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Karlsruhe kippt Grundsatzurteil zu kirchlichem Arbeitsrecht

BAG
Darf die Kir­che bei Jobs pau­schal eine be­stimm­te Re­li­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit for­dern? Vor sie­ben Jah­ren sagte das BAG: Nein. Karls­ru­he hat Ein­wän­de und das Grund­satz­ur­teil der Ar­beits­rich­ter auf­ge­ho­ben.

Viele Gerichte haben sich schon mit der Frage befasst, ob kirchliche Arbeitgeber bei Einstellungen eine bestimmte Religionszugehörigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern fordern dürfen oder nicht. Vor sieben Jahren legte das BAG dafür zuletzt bestimmte Vorgaben fest und schränkte damit die Freiheit der Kirchen als Arbeitgeber ein. Aber was sagt das BVerfG dazu?

Am Donnerstag hat das höchste Gericht Deutschlands seine Entscheidung zu einer Verfassungsbeschwerde der Diakonie gegen das weitreichende Urteil aus Erfurt veröffentlicht. Der Verband war damals im Oktober 2018 zur Zahlung einer Entschädigung an eine konfessionslose Bewerberin verurteilt worden, weil er sie nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen und sie damit nach Ansicht des BAG aus religiösen Gründen benachteiligt hatte.

Mit seinem heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des BVerfG der Verfassungsbeschwerde der Diakonie gegen das BAG-Urteil stattgegeben (Beschluss vom 29.09.2025 - 2 BvR 934/19). Mit dem angegriffenen Urteil – dem eine Vorlage an den EuGH vorausgegangen war – hatte das BAG die Diakonie zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil sie die Bewerberin für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Die damit einhergehende Vermutung einer Benachteiligung wegen der Religion könne nicht gerechtfertigt werden und sei von der Diakonie auch nicht widerlegt worden, so die Arbeitsrichter und -richterinnen damals.

BAG wurde religiösem Selbstbestimmungsrecht der Diakonie nicht gerecht

Das BVerfG hat nun entschieden, dass das Urteil des BAG die Diakonie in ihrem religiösen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung verletzt, weil die bei der Anwendung der Schrankenbestimmung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht der Diakonie nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trage.

Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass bei dem nach grundrechtlichen Maßstäben vorzunehmenden Ausgleich zwischen den Belangen religiöser Arbeitgeber und der Arbeitnehmer das Urteil des EuGH aus dem Vorlageverfahren zu berücksichtigen sei. Dies führe zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Ebene der Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts.

Die Anpassung der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts an die Vorgaben des unionsrechtlichen Rahmens sei hierbei kraft des Vorrangs des Unionsrechts zwingend. Der Vorrang des Unionsrechts entfalle vorliegend auch nicht, da das Urteil des EuGH keinen Ultra-vires-Akt darstelle. Es bestünden auch im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht. Der Senat hat das Urteil des BAG daher aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Konfessionslose Klägerin sah Diskriminierung

Das Verfahren angestoßen hatte eine Sozialpädagogin aus Berlin, die sich 2012 auf eine von der Diakonie ausgeschriebene Referentenstelle für das Projekt "Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention" beworben hatte. Der Verband hatte in der Ausschreibung die Zugehörigkeit zu einer protestantischen Kirche verlangt. Die Frau machte in ihrer Bewerbung keine Angaben zu ihrer Konfession.

Von 38 Bewerbern wurden vier zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie gehörte nicht dazu. Ausgewählt wurde am Ende laut früheren Gerichtsangaben ein Bewerber deutsch-ghanaischer Herkunft, der sich als evangelischer Christ bezeichnete. Die Sozialpädagogin sah sich wegen ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert und klagte sich seit 2013 mit der Forderung auf eine Entschädigung von rund 9.800 Euro durch die Instanzen.

Erfurt hatte Luxemburg angerufen

Am BAG hatte sie im Herbst 2018 dann Erfolg. Die Erfurter Richterinnen und Richter verurteilten die Diakonie zur Entschädigungszahlung. Sie legten in dem Grundsatzurteil fest, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal eine Religionszugehörigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern verlangen dürfen. Eine solche dürfe bei Einstellungen nur zur Bedingung gemacht werden, wenn das für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten sei.

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter folgten damit einer Entscheidung des EuGH in Luxemburg, dem sie den Fall zuvor vorgelegt hatten. Er sollte klären, ob die Praxis der Kirchen, die Konfession zum Einstellungskriterium zu machen, mit der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie vereinbar ist, die Arbeitnehmer vor Diskriminierung wegen Religion schützt.

Wie später auch das BAG waren die Richterinnen und Richter in Luxemburg der Meinung, dass Kirchen zwar eine "mit der Religion oder Weltanschauung zusammenhängende Anforderung" stellen dürfen. Dies gelte aber nur, wenn diese Bedingung bei der jeweiligen Tätigkeit "eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation" darstelle.

Kirchen sind große Arbeitgeber

Die evangelische Kirche passe ihre Einstellungsvoraussetzungen aber fortlaufend sowohl an gesellschaftliche Entwicklungen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen an, so eine Sprecherin der Diakonie. Die generelle Voraussetzung einer evangelischen Kirchenmitgliedschaft sei Anfang 2024 aus der sogenannten Mitarbeitsrichtlinie der Kirche gestrichen worden. Sie sei seitdem nur noch Voraussetzung, wenn sie für die Stelle "erforderlich und wichtig" sei. Sie erhoffte sich allerdings vor der Entscheidung, dass das BVerfG die Konturen der Religionsfreiheit im Grundgesetz klar aufzeigt.

"Das Grundgesetz sichert zu, dass Kirche und Diakonie ihr christliches Selbstverständnis selbst ausgestalten dürfen", erklärte die Sprecherin vor dem Urteil. "Menschen, die bei uns Unterstützung suchen, verlassen sich darauf, dass wir aus unserer christlichen Überzeugung heraus arbeiten. Da, wo Kirche und Diakonie draufstehen, müssen auch Kirche und Diakonie drin sein."

Die Kirchen sind große Arbeitgeber in Deutschland. Die Frage, mit der sich die Gerichte in Berlin, Erfurt, Luxemburg und nun Karlsruhe beschäftigt haben, hat daher für viele Menschen eine große Bedeutung. Die evangelische Kirche hat nach eigenen Angaben rund 240.000 Mitarbeitende, bei der Diakonie arbeiten zudem 687.000 Menschen. Bei der katholischen Kirche sind nach eigenen Angaben rund 180.000 Mitarbeitende in der verfassten Kirche und rund 740.000 Mitarbeitende bei dem Wohlfahrtsverband Caritas angestellt (Beschluss vom 29.09.2025 - 2 BvR 934/19).

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