Die GFF läutet die nächste Runde im Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Rechts der Bundesnachrichtendienste ein. Nachdem das BVerfG 2023 eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung genommen hat, klagt sie nun vor dem EGMR.
Verstößt das BNDG gegen Menschenrechte? Das wird sich bald in Straßburg klären. Gemeinsam mit der Organisation Reporter ohne Grenzen hat die GFF Beschwerde gegen Deutschland beim EGMR erhoben. Konkret richtet sich die Beschwerde gegen einen Nichtannahmebeschluss des BVerfG. Nachdem es immer wieder Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt hatte, lehnte das BVerfG es ab, die Novelle des Gesetzes aus dem Jahr 2021 noch einmal verfassungsrechtlich zu überprüfen.
Ziel der Beschwerde in Straßburg sei eine Feststellung, dass das BNDG das Recht auf Privatleben (Art. 8 EMRK) sowie die Pressefreiheit (Art. 10 EMRK) verletze, heißt es nun in einer Presseerklärung der GFF. "Das Bundesverfassungsgericht wollte nicht in der Sache darüber entscheiden, ob der Bundestag die vom Gericht selbst aufgestellten Maßstäbe für das Recht des Auslandsgeheimdienstes eingehalten hat", kommentiert Bijan Moini, Verfahrenskoordinator und Legal Director der GFF. Das Gesetz enthalte in seiner jetzigen Fassung jedoch Grundrechtsverstöße, etwa schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre. "Gut, dass es mit der Europäischen Menschenrechtskonvention ein europäisches Schutzsystem für Grundrechte gibt – daher ziehen wir jetzt erstmals nach Straßburg", so Moini.
Journalisten schließen sich Klage an
Als Eingriff in die Privatsphäre bezeichnet die GFF unter anderem das Recht des Bundesnachrichtendienstes (BND), unter Umständen Staatstrojaner einzusetzen. Die NGO kritisiert zudem, dass der "eigentlich für das Ausland zuständige Geheimdienst" auch im Inland agieren dürfe, soweit es um sogenannte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation gehe. Die Klage entspreche inhaltlich der Verfassungsbeschwerde der beiden Organisationen. Übergreifendes Ziel ist es laut Mitteilung, die Arbeit der Geheimdienste auf den Boden des Grundgesetzes zurückzuholen.
Auch mehrere Journalistinnen und Journalisten hätten sich der Klage angeschlossen. "Das BND-Gesetz ermöglicht immer noch die umfassende Überwachung von Medienschaffenden, vor allem außerhalb Deutschlands, und gefährdet damit die Pressefreiheit", sagte Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen. "Die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz der Presse- und Informationsfreiheit müssen auch in Deutschland beachtet werden."
Der lange Weg zum verfassungsgemäßen BNDG
Die Verfassungsbeschwerde, die das BVerfG 2023 nicht zur Entscheidung angenommen hatte, ist nicht die erste Klage der beiden Organisationen gegen das Recht der Bundesnachrichtendienste. Bereits 2020 erzielten sie einen Erfolg beim BVerfG, das Teile des damaligen BNDG für verfassungswidrig erklärte.
Daraufhin wurde das Gesetz novelliert. Das überarbeitete BNDG war im März 2021 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschlossen worden. Im Januar 2023 hatten die GFF und andere Organisationen dann erneut Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie der Ansicht waren, dass die Novelle nicht alle Vorgaben des BVerfG berücksichtigt hatte. Bereits davor, im September 2022, hatte das BVerfG bestimmte Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt (Beschluss vom 28.09.2022 - 1 BvR 2354/13). Auch dieses Urteil hatte Auswirkungen auf das BNDG, da einige dieser Regelungen auch für den BND gelten. In der Folge dieser Entscheidung gab es Mitte 2023 erneut einen Reformvorschlag für das BNDG.
Doch damit nicht genug. Erst im Oktober 2024 entschied das BVerfG über zwei weitere Verfassungsbeschwerden der GFF und anderer Organisationen, diesmal aus dem Jahr 2015. Dem BVerfG zufolge verstießen die Befugnisse des BND bei der Überwachung internationaler Kommunikation wegen möglicher Cybergefahren ebenfalls in Teilen gegen das Grundgesetz (Beschluss vom 08.10.2024 – 1 BvR 1743/16, 1 BvR 2539/16).