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NZA Editorial

 

Kursänderung bei Unterrichtungsschreiben nach § 613a BGB

Rechtsanwalt Dr. Boris Dzida, Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg

Heft 17/2024

Foto von Rechtsanwalt Dr. Boris Dzida

Seit der 2. Senat des BAG die Zuständigkeit für § 613a BGB vom 8. Senat übernommen hat, ist Bewegung in die Rechtsprechung zu Unterrichtungsschreiben und zum Widerspruchsrecht gekommen. Der 2. Senat fand eine verfahrene Situation vor, denn der 8. Senat und die betriebliche Praxis hatten sich ein jahrelanges Wettrennen geliefert: Das BAG schraubte die Anforderungen an § 613a V BGB ständig nach oben, die Praxis konterte mit immer ausführlicheren Unterrichtungsschreiben. Gelegentlich sind 30-seitige Unterrichtungsschreiben gesehen worden. Zum Mindeststandard von fünf Seiten schrieb Schmitz-Scholemann treffend: „Jedenfalls entspricht es ziemlich genau der Länge eines Beipackzettels für Mucosolvan-Hustensaft und wird wahrscheinlich genau so oft wie dieser vollständig gelesen und verstanden, nämlich nie“ (NZA-Beilage 2015, 107 (112)). 

2021 gab der 2. Senat ein Signal für eine mögliche Kursänderung: Es könne dahinstehen, ob an den vom 8. Senat aufgestellten Anforderungen an Unterrichtungsschreiben und den Voraussetzungen für den Beginn der Widerspruchsfrist festzuhalten sei oder ob bei Fehlern, die für die Willensbildung der Arbeitnehmer unerheblich sind, eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist (BAG 22.7.20212 AZR 6/21, NZA 2021, 1405 (1406)). 

Nun macht der 2. Senat Nägel mit Köpfen und nimmt an drei Stellen eine Kursänderung vor (BAG 21.3.2024 – 2 AZR 79/23NZA 2024, 829 (834); BAG 21.3.2024 – 2 AZR 95/23NZA 2024, 835 (839)). Ausdrücklich entgegen der Rechtsprechung des 8. Senats dürfen an den Inhalt der Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs keine „im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen dahingehend gestellt werden, denen zufolge das Unterrichtungsschreiben‚ keinen juristischen Fehler enthalten darf“. Ferner öffnet sich der 2. Senat, wie 2021 angekündigt, für Kausalitätserwägungen: Es bedarf nunmehr einer Ursächlichkeit eines Unterrichtungsmangels für die Willensbildung des Arbeitnehmers über die Ausübung des Widerspruchsrechts. Diskussionen, wie sie noch der 8. Senat führte, ob „bereits die fehlerhafte Bezeichnung des Vornamens des Geschäftsführers der Erwerberin (Jochen statt Joachim) einer ordnungsgemäßen Unterrichtung entgegensteht“  (BAG 13.7.2006 – 8 AZR 305/05NZA 2006, 1268 (1271)), gehören damit der Vergangenheit an. Schließlich wird die bisherige Vorgabe, wonach die Unterrichtung in einer auch für den juristischen Laien verständlichen Sprache erfolgen müsse, etwas entschärft: Im Unterrichtungsschreiben muss nicht (mehr) in einfachen Worten erläutert werden, was es nach § 613a II BGB genau bedeutet, dass ein Anspruch „entsteht“ bzw. „fällig“ wird. Allein mit dieser Klarstellung sorgt der 2. Senat dafür, dass zahllose Unterrichtungsschreiben künftig einen Absatz kürzer sein werden.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Kursänderung in künftigen Urteilen fortsetzt. Sie ist jedenfalls uneingeschränkt zu begrüßen, da sie sich auf den Sinn des § 613a V BGB zurückbesinnt: Arbeitnehmern eine praktisch brauchbare Entscheidungshilfe für die Ausübung ihres Widerspruchsrechts an die Hand zu geben anstatt eines juristischen Gutachtens. 

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