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Baurecht vs. Naturschutz: Bachstelzen brauchen keine Hütte

Redaktion beck-aktuell
Der Traum vom Ei­gen­heim ist aus – je­den­falls für brü­ten­de Bach­stel­zen­paa­re in einem nie­der­säch­si­schen Na­tur­schutz­ge­biet. Ihre Holz­hüt­te muss weg. Sie hät­ten genug Aus­weich­mög­lich­kei­ten, meint das OVG Lü­ne­burg.

Die bußgeldbewehrte Beseitigungsanordnung für eine Holzhütte mit Nisthilfe für Bachstelzen führt für den Eigentümer zu keiner Pflichtenkollision: Die Beseitigung sei keine Ordnungswidrigkeit nach dem BNatSchG, wenn der übrige Lebensraum die beeinträchtigten Nistmöglichkeiten auffängt, so das OVG Lüneburg (Beschluss vom 05.09.2025 – 4 LA 145/22).

Im Februar 2019 ordnete das zuständige Bauamt die Beseitigung einer Holzhütte im Naturschutzgebiet "Ziegeunerwäldchen" [sic] an. Doch der 4x6 Meter große, nach einer Seite offene Unterstand war bereits das traute Heim eines Bachstelzenpaares. Der Grundstückseigentümer sah sich deshalb in der Bredouille: Käme er dem Bescheid nach, würde er gleichzeitig wegen der Beseitigung einer "Fortpflanzungs- oder Ruhestätte" gegen § 44 BNatSchG verstoßen, meinte er. Wegen dieser Pflichtenkollision sah er sich außerstande, der Anordnung Folge zu leisten, und erhob Widerspruch.

Nachdem dieser erfolglos geblieben war, klagte der Grundstückseigentümer. Das VG Hannover gab jedoch der Behörde recht: In der Tat bestehe eine Pflichtenkollision, es sei aber Sache des Eigentümers, diese aufzulösen. Er habe nach dem BNatSchG etwa "vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen" bzw. eine Ausnahmegenehmigung beantragen müssen. Das Gericht ließ eine Berufung nicht zu, weswegen sich der Eigentümer nun an das OVG Lüneburg wandte. Dort hatten die Richterinnen und Richter keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und lehnten den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.

"Ökologische Gesamtsituation" bleibt gleich

Der 4. Senat des OVG sah – anders als das VG – schon keinen Konflikt zwischen der Pflicht aus der Abrissverfügung und einem vermeintlichen Abrissverbot aus dem BNatSchG. Eine Beseitigung verstoße nicht gegen § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, wenn die "ökologische Funktion" der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang vollständig erhalten bleibe. Der Lebensraum müsse dafür nicht 1:1 gewahrt werden, die ökologische Gesamtsituation dürfe sich aber nicht verschlechtern.

Das VG sei davon ausgegangen, dass es neben dem Holzunterstand keine geeigneten Nistalternativen gebe. Das sah der Senat anders: Die Bachstelze niste in einer ganzen Reihe von Plätzen, so etwa in Halbhöhlen und Nischen mit Ausblick auf die Umgebung, aber auch in Bodennestern, an Böschungen, Felsen, Stützmauern, Dachfirsten oder Holzbalken. Nistplatztreue sei dabei eher selten; viel häufiger würden die Tiere ihre Brutorte wechseln. Für den Holzunterstand folge daraus, dass die darin aufgehängte Nisthilfe wohl eher jedes Jahr neu von einem neu gebildeten Brutpaar besetzt werde, sie also saisonal neu gegründet werde.

Im größtenteils naturnahen Waldrest finde sich vor diesem Hintergrund eine Vielzahl alternativer Nistmöglichkeiten, so das Gericht. Außerdem könne die Nisthilfe außerhalb der Hütte wieder aufgehangen werden, etwa an nahe gelegene Holzpfähle.

Eigentümer müsste tätig werden

Selbst wenn man von einer Pflichtenkollision ausgehe, sei es in der Tat Sache des Eigentümers, diesen Konflikt aufzulösen. Zwar benötige es keinen vorherigen Antrag von (vorgezogenen) Ausgleichsmaßnahmen (§ 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG), er habe diese aber durchaus nachträglich beantragen können. Die Behörde sei insoweit nicht von selbst tätig geworden, da sie keine negativen Auswirkungen der Beseitigung erwartet hatte.

Ergänzend wies der Senat darauf hin, dass es nicht die Hütte selbst war, die den Bachstelzen als Nistplatz diente, sondern die darin aufgehangene künstliche Nisthilfe. Schon deshalb könne die Abrissverfügung, wenn der Eigentümer sie befolgt, zu keinem ordnungswidrigen Verhalten führen. 

Mehr zum Thema

Aus der Datenbank beck-online

OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.09.2025, BeckRS 2025, 23435 (ausführliche Gründe)

VGH Kassel, Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Vergrämung der Haselmaus von Eingriffsflächen, BeckRS 2023, 2163

EuGH, Schutz von Fortpflanzungsstätten und des erforderlichen Umfelds vor Beschädigung oder Vernichtung, NVwZ 2022, 49

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