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Über 200.000 Euro an Sozialgeldern veruntreut: Schadensersatzanspruch des Bundes verjährt

BVerwG
Statt auf den Kon­ten der Hilfs­be­dürf­ti­gen lan­de­ten 230.517 Euro an Un­ter­halts­vor­schüs­sen auf dem Konto einer Bran­den­bur­ger Sach­be­ar­bei­te­rin. Der Bund for­der­te sei­nen Teil daran vom Land zu­rück, kommt damit aber zu spät, wie nun das BVer­wG klar­stellt.

Nach der Veruntreuung von Bundesmitteln durch eine Sachbearbeiterin hätte das Land Brandenburg dem Bund für dessen Anteil der Gelder gehaftet (Verstoß gegen die ordnungsmäßige Verwaltung, Art. 104a Abs. 5 GG). Allerdings sei – so das BVerwG - die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) auch auf öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche zwischen Bund und Ländern anwendbar. Diese habe hier mit der erstmaligen Kenntnis des Bundes vom Strafurteil über die Sachbearbeiterin begonnen, nicht erst mit der Verjährung etwaiger Regressansprüche. Im Ergebnis war der Anspruch gegen das Land Brandenburg damit verjährt (Urteil vom 10.04.2025 – 3 A 1.23).

Die Veruntreuung von Bundesgeldern in Sozialstellen ist kein Einzelfall. Immer wieder sorgen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter für Schlagzeilen, indem sie anvertraute Gelder in die eigenen Taschen fließen lassen. Ob bar bezahlte Gebühren, die mutmaßlich in mysteriösen Briefumschlägen landen oder unerlaubte Betankungen auf Staatskosten – die Begehungsweisen sind vielfältig.

Landkreis forderte keinen Schadensersatz

Ein Fall aus Brandenburg hat es nun vor die höchste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit geschafft. Eine Sachbearbeiterin der Unterhaltsvorschussstelle des Landkreises Oder-Spree hatte die monatlichen Abrechnungen so manipuliert, dass von 2006 bis 2011 insgesamt 230.517 Euro auf ihre eigenen Konten überwiesen wurden. Nachdem sie im Sommer 2011 dafür fristlos entlassen worden war, verurteilte das LG Frankfurt (Oder) sie unter anderem wegen gewerbsmäßiger Untreue in 20 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Schadensersatzansprüche machte der Landkreis gegen sie allerdings nicht geltend.

Das Land Brandenburg versuchte im Dezember 2022 noch, den Landkreis in voller Höhe für die veruntreuten Gelder haften zu lassen. Das LG Frankfurt (Oder) wies diese Klage jedoch ab. Nun war es der Bund, der Schadensersatz begehrte – dieses Mal vom Land Brandenburg. Da Unterhaltsvorschüsse zu einem Drittel vom Bund getragen werden, verlangte dieser im November 2023 seinen Anteil zurück. Das Land berief sich dagegen auf die Verjährung. 

Während der Anspruch dem Grunde nach unstreitig war, blieb zunächst unklar, wann die Verjährungsfrist begonnen haben könnte. Der Bund behauptete, dass die Verjährung erst dann begonnen habe, als mögliche Regressansprüche gegen die Sachbearbeiterin verjährt gewesen seien. Das Land stellte auf einen früheren Zeitpunkt ab, und zwar auf eine Mail an den Bund aus 2015, in der er von der Verurteilung der Sachbearbeiterin unterrichtet worden war. Schließlich hatte das BVerwG zu entscheiden und schlug sich im Ergebnis auf die Seite Brandenburgs.

Große Forderung, normale Verjährung

Wie der 3. Senat ausführte, hafte das Land der BRD dem Grunde nach durchaus auf Schadensersatz. Aus Art. 104 Abs. 5 GG ergebe sich unmittelbar, dass Bund und Länder gegenüber einander "für eine ordnungsgemäße Verwaltung" haften. 

Der Bund war der Auffassung, die relevante Pflichtverletzung des Landes habe darin gelegen, den Landkreis Oder-Spree nicht ausreichend dazu bewegt zu haben, Schadensersatz gegenüber der Sachbearbeiterin geltend zu machen. Insoweit widersprach das BVerwG. Die Pflicht des Landkreises, Regressansprüche gegen die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchzusetzen, diene gerade nicht den Interessen des Bundes. Darauf könne er den Ersatzanspruch daher nicht stützen. Stattdessen hafte das Land aber schon für die Verfehlung der Sachbearbeiterin, deren Handeln es sich zurechnen lassen müsse.

BGB-Grundkurs in Verjährungsvorschriften

Für die Frage der Verjährung stellte der Senat zunächst klar, dass die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB auch auf öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche des Bundes gegen die Länder Anwendung finde. Es gebe keine ausführliche Regelung zur Verjährung des Ersatzanspruchs, weder im Grundgesetz noch in Ausführungsgesetzen. Gemäß den einschlägigen Verjährungsvorschriften komme es daher darauf an, ab welchem Zeitpunkt der Schadensersatzanspruch entstanden sei (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Bund von den entsprechenden Umständen Kenntnis erlangt habe oder habe erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Der Schadensersatzanspruch sei hier in den 20 Veruntreuungsfällen jeweils einzeln entstanden. Es komme daher hier auf jede einzelne monatliche Zahlung zwischen 2006 und 2011 an. Das Gericht betonte, dass es daher auch nicht auf den späteren Zeitpunkt ankommen könnte, ab dem die Regressansprüche gegen die Sachbearbeiterin wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar gewesen seien. Der Bund hatte geltend gemacht, dass erst die Schwelle von reinem Vermögensrisiko zur tatsächlichen Schädigung erst dann überschritten sei. Das BVerwG hielt dem nun entgegen, dass ein Regress nur die Wiedergutmachung des Schadens betreffe, nicht jedoch seine Entstehung. Endgültig Kenntnis erlangt habe der Bund sodann mit der Information über die strafrechtliche Verurteilung.

Erfolglos hatte der Bund auch geltend gemacht, durch den Schriftverkehr mit Brandenburg sei die Verjährung inzwischen noch bis ins Jahr 2020 gehemmt worden. In der Tat führten Verhandlungen über den Anspruch zu einer Hemmung der Verjährung, so der Senat, die Hemmung sie hier allerdings deutlich früher beendet worden als seitens des Bundes behauptet: Im August 2017 machte der Bund den entstandenen Schaden geltend, woraufhin das Land um nähere Erläuterung bat. Die gelieferte Erläuterung bezweifelte das Land wiederum, woraufhin der Bund April 2018 auf Nachfrage deutlich machte, dass eine Abtretung des vermeintlichen Anspruchs gegenüber dem Landkreis nur gegen Zahlung des geforderten Anteils möglich sei. Das BVerwG sah bereits in dieser Aussage eine endgültige Weigerung, die die Verhandlungsgespräche beendet hatte.

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