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Redaktion beck-aktuell (dpa) | Nov 07, 2024
Ende 2023 hatten sich EU-Parlament und Rat auf eine grundlegende Reform des Asylsystems geeinigt, die unter anderem Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen vorsieht. Nun hat das Kabinett zwei Gesetzentwürfe beschlossen, mit denen die EU-Vorgaben umgesetzt werden.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) soll in Deutschland durch das GEAS-Anpassungsgesetz und ein Folgegesetz umgesetzt werden. Beide Entwürfe hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen. Die Umsetzungsfrist bis Juni 2026 wird so voraussichtlich gehalten. Das Bundesinnenministerium teilte mit, das EU-Reformpaket "eins zu eins" umsetzen zu wollen.
Die Entwürfe sehen unter anderem vor, dass Asylverfahren für Menschen mit geringer Aussicht auf internationalen Schutz in der EU bereits an den EU-Außengrenzen geführt werden. In Deutschland betrifft das nur die Einreise an Flughäfen und Seehäfen. Dieses Verfahren sollen laut Innenministerin Nancy Faeser noch vor 2026 starten. Wegen der notwendigen Unterbringungskapazitäten sei allerdings eine Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern notwendig.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll acht Wochen Zeit haben, um über Asylanträge an den Außengrenzen zu entscheiden, die Frist für einstweiligen Rechtsschutz soll zwei Wochen betragen.
Keine Ausreisefrist bei Sicherheitsrisiken
In Fällen, in denen Deutschland beabsichtigt, Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge aus anderen europäischen Staaten im Rahmen des sogenannten Solidaritätsmechanismus aufzunehmen, soll es zudem Sicherheitschecks geben: Durch persönliche Anhörungen soll sichergestellt werden, dass Menschen, die eine Sicherheitsgefahr darstellen, erkannt und nicht übernommen werden. Bei Gefahren für Sicherheit und Ordnung soll es zudem keine Ausreisefrist geben, "sondern die schnellstmögliche Ausweisung und Rückführung erfolgen", so Faeser.
Insbesondere die Gruppe die Linke sah die Reform im Kabinett insgesamt kritisch. Die Abgeordnete Clara Bünger kritisierte etwa den geplanten neuen § 29a Abs. 2 AsylG, der eine Festlegung sicherer Herkunftsstaaten im Wege der Rechtsverordnung vorsieht. Dadurch würden künftig Staaten "durch die Hintertür" zu angeblich "sicheren" Drittstaaten erklärt, so Bünger.
"Unsolidarische" Staaten sollen bezahlen
Auf die Asylreform, die EU-weit einheitliche Regelungen schafft, hatten sich Parlament und Rat im Dezember 2023 geeinigt. Neben der Regelung für EU-Grenzen sieht das Paket auch vor, dass Mitgliedstaaten sich bereiterklären können, Asylsuchende freiwillig aufzunehmen, um Grenzstaaten zu entlasten – der sogenannte Solidaritätsmechanismus. Geplant ist, dass pro Jahr mindestens 30.000 Geflüchtete aus diesen Ländern in andere EU-Staaten umverteilt werden. Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten, zum Beispiel in Form von Geldzahlungen.
Das Konzept der Asylverfahren an den Außengrenzen war lange umstritten, denn es sah vor, dass ankommende Menschen unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Die Bundesregierung und das Europaparlament hatten versucht, sie zu verhindern, waren aber letztendlich am Widerstand von Ländern wie Italien gescheitert.
In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben nach Zahlen des BAMF rund 179.000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Huber/Hruschka, Zurückweisungen an der Grenze zulässig?, DRiZ 2024, 354
Waegner, Europäisches Asyl- und Migrationspaket: Weitreichende digitale Überwachung von Geflüchteten befürchtet, MMR-Aktuell 2024, 01465
Hruschka, EU-Asylrecht - Scheinkompromiss oder historische Einigung?, ZRP 2023, 175
Walter, Der Schengener Grenzkodex auf dem Prüfstand, NVwZ 2023, 563
Mrozek, Zwischen "Raum der Freiheit", "Raum der Sicherheit" und "Raum des Rechts" - der Mechanismus des supranationalen Grenzschutzes an den europäischen Außengrenzen, ZAR 2014, 393