Wird ein Antrag auf Genehmigung des eigenwirtschaftlichen Betriebs eines Buslinienbündels fristgerecht gestellt, ohne alle Anforderungen der Vorabbekanntmachung des Aufgabenträgers zu erfüllen, kommt seine nachträgliche Ergänzung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn ein anderer fristgerechter, eigenwirtschaftlicher Antrag sämtliche Anforderungen erfüllt und auch sonst genehmigungsfähig ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Genehmigung für Konkurrentin trotz verspäteter Qualitätszusicherung
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für den Betrieb eines Buslinienbündels nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Der beklagte Kreis als Aufgabenträger hatte in einer Vorabbekanntmachung zur Abgabe entsprechender Angebote an das ebenfalls beklagte Land als Genehmigungsbehörde aufgefordert und eine verbindliche Zusicherung zu bestimmten Qualitätsstandards verlangt. Die Klägerin und die Beigeladene - zwei Personenbeförderungsunternehmen, die sich jeweils um den Betrieb des Linienbündels beworben hatten - reichten binnen der gesetzten Frist Anträge ein. Der Antrag der Klägerin enthielt alle geforderten Zusicherungen, jener der Beigeladenen nicht. Letztere reichte die fehlende Zusicherung nach Fristablauf unaufgefordert nach. Die Beklagten berücksichtigten die Ergänzung bei der Prüfung der Anträge. Die Beigeladene erhielt die beantragte Genehmigung, weil ihr ergänzter Antrag die bessere Verkehrsbedienung anbot. Der Antrag der Klägerin wurde abgelehnt.
Vorinstanzen ziehen "Erst-Recht-Schluss"
Die Klägerin hat gegen beide Entscheidungen nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben. Das OVG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des VG zurückgewiesen, aber die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ergänzung des Antrags der Beigeladenen habe nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG berücksichtigt werden dürfen. Die Norm ermögliche die Zulassung verspäteter Anträge und - erst recht - die Ergänzung rechtzeitiger Anträge nach Fristablauf. Rechte der Klägerin würden hierdurch nicht verletzt. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg.
BVerwG: Ergänzung hätte nicht berücksichtigt werden dürfen
Das beklagte Land habe die Ergänzung des Genehmigungsantrags der Beigeladenen nicht berücksichtigen dürfen, so das BVerwG. Die Ermächtigung zur Zulassung verspäteter Anträge nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG sei auf nachträgliche Antragsergänzungen jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG wenigstens ein die Voraussetzungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch ansonsten genehmigungsfähiger eigenwirtschaftlicher Antrag eingeht. Ob in solchen Fällen eine Ergänzung nach § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG in Betracht kommt, habe vorliegend keiner Entscheidung bedurft. Denn nachträgliche Ergänzungen von Anträgen seien hiernach nur zulässig, wenn sie von der Genehmigungsbehörde im öffentlichen Verkehrsinteresse angeregt worden sind. An einer solchen Anregung habe es gefehlt. Ohne die Ergänzung sei der Antrag der Beigeladenen auch nicht nach § 13 Abs. 2a Satz 2 und 3 PBefG genehmigungsfähig gewesen. Nach dieser Vorschrift könne die Genehmigungsbehörde zwar im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger Abweichungen von den Anforderungen der Vorabbekanntmachung zulassen. Dies dürfe aber nur in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung geschehen. Er bestehe darin, dem Aufgabenträger eine gemeinwirtschaftliche Vergabe zu ersparen, wenn kein fristgerechter und auch sonst genehmigungsfähiger Antrag die Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllt. Das sei hier wegen des Antrags der Klägerin nicht der Fall gewesen (Urt. v. 01.06.2023 - 8 C 3.22).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- OVG Münster, Auswahlentscheidung, Anfechtungsklage, Genehmigung..., BeckRS 2022, 9689 (Vorinstanz)
- Fiedler/Wachinger, Das Recht des straßengebundenen Verkehrs in den Jahren 2021/2022, NundR 2022, 200
- Saxinger, Der Linienbedarfsverkehr als neue Form des Linienverkehrs nach der PBefG-Novelle 2021, GewArch 2022, 183
- Knauff, Gemeinwohl und Wettbewerb im straßengebundenen ÖPNV, NVwZ 2020, 1171
- VG Münster, Auswahlentscheidung, Genehmigung, Vergleich, BeckRS 2018, 23634 (Erstinstanz)