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Redaktion beck-aktuell (dpa) | Feb 05, 2024
In einem Streit mit dem Publizisten Henryk M. Broder muss das Bundesinnenministerium umstrittene Textpassagen eines Expertenberichts vorerst von seiner Homepage nehmen. Dass der Bericht, in dem muslimkritische Aussagen Broders zitiert wurden, als "amtliche" Position verstanden werden kann, ist laut OVG Berlin-Brandenburg nicht akzeptabel.
Das Bundesinnenministerium (BMI) hatte nach dem rassistischen Anschlag von Hanau im Februar 2020, bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden, einen Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit einberufen. Dieser hat eine Studie erstellt, die unter dem Titel "Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz 2023" auf der Seite des Ministeriums online ging. In dem Zusammenhang wurde die strittige Textpassage von Broder veröffentlicht.
Der Publizist wehrte sich dagegen, weil dort unter anderem behauptet wurde, er habe sich 2010 in einem Artikel für "eine uneingeschränkte Anwendung der Meinungsfreiheit" starkgemacht, "während er Aufrufe zur Deeskalation und Rücksichtnahme offen verhöhnte und Muslim*innen pauschal als unwissende, ehrversessene, blutrünstige Horden dämonisierte". Broder sieht sich dadurch auf unsachliche Weise angegriffen.
Innenministerium zu Sachlichkeit verpflichtet
Aus Sicht des OVG stellt die Veröffentlichung des Berichts des Expertenkreises einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Broders dar (Beschluss vom 31.01.2024 – OVG 9 S 20/23). Die dort getroffene Einschätzung sei zwar erlaubt. Das Ministerium müsse jedoch deutlich machen, dass es sich nicht um eine "amtliche" Position handele. Das BMI habe eine Pflicht zur Sachlichkeit, der es nicht gerecht geworden sei, heißt es in dem OVG-Beschluss. Vielmehr sei das Dokument mit dem BMI-Logo versehen und Ministerin Nancy Faeser spreche im Vorwort davon, es gelte, sich mit den Empfehlungen der Experten ernsthaft auseinanderzusetzen.
Das OVG hob mit seinem Beschluss im Eilverfahren eine Entscheidung des VG Berlin auf. Broders Anwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel wartet nun auf eine Erklärung des BMI, in der es die Entscheidung anerkennt. "Wenn das nicht kommt, klagen wir", so der Jurist. "Wir werten die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts derzeit aus", zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" eine Sprecherin des Ministeriums. Der Bericht des Expertenkreises sei vorerst von der Webseite des Ministeriums genommen worden (Beschluss vom 31.01.2024 - 9 S 20/23).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
VG Berlin, Unabhängiger Expertenkreis, Muslimfeindlichkeit, öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Bundesinnenministerium, offizielle Website, amtliche Äußerung, GRUR-RS 2023, 32710 (Vorinstanz)