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Redaktion beck-aktuell (dpa) | Jan 18, 2024
Es ist der Höhepunkt eines langen Gezerres um den Haushalt. Schon vor Beginn der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses werden erste Einigungen der Ampel auf Änderungen bekannt - es geht aber nicht um den Agrardiesel.
Eigentlich sollte der Bundeshaushalt für dieses Jahr schon längst in trockenen Tüchern sein. Ein wegweisendes Urteil des BVerfG Mitte November aber durchkreuzte die Pläne der Ampel-Koalition. Die Folge: Im Haushalt sowie im Klima- und Transformationsfonds mussten Milliardenlöcher gestopft werden, darüber verhandelten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP wochenlang.
Die umstrittenste Maßnahme ist die schrittweise Abschaffung von Steuerentlastungen für Bauern beim Agrardiesel. Die lange Hängepartie um den Haushalt fand nun ihren vorläufigen Höhepunkt - mit der sogenannten Bereinigungssitzung des mächtigen Haushaltsausschusses.
Nach dem Urteil hatte der Haushaltsausschuss im November entschieden, den Etat 2024 zunächst nicht abschließend zu beraten - am Donnerstag folgte also nun eine weitere Sitzung. In dieser wollten die Haushälter wichtige Fragen klären. Die "Bereinigung" ist die entscheidende Etappe auf dem Weg zur Verabschiedung des Haushalts im Parlament, die für Anfang Februar geplant ist. Derzeit gilt eine vorläufige Haushaltsführung. In dieser Zeit sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Schon vor Beginn der Sitzung, die bis spät in den Abend dauern dürfte, wurde bekannt, dass sich die Ampel-Koalition auf wichtige Änderungen geeinigt hat. Der Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler sagte, einen geplanten Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro 2024 werde es nicht mehr geben. Grund sei ein besserer Jahresabschluss im Bundesetat 2023 - der finanziellen Spielraum schafft. Konkret soll die Entnahme aus der Rücklage erhöht werden.
Kindler verwies auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. "Diese Bedenken nehmen wir ernst. Die Bundesregierung wollte eigentlich einen Teil ihrer Milliardenzuschüsse an die Bundesagentur aus der Corona-Zeit zurückhaben. Insgesamt sollten 5,2 Milliarden Euro in vier Jahren ab 2024 zurück nach Berlin fließen. Bei der Bundesagentur stieß das auf massive Kritik. In einer Anhörung des Haushaltsausschusses hatten Experten von einer "Zweckentfremdung von Notlagenkrediten" gesprochen.
Der Unions-Chefhaushälter Christian Haase sprach von einer "Flickschusterei". Hektisch sei über Nacht ein neuer Änderungsantrag eingesteuert worden, um kurz vor knapp die nächste verfassungsrechtlich zweifelhafte Operation im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit zu bremsen. «Die Ampel scheint eingesehen zu haben, dass die Sozialversicherungen kein Selbstbedienungsladen sind.» Der Unions-Arbeitsmarktexperte Stephan Stracke sagte: "Leider geht der Griff in die Sozialkassen an anderer Stelle unvermindert weiter." Bei der Rentenversicherung wolle die Ampel "willkürlich" insgesamt 4,8 Milliarden Euro einsparen.
Bürgergeld-Verschärfungen und Schuldenbremse fürs Ahrtal
Die geplanten Verschärfungen möglicher Sanktionen beim Bürgergeld sollen auf zwei Jahre befristet werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Koalitionsfraktionen erfuhr. Die geplante Regelung sieht die Möglichkeit vor, dass Jobcenter künftig Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. Die Maßnahme ist Teil des geplanten Haushaltsfinanzierungsgesetzes. Ob die Möglichkeit der Komplett-Sanktionen nach zwei Jahren dauerhaft bleiben soll, soll dann auf Basis einer Überprüfung entschieden werden.
Kindler sagte, aus den Überschüssen des Etats 2023 sollten auch Hilfen für Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal finanziert werden. Nach Angaben des Finanzministeriums hat der Bund im vergangenen Jahr Milliarden weniger ausgegeben als geplant. In der Folge verringere sich die Entnahme aus der Rücklage um 6,3 Milliarden Euro. Die Mittel sollten zur Finanzierung von Mehrbelastungen im Bundeshaushalt 2024 beitragen.
Im Bundeshaushalt 2024 sind 2,7 Milliarden Euro an Hilfen für Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal geplant. Die Bundesregierung hatte geprüft, ob dafür erneut die Schuldenbremse ausgesetzt werden soll. Die Schuldenbremse könnte aber später im Jahr noch ausgesetzt werden - nämlich falls für die Unterstützung der Ukraine deutlich mehr Geld nötig sein sollte, als jetzt absehbar ist. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor. Sie kann aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird.
Ampel will an Kürzungen beim Agrardiesel festhalten
Heftig umstritten sind die Kürzungspläne bei den Bauern. Auf eine ursprünglich geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft will die Regierung zwar verzichten. Steuerbegünstigungen für Agrardiesel sollen aber abgeschafft werden, wenn auch schrittweise. "Die Ampel-Koalition steht zu diesem Kompromiss", sagte Kindler.
Bauernpräsident Joachim Rukwied indes drohte mit neuen weitreichenden Protesten ab Montag, sollten die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel nicht zurückgenommen werden. Die bisherigen Proteste seien das "Vorbeben" gewesen, sagte Rukwied.
Die Organisation One und andere Verbände kritisierten vor der Bereinigungssitzung, die Entwicklungszusammenarbeit solle im Vergleich zu 2023 insgesamt um knapp zwei Milliarden Euro gestutzt werden. Verkehrsverbände kritisieren geplante Kürzungen von Mitteln für den Schienengüterverkehr sowie für den Radverkehr.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
BVerfG, Nichtigkeit des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021, NJW 2023, 3775