Der Italiener wohnt mit seiner Familie in Deutschland. Gegen ihn liegt ein Europäischer Haftbefehl eines italienischen Gerichts vor. Die italienischen Justizbehörden bitten um seine Überstellung zum Zweck der Strafverfolgung. Sie werfen ihm vor, gemeinschaftlich handelnd als logistische Unterstützung bei der Verwendung eines Sprengsatzes mitgewirkt zu haben. Die Höchstdauer der Strafe betrage vier Jahre.
Das OLG sah den Haftgrund der Fluchtgefahr und ordnete die Auslieferungshaft an. Dem Mann drohe in Italien die Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe. Seine bekannten persönlichen und sozialen Bindungen reichten nicht aus, um dem Fluchtanreiz verlässlich entgegenzuwirken. Mildere Maßnahmen, die diesen Zweck erreichen könnten, erschlössen sich dem Senat gegenwärtig nicht. Auslieferungs- und Bewilligungshindernisse seien nicht ersichtlich. Der Italiener zog vor das BVerfG.
Karlsruhe bemängelt fehlende Begründungstiefe
Dieses gab ihm recht: Die Entscheidungen genügten den Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe nicht (Beschluss vom 23.01.2025 – 2 BvR 5/25). Bedenklich sei dies bereits mit Blick auf die Erwägungen, mit denen das OLG die Fluchtgefahr bejaht hat. Die Ausführungen des Gerichts ließen besorgen, dass es die Fluchtgefahr allein auf die – nicht näher erläuterte – hohe Straferwartung gestützt hat. Zwar habe es in den angegriffenen Beschlüssen ohne nähere Begründung festgehalten, dass die bekannten persönlichen und sozialen Bindungen des Beschwerdeführers nicht ausreichten, um dem Fluchtanreiz verlässlich entgegenzuwirken, und somit im Kontext der Fluchtgefahr nicht nur die Straferwartung angeführt. Dennoch zweifeln die Karlsruher Richter und Richterinnen an, ob das OLG der gebotenen Begründungstiefe insoweit genügt hat.
Jedenfalls aber erreiche die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe. Das OLG stelle in seinem ersten Beschluss nach den Ausführungen zur Fluchtgefahr lediglich pauschal fest, dass mildere Maßnahmen, um die Anwesenheit des Betroffenen im Auslieferungsverfahren sicherzustellen, nicht ersichtlich seien. Im auf die Gegenvorstellung des Italieners ergangenen Beschluss stelle das OLG ohne weitere Ausführungen fest, dass der Mann im Hinblick auf die voraussichtlich empfindlich hohe Straferwartung im Fall einer Verurteilung sowie "die Gesamtwürdigung seiner konkreten Lebensumstände" mit seinen Anträgen nicht durchzudringen vermöge.
Eine Abwägungsentscheidung, die erkennen lässt, dass das OLG sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls ernstlich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung auseinandergesetzt hat, fehle in den angegriffenen Beschlüssen, rügt das BVerfG. Auch lege das OLG die maßgeblichen Gesichtspunkte nicht offen, um ein Überwiegen des Interesses, die Durchführung des Auslieferungsverfahrens und der Auslieferung zu sichern, gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen zu rechtfertigen. Auch eine nachvollziehbare Prüfung weniger einschneidender Maßnahmen unterbleibe. Die Ausführungen des Gerichts hierzu erschöpften sich vielmehr in der pauschalen Wendung, mildere Maßnahmen erschlössen sich dem Senat gegenwärtig nicht.
Das OLG muss nun erneut entscheiden. Würdigen müsse es dabei insbesondere die konkreten persönlichen Lebensumstände des Betroffenen einschließlich seiner familiären Verhältnisse und seines offenbar straffreien Vorlebens, ordnete das BVerfG an (Beschluss vom 23.01.2025 - 2 BvR 5/25).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
BVerfG, Zur Begründungtiefe von Entscheidungen über Fortdauer von Auslieferungshaft, BeckRS 2019, 16047
BVerfG, Efolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen unzureichend begründete Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft, BeckRS 2017, 136552