Wer sich mit zahlreichen anderen Prüflingen über eine Messenger-Chat-Gruppe während der gesamten Bearbeitungszeit einer Online-Prüfung intensiv austauscht, kann dafür laut Verwaltungsgericht Berlin wegen schwerwiegender Täuschung exmatrikuliert werden. Ob die Antworten tatsächlich hilfreich und richtig waren, sei irrelevant.
Exmatrikulation wegen schwerwiegender Täuschung
Die Klägerin war Studentin im Bachelorstudiengang "Öffentliche Verwaltung" und schrieb im Juli 2021 eine dreistündige Online-Klausur. Dem Dozenten und Prüfer wurden nach der Korrektur dieser Klausur Screenshots von einem Messenger-Chat-Verlauf zugespielt, in dem sich zahlreiche Prüfungsteilnehmende – darunter die Klägerin – zu Themen der Klausur während der Klausurbearbeitung austauschten. Die Hochschule leitete gegen Mitglieder der Chat-Gruppe ein Prüfungsverfahren wegen des Verdachts der Täuschung ein. Die Klägerin wurde wegen der besonderen Schwere der Täuschung exmatrikuliert. Sie wehrte sich vor Gericht - ohne Erfolg.
Wertung nicht zu beanstanden
Die Prüfungsordnung sehe die Exmatrikulation vor, wenn ein Prüfungsausschuss – wie hier geschehen – die besondere Schwere einer Täuschung feststellt, so das Gericht. Diese Wertung sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe sich in der Chat-Gruppe mit einer Vielzahl von Mitprüflingen über die gesamte Bearbeitungszeit der Prüfung ausgetauscht, Antworten auf Fragen von Kommilitonen mitgelesen, Fragen gestellt und selbst Stellung bezogen. Sie habe auch die Möglichkeit gehabt, Screenshots von Antworten bezüglich des Multiple-Choice-Teils der Klausur einzusehen.
Tatsächlicher Vorteil durch Chat-Austausch nicht erforderlich
Es komme nicht darauf an, ob die Stellungnahmen und Antworten tatsächlich als Hilfe für die Klausurbearbeitung geeignet und ob sie inhaltlich zutreffend seien. Irrelevant sei auch, ob die Chat-Gruppe ursprünglich von der Hochschule eingerichtet worden sei, denn die Prüflinge seien selbst verantwortlich dafür, dass sie die Prüfung ohne unerlaubte Hilfe ablegten. Nachdem es bei Online-Prüfungen zu einer Vielzahl von Täuschungen komme, habe die Hochschule bei der Wahl der Sanktion auch die allgemein abschreckende Wirkung der Exmatrikulation berücksichtigen dürfen (Urt. v. 06.02.2023) - 12 K 52/22).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- VG Berlin, Exmatrikulation, Täuschung, schwerer Fall, Austausch über Wh.-A.-Gruppe mit zahlreichen Prüflingen, Zusammenarbeit mit anderen Prüflingen, Anscheinsbeweis, BeckRS 2023, 2328 (ausführliche Gründe)
- OVG Münster, Täuschungsversuch schwerer Fall, Smartphone, Mobiltelefon, Handy, BeckRS 2021, 2153
- BVerwG, Beweis des ersten Anscheins bei Täuschung über Prüfungsleistung, NJW 2018, 1896