Viele Arbeitsverträge sehen Bonuszahlungen vor, wenn Arbeitnehmer bestimmte Zielvorgaben erfüllen. Doch was ist, wenn der Arbeitgeber überhaupt keine Ziele vorgibt oder dies erst sehr spät tut? Laut BAG können Arbeitnehmer dann Schadensersatz verlangen.
Das gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber schuldhaft gehandelt hat und eine nachträgliche Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann (Urteil vom 19.02.2025 – 10 AZR 57/24). Der Anspruch folgt aus § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 S. 1 BGB (Schadensersatz statt der Leistung).
Im Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers mit Führungsverantwortung war ein Anspruch auf eine variable Vergütung vereinbart. Die Höhe der Bonuszahlungen wurde in einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen von Zielen (Unternehmensziele und individuelle Ziele) geknüpft, die die Arbeitgeberin den Mitarbeitern jeweils bis zum 1. März vorzugeben hatte. 2019 teilte diese ihren Mitarbeitern mit Führungsverantwortung die zu erfüllenden Unternehmensziele zu spät mit. Individuelle Ziele gab sie dem hier klagenden Arbeitnehmer gar nicht vor. Dieser erhielt für 2019 eine variable Vergütung von rund 15.590 Euro – und klagte wegen unzureichender Zielvorgaben auf Zahlung weiterer 16.035 Euro.
Initiativlast allein bei Arbeitgeber
Das BAG bejaht einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers in dieser Höhe (Urteil vom 06.02.2024 – 4 Sa 390/23). Die Arbeitgeberin habe ihre Verpflichtung zu einer Zielvorgabe, die den Regelungen der Betriebsvereinbarung entspricht, für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt. Sie habe dem Arbeitnehmer keine individuellen Ziele vorgegeben. Die Unternehmensziele habe sie erst verbindlich mitgeteilt, nachdem bereits etwa ¾ der Zielperiode abgelaufen waren. Das BAG führt die Motivations- und Anreizfunktion von Zielvorgaben an. Diese Funktion habe die Zielvorgabe hier nicht mehr erfüllen können. Die Richterinnen und Richter schließen deshalb auch eine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 BGB aus.
Allein der der Arbeitgeber trage die Initiativlast für die Vorgabe der Ziele, heißt es in dem Urteil weiter. Deswegen komme regelmäßig – und so auch hier – ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 Abs. 1 BGB wegen fehlender Mitwirkung nicht in Betracht.
Yannick Bähr, Arbeitsrechtler bei der Kanzlei Noerr in Düsseldorf, misst der Entscheidung des BAG sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung zu. "Sind nämlich die Ziele für ein Bonusjahr nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, kann der Arbeitgeber auch dann verpflichtet sein, Schadensersatz an den Arbeitnehmer zu leisten, wenn die vorgegebenen Ziele verfehlt wurden", so der Rechtsanwalt. Die Entscheidung zeige einmal mehr deutlich, dass Arbeitgeber bei der Ausgestaltung von Bonussystemen auch operative Vor- und Nachteile gut abwägen müssten. "Unternehmensinterne Prozesse müssen so auf das gewählte Bonussystem abgestimmt sein, dass die mit ihm verfolgten Zwecke nicht konterkariert werden" (Urteil vom 19.02.2025 - 10 AZR 57/24).
Aus der Datenbank beck-online
LAG Köln, Schadensersatz aufgrund verspätet erfolgter Zielvorgabe, BeckRS 2024, 4209 (Vorinstanz)
Biebl, Verspätete oder unterbliebene Zielvorgabe: Teures Eigentor bei variabler Vergütung (LAG Köln 6.2.2024 – 4 Sa 390/23), SPA 2024, 97