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NZA Editorial

 

Eingruppierung von Servicekräften und das BVerfG

Präsident des LAG Baden-Württemberg Dr. Eberhard Natter, Stuttgart

Heft 3/2023

Autor NZA-Editorial Heft 3/2023, Eberhard NatterEs lässt aufhorchen, wenn es Entscheidungen des BAG zum Eingruppierungsrecht des öffentlichen Dienstes bis zum BVerfG „schaffen“. Was war geschehen? Mit zwei Grundsatzurteilen vom 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 (NZA 2022, 296) und 4 AZR 196/20 (BeckRS 2020, 40752) – hatte der 4.Senat zwei in der Justiz tätigen Servicemitarbeiterinnen eine Vergütung nach der EG 9a (anstatt bisher nach der EG 6) zugesprochen und damit eine Entscheidung vom 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 (AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 47) bestätigt. Tausende Servicekräfte waren hiervon betroffen. Angesichts einer beträchtlichen betragsmäßigen Differenz zwischen den beiden Entgeltgruppen lösten die beiden Urteile in den Finanzministerien Unruhe aus.

In dieser Situation entschlossen sich das prozessbeteiligte Land Berlin und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) im Frühjahr 2021 zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen die beiden Urteile. Die Beschwerdeführer beriefen sich darauf, das BAG habe bei der Auslegung des zentralen Tarifbegriffs des Arbeitsvorganges den gemeinsamen (!) Willen der Tarifvertragsparteien missachtet – einen Willen, den der Tarifpartner ver.di so nicht sehen mochte.

Es erstaunt nicht, dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 4.10.2022 – 1 BvR 382/21 (NZA 2023, 48) nicht zur Entscheidung angenommen hat. Beide Beschwerdeführerinnen scheiterten bereits an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung. Das Land Berlin konnte sich als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf materielle Grundrechte berufen. Der TdL fehlte die Beschwerdebefugnis deswegen, weil sie an den beiden Ausgangsverfahren nicht beteiligt war. Auf das inhaltliche Anliegen der Beschwerdeführerinnen ging das BVerfG überhaupt nicht ein. Die Einlegung der Verfassungsbeschwerde führte damit – erwartungsgemäß – nur zu einer Vertagung der Problemlösung. Die damit verbundene Zeitverzögerung löste bei den betroffenen Tarifbeschäftigten zu Recht große Verdrossenheit über das Verhalten der öffentlichen Arbeitgeber aus. Und bei den Finanzministerien wuchs der „Berg“ der mutmaßlichen Nachzahlungsbeträge unaufhörlich an.

Nun zeigt der Beschluss des BVerfG eine erneute Möglichkeit der Verzögerung auf: So gibt das Gericht der TdL den Hinweis, sie könne eine Verbandsklage nach § 9 TVG zur Auslegung der einschlägigen Eingruppierungsvorschriften einlegen und nach dem mutmaßlichen Unterliegen beim BAG erneut Verfassungsbeschwerde einlegen. Es bleibt zu hoffen, dass die TdL diesen Weg nicht beschreiten und sich gemeinsam mit ver.di auf ihre Verantwortung als Tarifvertragspartei besinnen wird. Auf der einen Seite sollten die öffentlichen Arbeitgeber einsehen, dass eine leistungsgerechte Vergütung in der Justiz nicht darin bestehen kann, die meisten tarifbeschäftigen Servicekräfte „von der Wiege bis zur Bahre“ nach der Entgeltgruppe 6 zu vergüten. Auf der anderen Seite sollte ver.di beachten, dass die Justiz ein berechtigtes Bedürfnis an einer vernünftigen Personalentwicklung und damit an abgestuften Eingruppierungen hat. Mit einer „Einheitsentgeltgruppe 9a“ ist weder der Justiz noch den Beschäftigten gedient.

Die Eingruppierung der Servicekräfte in der Justiz wird damit zu einer Bewährungsprobe für die Tarifautonomie. Hoffentlich nehmen die Tarifvertragsparteien die Herausforderung – endlich – an. Die Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch. Nun sind Fantasie und Kompromissbereitschaft gefragt.

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