Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Scheiftleitung
Abgeordnete von AfD und Linken wollen mit Eilanträgen beim BVerfG verhindern, dass der Bundestag noch in seiner alten Besetzung das Grundgesetz ändert, um fast eine Billion Euro Schulden für Verteidigung und Infrastrukturen aufnehmen zu können. Die Verteidigungsschriften von Regierung und Parlament liegen beck-aktuell vor.
Fünf Abgeordnete der AfD wollen in Karlsruhe die Sondersitzungen des alten Parlaments an diesem Donnerstag, dem 13.3., sowie am Dienstag drauf, den 18.3., verbieten lassen. Der Bundesrat könnte, wenn dort genug Länder mitspielen, am 21.3. das Ganze absegnen. Vertreten werden sie durch einen der Kläger selbst – Christian Wirth, der auch Rechtsanwalt ist. Für die Linken wollen ihre Vorsitzenden Jan Paul van Aaken und Ines Schwerdtner sowie die "Vorfraktion" im neugewählten Bundestag nebst deren Chefs Heidi Reichinnek und Sören Pellmann die geplanten Verfassungsänderungen stoppen. Sie haben den Kasseler Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano als Bevollmächtigen ausgewählt.
Außerdem klagt ein partei- und erfolgloser Bewerber für ein Mandat, der auf Art. 38 GG pocht, welcher das Wahlrecht und die Unabhängigkeit der Abgeordneten garantiert. Die sich anbahnende Koalition von CDU/CSU und SPD benötigt zur Lockerung der Schuldenbremse und zum Aufbau eines kreditfinanzierten "Sondervermögens" allerdings die Mithilfe von Grünen oder FDP, um die nötige Zweidrittel-Mehrheit zu stemmen. Für den 25.3. hat die noch amtierende Präsidentin Bärbel Bas (SPD) die frisch gewählten Volksvertreter zur konstituierenden Sitzung zusammengerufen.
"Unzulässig und offensichtlich unbegründet"
Für den Bundestag und Bärbel Bas wirft sich nun der Göttinger Rechtswissenschaftler Frank Schorkopf in die Bresche. Auf 39 Seiten nebst umfangreichen Anhängen kommt er zu dem Schluss: Schon die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seien "unzulässig und offensichtlich unbegründet": Sie hätten keine Aussicht auf Erfolg und seien daher nach § 24 BVerfGG zu verwerfen. Hilfsweise falle eine Folgenabwägung gegen den Erlass einer solchen Anordnung aus. Zum Hauptsacheverfahren argumentiert er, die Verfassungsbeschwerde sei nicht zur Entscheidung anzunehmen. "Sie ist bereits unzulässig und in jedem Fall unbegründet."
So seien einige der Antragsteller jetzt erst gewählt worden, daher vor dem Zusammentritt des neuen Bundestags noch nicht dessen Mitglieder "und deshalb auch nicht ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil", schreibt Schorkopf. Die 30-Tage-Frist für die erstmalige Einberufung sei noch nicht abgelaufen "und das Datum des Zusammentritts des 21. Deutschen Bundestages ist auf den 25. März 2025, 11.00 Uhr festgesetzt". Auch die künftige Linken-Fraktion sei noch nicht "parteifähig".
Außerdem seien die Anträge auf Rechtsfolgen gerichtet, die im Organstreitverfahren nicht bewirkt werden könnten. Denn dieses ermögliche keine abstrakte Normenkontrolle. Der Hinweis auf Art. 39 GG, der Wahlperiode, Zusammentritt und Sitzungen regelt, zieht für den Göttinger Rechtslehrer ebensowenig: "Abgeordnete haben hingegen kein Recht auf ein Nichtzusammentreten des Deutschen Bundestages."
Legitimation des Bundestages endet nicht mit Wahl
Eine verringerte Legitimität des eigentlich abgewählten Parlaments bestreitet Schorkopf: "Die Wahlperioden sind nicht durch eine 'parlamentslose Zeit' unterbrochen, sie folgen vielmehr nahtlos aufeinander." Die demokratische Legitimation für jede Wahlperiode folge aus der vorherigen Wahl, die mit fortschreitender Zeit weder zu- noch abnehme. Weshalb er auch dem späteren Hauptsacheverfahren keine Chance einräumt. Zumal es im Ermessen der Bundestagspräsidentin liege, innerhalb der 30-Tage-Frist noch die alte Volksvertretung einzuberufen.
Und schließlich: "Der Zeitplan für die beabsichtigte Grundgesetzänderung ermöglicht angemessene Information und Beratung." Womit der Wissenschaftler eine Parallele zur "Heilmann-Entscheidung" ablehnt, in der das BVerfG die Zeit für Beratungen des sogenannten Heizungsgesetzes für zu knapp bemessen befunden hatte. Damit liege auch kein Rechtsmissbrauch vor.
Die Bundesregierung hat zu ihrer Verteidigung den Berliner Juraprofessor Alexander Thiele aufgeboten. Auf 42 Seiten befasst er sich ausschließlich mit dem Vorstoß aus den Reihen der AfD. Aber auch sein Fazit lautet: Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seien umfassend zurückzuweisen. "Das Vorgehen der Antragsgegner ist vollständig verfassungsgemäß, das Verfahren in der Hauptsache offensichtlich unzulässig und auch in der Sache unbegründet. Unbeschadet dessen fiele auch eine andernfalls anzustellende Folgenabwägung zu Lasten der Antragsteller aus."