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VG Gelsenkirchen | Sep 30, 2025
Ein fremder Hund brachte eine Hundebesitzerin zu Fall, um auf seinen Artgenossen "loszugehen". Den behördlichen Maulkorbzwang für das grobe Tier kippte das VG Gelsenkirchen nun vorläufig. "Anrempeln" und "Anspringen" seien grundverschieden – die Frau habe nun mal im Weg gestanden.
Das VG Gelsenkirchen versteht "Anspringen" im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 LHundG NRW streng im Wortsinn. Die vorläufige Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwanges gegen einen Hund, der eine Frau nur "angerempelt" hatte, habe damit keinen Bestand. Es fehle an einem gezielten Zuspringen (Beschluss vom 22.05.2025 – 19 L 237/25).
Die Hundebesitzerin habe einem fremden Hund "im Weg gestanden" als dieser auf ihren Hund losgehen wollte, heißt es in den Feststellungen des Gerichts. Der Hund habe sie erfasst, woraufhin sie zu Boden gefallen sei. Die Folge: Eine Prellung der Lendenwirbelsäule.
Die Behörde erließ gegen den Hund daraufhin einen Leinen- und Maulkorbzwang, den sie auf § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 LHundG NRW stützte. Die Vorschrift erlaubt eine entsprechende Anordnung, wenn ein Hund Menschen "in Gefahr drohender Weise angesprungen" hat. Seine Besitzerin wandte sich gerichtlich gegen die sofortige Vollziehung der Zwangsanordnung – mit Erfolg, wie das VG Gelsenkirchen nun verkündet hat. Das Gesetz sei insofern wörtlich zu nehmen.
Nur Anspringen ist "Anspringen"
Aller Voraussicht nach, so das VG in seiner summarischen Prüfung, lägen die Voraussetzungen der Maulkorbanordnung hier nicht vor. Als "Anspringen" im Sinne der Norm seien nach "allgemeinem Begriffsverständnis" eine oder mehrere gezielte Sprünge gegen eine Person bzw. "an einer Person hoch" zu verstehen. Weder eine "frontale" bzw. "nicht freundliche Annäherung" noch "Rempeln" oder "Anrempeln" seien unter diesen Begriff zu fassen. Dabei laufe der Hund nämlich auf die betroffene Person zu, springe also gerade nicht.
Diese Auffassung vertrage sich auch mit dem Zweck der Norm. Renne ein Hund auf einen Menschen zu, sei das nicht in gleichem Maße gefährlich wie ein "Anspringen in gefahrdrohender Weise", wie es das Gesetz voraussetzt. Bei Letzterem erhebe das Tier in der Regel die Vorderpfoten und den Kopf "samt Gebiss" in Richtung des Oberkörpers in besonders verletzungsträchtiger Weise. Für ein Anspringen im Gesetzessinne würde hier indes jeder Anhalt fehlen ( Beschluss vom 22.05.2025 - 19 L 237/25).
Aus der Datenbank beck-online
Stück, Haarige Kollegen – Hunde und Haustiere im Betrieb und im Arbeitsrecht, ArbRAktuell 2022, 639
Lisner/Müller, Kommissar Rex entscheidet – Rechtswidrigkeit des "Hab-Acht-Befehls" an einen Diensthund, NVwZ 2020, 195