § 12a ArbGG in Diskriminierungsklagen?

Rechtsanwältin Dr. Anja Euler, Ludwigsburg

Heft 19/2023

Foto der Autorin von NZA-Editorial Heft 19/2023 Anja Euler§ 12a I 1 ArbGG gehört zum „Inventar“ des Arbeitsrechts und hat eine lange Tradition. Damit bricht der EuGH jetzt.

Doch ein Blick zurück: Arbeitnehmer/innen sollen von arbeitsgerichtlicher Durchsetzung ihrer Rechte nicht abgehalten werden durch das Risiko, im Unterliegensfalle auch die Kosten des gegnerischen Anwalts zu tragen. § 12a ArbGG schließt jede Kostenerstattung aus. Diese lange Tradition kann nun zu Ende sein. Denn der EuGH hat aktuell (Urt. v. 14.9.2023 – C-113/22, NZA 2023, 1235 [in diesem Heft]) die sozialrechtliche Gleichbehandlungsrichtlinie äußerst bemerkenswert ausgelegt. Diskriminierungsschäden sind zu ersetzen. Zu ihnen zählen auch die Verfahrens- und Anwaltskosten einer gegen die Ungleichbehandlung gerichteten Klage. Obwohl das spanische Prozessrecht für das Ausgangsverfahren vorsieht, dass keine Kosten erstattet werden, stellen diese einen zu ersetzenden Schaden dar, so der EuGH.

Worum ging der Rechtsstreit? Nach spanischem Recht erhielten Mütter aufgrund ihres demografischen Beitrags zur sozialen Sicherheit eine Rentenzulage. Nicht aber Väter, was der EuGH als diskriminierend angesehen hatte. Ein weiterer Vater erhielt die Zulage erst im Klageverfahren, deshalb wollte er Schadensersatz, u.a. auch die Anwaltskosten für die Klage. Die aber sind nach spanischem Verfahrensrecht nicht zu erstatten, was § 12a ArbGG entspricht. Der EuGH fordert, dass der Gleichheitsgrundsatz auch einen Anspruch auf finanzielle Wiedergutmachung begründet, um durch Diskriminierung entstandene Schäden in vollem Umfang auszugleichen. Insoweit sei es ohne Belang, dass das vorlegende Gericht gemäß den spanischen Verfahrensvorschriften gehindert ist, der diskriminierenden Behörde die Prozesskosten aufzuerlegen. Ein EU-rechtlicher Entschädigungsanspruch auch auf Prozesskosten und Anwaltshonorar kollidiert – so das vorlegende Gericht – mit den verbindlichen Verfahrensvorschriften. Anders der EuGH: Zwar komme es der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten zu, die Tragweite dieser Wiedergutmachung zu bestimmen. Doch dürfen diese Bedingungen die Wiedergutmachung nicht in ihrem Wesensgehalt beeinträchtigen. Oder anders gesagt: EU-Recht schlägt nationales Recht.

Nach dem EuGH-Judikat entsteht ein neues Kostenrisiko für das Geltendmachen von AGG-Ansprüchen wegen Diskriminierung iSv § 1 AGG. Nach der Entscheidung wird das Prozessrecht von der Richtlinie 79/7/EWG erfasst, wenn Bedingungen der Wiedergutmachung durch eine nationale Kostenreglung unmöglich gemacht werden. Das dürfte auf alle Gleichbehandlungsrichtlinien (RL 2000/43/EG; RL 2000/78/EG, 2006/54/EG) zu übertragen sein. Nach Art. 9 der RL 2000/78/EG zB sollen alle, die wegen Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ihre Rechte verletzt sehen, ihre Ansprüche auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg geltend machen können. Rechtsanwalts- und Prozesskosten einer Klage vor den Arbeitsgerichten könnten ab jetzt zum erstattungspflichtigen Schaden zählen.

An der anwaltlichen Aufklärungspflicht zur neuen Rechtslage werden wir Anwältinnen und Anwälte auch haftungsrechtlich nicht vorbeikommen. Zum „sichersten Weg“ zählt es dann auch, die Anwaltskosten ebenso wie die Entschädigung fristwahrend gem. § 15 IV AGG schriftlich geltend zu machen sowie binnen weiterer 3 Monate gem. § 61b DownloadArbGG Klage zu erheben.

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