Noch immer werden Frauen in Deutschland im Schnitt schlechter bezahlt als Männer – selbst für gleiche Arbeit. Zum "Equal Pay Day", der auf die Lohnlücke zwischen Mann und Frau hinweist, forderten die Gewerkschaften vehement, die Kluft bei der Bezahlung mit mehr Tempo als bisher zu schließen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) suchte den Schulterschluss mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund – und kündigte gesetzliche Regelungen an.
DGB pocht auf Veränderungen
Frauen verdienten hierzulande nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2022 im Schnitt 18% weniger pro Stunde als Männer – auch weil Frauen oft in schlechter bezahlten Berufen und in Teilzeit arbeiten. Bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie verdienten Arbeitnehmerinnen im Mittel pro Stunde 7% weniger als Männer. DGB-Chefin Yasmin Fahimi pochte auf Veränderung. "Wir brauchen jetzt Entscheidungen der Politik", sagte sie bei einer DGB-Aktion am Brandenburger Tor in Berlin. Fahimi wies auf das langsame Schrumpfen der Entgeltlücke zwischen Mann und Frau hin – seit dem Start der offiziellen Aufzeichnung im Jahr 2006 laut Statistischem Bundesamt sank sie nur um fünf Prozentpunkte. "Wenn das so weiter geht, dann brauchen wir noch 61 Jahre, bis wir endlich zur Entgeltgleichheit gefunden haben", sagte die DGB-Chefin. Das sei nicht akzeptabel.
Heil verspricht entschlossenes Handeln
Bundesarbeitsminister Heil, der auch bei der DGB-Aktion zugegen war, sagte, es sei beschämend, "immer noch hier stehen zu müssen". So seien etwa bei Erziehung und Pflege, bei Floristinnen, im Friseurbereich oder der Gastronomie besonders oft Frauen zu niedrigen Löhnen beschäftigt. Dies müsse anders werden. "Es ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit", so der Minister. In Zeiten von Fachkräftesicherung gebiete dies auch die ökonomische Vernunft. Ausgerechnet in Alten- und Krankenpflege, in Kitas und Sozialarbeit klaffen laut einer neuen Erhebung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) die größten Fachkräftelücken – Berufe, in denen vor allem Frauen arbeiten. Fahimi sagte, schlechte Arbeitsbedingungen sorgten dafür, dass Frauen ihre Arbeitszeit oft noch reduzieren.
Zwei Gesetze sollen helfen
Konkret forderte Fahimi, das "verunglückte Entgelttransparenzgesetz" zu verbessern. Mit dem Gesetz können Beschäftigte Auskunft über den Verdienst von Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbaren Aufgaben fordern. Jedoch gilt der Anspruch nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Zudem forderte Fahimi ein Verbandsklagerecht, mit dem Gewerkschaften Arbeitnehmerinnen unterstützen könnten, die ihre Rechte aus dem Gesetz einklagen wollen. Heil bekräftigte, seine Regierung werde das Entgelttransparenzgesetz unter Federführung von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verbessern. Betroffene sollten sich dann vor Gericht von Dritten vertreten lassen können.
Heil will Tarifbindung in Frauenberufen stärken
Doch die Position von Frauen im Job muss nach Heils Vorstellungen auf verschiedene Weise gestärkt werden. So müsse die Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden. Und: "Es sind vor allem die Branchen, in denen Frauen arbeiten, in denen die Tarifbindung zu dünn ist", sagte er. "Deshalb werde ich noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Stärkung der Tarifbindung vorlegen", bekräftigte Heil. Auch auf Bundesebene sollten öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen gehen.
Männerdomäne Vorstand
Die Benachteiligung von Frauen im Job hat viele Facetten. Auf der Karriereleiter stoßen sie vor allem bei größeren Unternehmen auf Widerstände. Das zeigt eine neue Erhebung der Auskunftei Schufa. Demnach sind knapp 31% aller Gewerbetreibenden und freiberuflich tätigen Personen weiblich. Dagegen sitzt nur in rund 20% der untersuchten Personen- und Kapitalgesellschaften mindestens eine Managerin in der Führungsetage. "Bei dem jetzigen Tempo müssten wir bis 2070 warten, bis in der Hälfte aller deutschen Unternehmen eine Frau in der ersten Führungsebene sitzt", sagte Schufa-Chefin Tanja Birkholz. In kleineren Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten ist nur mehr als jede vierte Führungskraft weiblich. Das zeigen Daten des Informationsdienstleister Crif. Bei 101 bis 500 Beschäftigten sinkt die Quote auf 12,3%. Bei großen Konzernen sieht es demnach wieder etwas besser aus.
Einkommensunterschiede im Rentenalter
Im Rentenalter verschärfen sich die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau noch. Mit Jahreseinkünften von 17.814 Euro brutto lagen Frauen im Alter ab 65 Jahren 2021 deutlich hinter den gleichaltrigen Männern, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Diese kamen auf 25.407 Euro. Das Einkommensgefälle betrug damit 29,9%. Wegen der geringeren Einkünfte sind Frauen im Alter eher armutsgefährdet und häufiger durch Wohnkosten überlastet als Männer.
Meinung der Bevölkerung gespalten
In der Bevölkerung wird das Thema Benachteiligung von Frauen unterschiedlich bewertet. Die Hälfte der Deutschen hält sie einer Umfrage zufolge für ein großes Problem. Fast genauso viele sehen das nicht so. Wie eine repräsentative Befragung für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung ergab, zeigen sich je nach Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutliche Unterschiede. Für politische Maßnahmen zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit gibt es demnach eine knappe Mehrheit. So würden es 51% befürworten, wenn in großen Unternehmen Aufsichtsratsposten zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt werden müssten. Ein Viertel sei dagegen, etwa genauso viele unentschieden.
Weiterführende LinksAus der Datenbank beck-online- Studie: Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei Lohn und Sorgearbeit steigen bis zur Lebensmitte stark an, FD-ArbR 2023, 456036
- Abweichung von Equal Pay durch Tarifvertrag, SPA 2023, 39
- Prehm/Hellenkemper, Eine Bewertung von Frauenquoten aus arbeitsrechtlicher Sicht, NZA 2012, 960
Aus dem Nachrichtenarchiv- Equal Pay Day: djb fordert weitere gesetzliche Maßnahmen zur Abschaffung der Lohnungleichheit, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 18.03.2020, becklink 2015768
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