Das Gericht der Europäischen Union hat die Genehmigung der milliardenschweren Corona-Hilfen der Bundesregierung für die Lufthansa, die die Europäische Kommission im Juni 2020 erteilt hatte, für nichtig erklärt. Es gab damit den Klagen der Konkurrenten Ryanair und Condor statt. Laut EuG hat die Kommission mehrere im Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft vorgesehene Voraussetzungen missachtet.
Kommission genehmigte sechs Milliarden Corona-Hilfen für Lufthansa
Die Reisebeschränkungen in der Pandemie hatten die Geschäfte der Lufthansa nahezu zum Erliegen gebracht. In dem Konzern mit rund 138.000 Beschäftigten standen Zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe. Deswegen unterstützte die Bundesregierung im Frühjahr 2020 die größte deutsche Fluggesellschaft mit einem milliardenschweren Hilfspaket. Die Lufthansa musste sich im Gegenzug dazu verpflichten, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, also etwa Start- und Landerechte in Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben. Der Rettungsplan sah vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds im Zuge einer Kapitalerhöhung Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20% am Grundkapital der Fluggesellschaft aufzubauen. Zudem waren stille Einlagen bis zu 5,7 Milliarden Euro sowie ein Kredit von bis zu drei Milliarden Euro vorgesehen. Letzterer unterlag allerdings nicht den Auflagen und war grundsätzlich bereits zuvor genehmigt worden. Die EU-Kommission genehmigte die Hilfen von sechs Milliarden Euro im Juni 2020, die Lufthansa inzwischen vollständig zurückgezahlt hat. Dagegen erhoben die Lufthansa-Konkurrenten Ryanair und Condor Nichtigkeitsklagen vor dem EuG.
EuG: Voraussetzungen des Befristeten Rahmens missachtet
Die Klagen hatten Erfolg. Laut EuG hat die Kommission mehrere im Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft vorgesehene Voraussetzungen für eine Rekapitalisierung missachtet. So habe sie fälschlich angenommen, die Lufthansa sei nicht in der Lage, sich zu erschwinglichen Konditionen Finanzmittel auf den Märkten zu beschaffen. Eine entsprechende Prüfung durch die Kommission sei nicht erkennbar. Sie habe zudem zu Unrecht auf die Höhe des gesamten Finanzbedarfs abgestellt. Dies lasse sich dem Befristeten Rahmen nicht entnehmen. Die Kommission hätte prüfen müssen, ob Lufthansa sich einen nicht unerheblichen Teil der notwendigen Finanzmittel auf den Märkten hätte beschaffen können. Ferner habe die Kommission die Voraussetzungen in Bezug auf die Vergütung und den Ausstieg des Staates missachtet. Sie hätte einen Staffelmechanismus zur Erhöhung der Vergütung für den Staat oder einen ähnlichen Mechanismus verlangen müssen, um einen Anreiz für die Lufthansa zu schaffen, die Kapitalbeteiligung Deutschlands so bald wie möglich zurückzukaufen. Daran habe es aber gefehlt.
"Beträchtliche Marktmacht" der Lufthansa fehlerhaft verneint
Was das Bestehen einer "beträchtlichen Marktmacht" der Lufthansa angehe, sei der Kommission zwar kein Fehler bei der Definition der maßgeblichen Märkte unterlaufen. Sie habe die Märkte für Passagierluftverkehr zu Recht nach dem Ansatz "Flughafen für Flughafen" und nicht als Verbindungen zwischen einem Ausgangs- und einem Zielort definiert. Die Kommission habe aber eine beträchtliche Marktmacht der Lufthansa an bestimmten Flughäfen fehlerhaft verneint. Sie habe nicht alle maßgeblichen Faktoren (etwa die Zahl der Flüge und der Sitzplätze, die von und zu den betreffenden Flughäfen angeboten werden) berücksichtigt, um die Marktmacht der Lufthansa an den betreffenden Flughäfen zu beurteilen. Schließlich moniert das EuG, dass die Kommission bestimmte Verpflichtungen (unter anderem Abtretung von jeweils 24 Zeitnischen pro Tag an den Flughäfen Frankfurt am Main und München) akzeptiert habe, die nicht gewährleistet hätten, dass ein wirksamer Wettbewerb gewahrt wird. Die Kommission hätte außerdem auch die Entgeltlichkeit der Abtretung der Zeitnischen begründen müssen (Urt. v. 10.05.2023 - T-34/21).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- Frenz, Coronabedingte Staatsbeteiligung am Beispiel der Lufthansa und Beihilfenverbot, EWS 2020, 192