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Frank Christiansen (dpa) | Jan 20, 2025
Ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft bei der Besetzung der Präsidentenstelle des OVG Münster eine Rolle gespielt hat, prüft ein Untersuchungsausschuss. Ein Gutachter übt erneut Kritik.
In der nordrhein-westfälischen Justizaffäre um die umstrittene Besetzung der Spitze des Münsteraner Oberverwaltungsgerichts hat ein Gutachter dem NRW-Justizministerium einen Fehler attestiert.
Der von den Oppositionsfraktionen SPD und FDP beauftragte Gutachter Jürgen Lorse nahm zur Aussage eines Abteilungsleiters des Ministeriums Stellung, wonach man die später als rechtswidrig eingestufte Spitzen-Beurteilung einer Bewerberin aus dem NRW-Innenministerium weder habe überprüfen können noch dürfen. Die Frau sollte zur Präsidentin des OVG ernannt werden, bevor das Verfahren gestoppt wurde. Der Gutachter kommt zum gegenteiligen Schluss: Es wäre die rechtliche Pflicht des Ministeriums gewesen, die Beurteilung zu prüfen. Sie hätte einer "formellen und materiellen Plausibilitätskontrolle" unterzogen werden müssen.
Ein Sprecher des NRW-Justizministeriums zog die Ergebnisse des Gutachtens in Zweifel: "Die vom Gutachter konstruierten Pflichten sind in Rechtsprechung und Literatur nicht anerkannt. Natürlich hat eine Plausibilitätskontrolle stattgefunden auf evidente Fehler." Dabei sei ein fehlender Beitrag in der Beurteilung aber nicht beanstandet worden, wie auch die vier Gerichte, die das Verfahren bereits überprüft hätten, dies nicht erkannt und beanstandet hätten.
Opposition fordert Konsequenzen
"Es ist ein Trauerspiel, wie das Justizministerium hier mit Recht und Gesetz umgeht", sagte SPD-Obfrau Nadja Lüders. "Das, was man uns die ganze Zeit erzählt hat, entspricht nicht geltendem Recht. Die Top-Beurteilung hätte nicht ungeprüft übernommen werden dürfen", sagte FDP-Obmann Werner Pfeil. Wenn dies die Rechtsauffassung des Justizministeriums sei, stelle sich die Frage, ob weitere Besetzungsverfahren rechtswidrig seien.
Lüders und Pfeil sprachen sich dafür aus, die Besetzung der Präsidentenstelle mit einer überarbeiteten Ausschreibung neu zu starten. "Die Mängel des alten Verfahrens sind nicht zu heilen. Es wird ja immer schlimmer", sagte Pfeil. "Der böse Schein der Intransparenz und Unfairness infiziert das gesamte Verfahren."
Lorse hatte bereits in einem früheren Gutachten kritisiert, dass die ausschlaggebende Beurteilung durch die Innen-Staatssekretärin rechtswidrig gewesen sei. Daraufhin war das Verfahren gestoppt worden, um neue Beurteilungen einzuholen. Inzwischen hat das Landeskabinett seinen Beschluss, die Abteilungsleiterin an die Spitze des OVG zu befördern, widerrufen.
Gab es Vettern- oder Parteibuchwirtschaft?
Ein Untersuchungsausschuss prüft derzeit, ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft den Ausschlag bei der Besetzung gab oder, wie es gesetzlich vorgesehen ist, die Kompetenz der Bewerber.
Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren gestoppt. Das in Münster hatte dabei scharfe Kritik geäußert und von manipulativer Verfahrensgestaltung geschrieben. Das OVG hatte als zweite Instanz gegen die Personalentscheidung in eigener Sache keine Bedenken. Das BVerfG hatte die OVG-Entscheidung dann aber teilweise aufgehoben und zurückverwiesen.
Die Verfassungsrichter in Karlsruhe sahen Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung, denen nicht ausreichend nachgegangen worden sei. Sie forderten das OVG auf, den Fall noch einmal genauer zu prüfen.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
BVerfG, Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Besetzung der OVG-Präsidentenstelle in Nordrhein-Westfalen, NVwZ 2024, 1832