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NVwZ Nachrichten

Soldatenlaufbahn: Beförderung darf nicht von Verwaltungserlass abhängen

Von BVerwG | Okt 30, 2024
Einer An­wär­te­rin für die Of­fi­ziers­lauf­bahn durf­te der Auf­stieg nicht wegen schlech­ter Noten bei der Po­ten­zi­al­fest­stel­lung ver­wehrt wer­den, hat der 1. Wehr­dienst­se­nat des BVer­wG ent­schie­den. Das bis­her nur in Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten ge­re­gel­te Ver­fah­ren be­dür­fe einer ge­setz­li­chen Grund­la­ge.

Da das Potenzialfeststellungsverfahren lediglich in einem Verwaltungserlass geregelt ist, sei die Anwärterin in ihrem Recht auf Durchführung eines leistungsgerechten Auswahlverfahrens nach Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, so das BVerwG (Beschluss vom 29.10.2024 – 1 WB 36.24).

Zwar stehe es dem Dienstherrn frei, die Eignung eines Bewerbers oder einer Bewerberin durch ein psychologisches Testverfahren zu überprüfen. Der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verlange es jedoch, dass der parlamentarische Gesetzgeber die Vergleichsinstrumente für die Bestenauslese bei der Vergabe öffentlicher Ämter selbst bestimmt. Die Entscheidungsmacht dürfe nicht allein der Exekutive überlassen sein.

In dem Fall hatte die Bewerberin, eine Unteroffizierin, die Offizierslaufbahn einschlagen wollen. In allen dafür erforderlichen Tests – etwa dienstlichen Beurteilungen – hatte sie mit Bestnoten abgeschnitten, mit Ausnahme von einem: der Potenzialfeststellung, bei der sie die geforderte Punktzahl knapp verfehlte.

Weil es mehr Bewerber als offene Stellen gab, kam es auf dieses Ergebnis letztlich an und die Unteroffizierin wurde im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt. Dagegen wehrte sie sich zuerst mit einer Beschwerde beim Verteidigungsministerium und dann – erfolgreich – vor dem BVerwG.

Potenzialfeststellung nur durch Verwaltungserlass geregelt

"Das Potentialfeststellungsverfahren ist ein Prognoseverfahren für die Eignungsbeurteilung", erklärt Prof. Dr. Philipp-Sebastian Metzger. Er lehrt an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim. "Bei diesem Verfahren werden verschiedene Kompetenzbereiche abgefragt und daraus dann Folgerungen betreffend die Eignung eines Laufbahnbewerbers abgeleitet." Der eintägige Test wurde von Psychologen entwickelt und prüft etwa die "Gewissenhaftigkeit" oder "Persönlichkeits- und Verhaltensstabilität" des Bewerbers oder der Bewerberin.

Das Problem: "Dieses Verfahren ist nicht gesetzlich, sondern nur in Verwaltungsvorschriften geregelt", sagt Metzger. Grundsätzlich müssen öffentliche Ämter gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Leistung und Befähigung vergeben werden. Diese Anforderungen werden durch eine Rechtsverordnung und mehrere Verwaltungsvorschriften ergänzt. So ist auch das Potenzialfeststellungsverfahren in konkretisierenden Zentralvorschriften geregelt.

"Das BVerwG billigt dem Dienstherrn – also der Bundesrepublik Deutschland in Gestalt des Bundesministeriums der Verteidigung – aber einen personalwirtschaftlichen Ermessensspielraum zu", erklärt Metzger. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie "Eignung" oder "fachliche Leistung" dürfe er in Verwaltungsvorschriften konkretisieren und gewisse Mindeststandards beim Auswahlverfahren festlegen.

"Darauf fußt auch die Argumentation des Ministeriums im vorliegenden Verfahren." Das Ministerium hatte argumentiert, lediglich von seiner Personalorganisationshoheit Gebrauch gemacht zu haben. Dem hat das BVerwG nun eine Absage erteilt.

"Der Fall zeigt die erhebliche Relevanz der Potenzialfeststellung"

Das BVerwG habe zuletzt schon 2023 entschieden, dass es infolge der Wesentlichkeitstheorie einer gesetzlichen Grundlage für Beurteilungen von Soldaten bedürfe, so Metzger. "Diese sind neben der Potenzialfeststellung mitentscheidend für einen Antrag auf Wechsel in die Offizierslaufbahn." Nun weitet das Gericht diese Ansicht auch auf die Potenzialfeststellung aus.

Der 1. Wehrdienstsenat hat die ablehnenden Bescheide gegen die Bewerberin aufgehoben und dem Antrag der Soldatin auf Neubescheidung stattgegeben. Dass die Potenzialfeststellung als Auswahlkriterium herangezogen wurde, sei mangels rechtlicher Grundlage rechtswidrig, so das Gericht. Die Verwaltung könne die Bedeutung gesetzlich vorgesehener Auswahlinstrumente nicht durch reine Verwaltungsvorschriften einschränken.

Dabei lehnte der Senat die psychologische Beurteilung als Ergänzung zu anderen Auswahlkriterien nicht grundsätzlich ab. "Da durch Beurteilungen der verfassungsrechtlich vorbehaltlose Grundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG eingeschränkt wird, bedurfte es insoweit einer normativen Grundlage", so Metzger. Er hält den Beschluss für richtig: "Der Fall zeigt die erhebliche Relevanz des Potenzialfeststellungsverfahrens, weshalb es auch hier vertretbar ist, eine normative Grundlage zu verlangen." (Beschluss vom 29.10.2024 - 1 WB 36.24)

 

 

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