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NVwZ Nachrichten

Sicheres Herkunftsland: Das ganze Land muss sicher sein

Von EuGH | Okt 04, 2024
Ein Mit­glied­staat ver­stö­ßt dem EuGH zu­fol­ge gegen EU-Recht, wenn es nur einen Teil des Ge­biets eines Dritt­staats als si­che­res Her­kunfts­land be­stimmt. Im kon­kre­ten Fall hat­ten tsche­chi­sche Be­hör­den die Re­pu­blik Mol­dau – mit Aus­nah­me von Trans­nis­tri­en – als si­che­ren Her­kunfts­staat ein­ge­stuft.

Im Jahr 2022 stellte ein moldauischer Staatsangehöriger in der Tschechischen Republik einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete seinen Antrag damit, dass er sich in seiner Heimat nicht mehr sicher fühle. Zum einen sei er von Unbekannten bedroht worden, die ihn in der Vergangenheit angegriffen hätten. Der Polizei sei es nicht gelungen, die Täter zu identifizieren. Zum anderen wolle er aufgrund der Invasion Russlands in die Ukraine nicht zurückkehren.

Die tschechischen Behörden lehnten seinen Antrag ab, wobei sie betonten, dass die Republik Moldau – mit Ausnahme von Transnistrien – als sicherer Herkunftsstaat bestimmt worden sei. Es sei dem Mann nicht gelungen, nachzuweisen, dass diese Einstufung in seinem konkreten Fall nicht zutreffe. Das tschechische Regionalgericht Brno (Brünn) hatte Fragen an den EuGH.

EuGH präzisiert die Bedingungen für die Bestimmung eines Drittstaats als sicherer Herkunftsstaat

Der EuGH erklärte (Urteil vom 04.10.2024 - C-406/22), dass Mitgliedstaaten nach Unionsrecht nicht nur einen Teil des Gebiets des betroffenen Drittstaats als sicheren Herkunftsstaat bestimmen können. Die Kriterien für die Bestimmung eines Drittstaats als sicherer Herkunftsstaat müssten in seinem gesamten Hoheitsgebiet erfüllt sein.

Außerdem entschieden die Richterinnen und Richter, dass ein Staat nicht schon deshalb kein sicherer Drittstaat mehr ist, weil er von seinem Recht gemäß Art. 15 EMRK Gebrauch macht, von den in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen abzuweichen. Das ist möglich, wenn "das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht" wird. Am 25.2.2022 hat die Republik Moldau aufgrund einer Energiekrise von Art. 15 EMRK Gebrauch gemacht, am 28.4.2022 hat sie beschlossen, aufgrund der Invasion Russlands in die Ukraine weiterhin von diesem Abweichungsrecht Gebrauch zu machen.

Denn die Erklärung, von dieser Abweichung Gebrauch zu machen, lasse für sich allein nämlich weder den Schluss zu, dass tatsächlich abweichende Maßnahmen ergriffen wurden, noch könnten daraus Rückschlüsse auf Natur und Umfang solcher Maßnahmen gezogen werden, so der EuGH. Vielmehr müssten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten beurteilen, ob die Bedingungen für die Ausübung dieses Rechts geeignet seien, die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat in Frage zu stellen.

Folglich müsse das Regionalgericht Brno im Rahmen seiner Prüfung zwei Sachen berücksichtigen, so der EuGH: Einmal die Abweichung der Republik Moldau von ihren in der EMRK vorgesehenen Verpflichtungen und zum anderen den Verstoß der Tschechischen Republik gegen die Bedingung, wonach sich die Bestimmung eines Drittstaats als sicherer Herkunftsstaat auf dessen gesamtes Hoheitsgebiet beziehen muss (Urteil vom 04.10.2024 - C-406/22).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Niehaus, Sichere Herkunfts- und Drittstaaten – Ergebnisse einer rechtsvergleichenden Analyse der europäischen Asylrichter, ZAR 2017, 389


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