Staat und Verwaltung müssen digitaler werden – ein Prozess mit vielen Implikationen. Das gemeinsame Papier dreier Digitalisierungs-Organisationen identifiziert die Stellschrauben für eine neue Bundesregierung. Sie fordern auch, den Gesetzgebungsprozess neu zu denken.
"Deutschland 2029 – Digitalpolitische Gelingensbedingungen für einen zukunftsfähigen Staat und eine resiliente Gesellschaft" heißt das Papier dreier Organisationen, die sich in Deutschland mit der Digitalisierung von Staat und Verwaltung befassen. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen und der gemeinnützigen Initiative D21 hat der DigitalService des Bundes, der u.a. hinter dem Projekt "Zivilgerichtliches Online-Verfahren" steht, am Dienstag Handlungsempfehlungen für die künftige Bundesregierung veröffentlicht.
In dem Papier fordern sie neben einem Bundesministerium für Digitalisierung auch mehr Digitalkompetenz bei Verwaltungsmitarbeitenden und eine grundlegende Neugestaltung von Gesetzgebungsprozessen. "Um ein digitales Deutschland für alle voranzubringen, braucht es einen ganzheitlichen Wandel in der Bundesverwaltung", kommentiert Christina Lang, CEO DigitalService des Bundes, in einer Presseerklärung. "Das umfasst Strukturen und Kompetenzen, die einer digitalen Welt gerecht werden. Die Zeit, diesen Wandel zu gestalten, ist jetzt."
Interdisziplinäre Gesetzgebung, befähigte Verwaltung
Digitaler Wandel erfordert digitale Kompetenzen – und die sehen die Urheber des Papiers in erster Linie durch interdisziplinäre Teams gesichert. Es müsse deshalb ein Kulturwandel beim Kompetenzaufbau von Verwaltungsbeschäftigten stattfinden. "Digitale Kompetenzen stärken – das ist keine Kür, sondern Grundvoraussetzung für gesellschaftliche, wirtschaftliche und demokratische Teilhabe", kommentiert Stefanie Kaste, stellv. Geschäftsführerin der Initiative D21. Geschultes Personal solle zudem mit digitalen Tools, Schnittstellen und Cloud-Infrastruktur arbeiten, die der Verwaltung künftig zur Verfügung stehen müssten.
Doch nicht nur in der Verwaltung solle die Digitalkompetenz gefördert werden, auch bei Gesetzgebungsprozessen sehen die Organisationen Nachholbedarf. Gesetze müssten in Zukunft digitaltauglich und praktisch umsetzbar sein. Daher, so das Papier, müsse die Art und Weise, wie sie entstehen, grundlegend anders werden. Um den Gesetzgebungsprozess moderner und effektiver gestalten können, erfordere es interdisziplinäre Teams. Digital-Expertinnen und Experten sollen für nutzerorientierte Werkzeuge sowie technologiegestützte und transparente Prozesse sorgen.
Zudem sollten auch Betroffene der Gesetzgebungsakte in den Prozess eingebunden, der Vollzug der Gesetze solle von Anfang an mitgedacht werden. "Digitale Innovation kann Treiber sein, um unseren Staat zukunftsresilient zu gestalten. Grundlage dafür ist eine Gesetzgebung, die digitale Chancen nutzt", so Jörg Resch, Innovation Manager bei der Bundesagentur für Sprunginnovationen.
Kompetenzen bündeln – Finanzen auch
Ziel des Papiers ist es laut den Organisationen, die Voraussetzungen zu identifizieren, die eine künftige Bundesregierung wird erfüllen müssen, um die "Zukunftsresilienz Deutschlands zu stärken", wie es in dem Papier heißt. Umbrüche angesichts rasanter technologischer Entwicklungen und globaler Herausforderungen erforderten nicht nur mehr Digitalisierung als Schlüssel zu mehr Resilienz, sondern auch, dass der Staat als "digitaler Ermöglicher" agiere.
Dafür bedürfe es eines Ministeriums, das zentral die Verantwortung für Digitalisierungsprozesse übernehme. Auch einheitliche Gesetzgebungs- und Regelungskompetenzen seien erforderlich. Die Verantwortlichkeiten für Verwaltungsdigitalisierung müssten grundsätzlich neu strukturiert werden. Besonders wichtig sei dafür eine bundesweit einheitliche technische Infrastruktur.
Allerdings – so betonen die Organisationen – sei es ebenso wichtig, eine leistungsfähige nachgeordnete Ebene zu etablieren. Während sich das Ministerium um politische Beratung, Gesetze und strategische Priorisierung von Mitteln kümmern solle, werde diese Ebene operativ ausgerichtet sein.
Schließlich müssten auch langfristige und effektive finanzielle Strukturen geschaffen werden, sodass Digitalisierungsprojekte bei finanziellen Engpässen nicht auf Eis gelegt würden. Die Urheber des Papiers fordern deshalb ein gemeinsames, ressortübergreifendes Digitalbudget.
Den Zugang zu digitalen staatlichen Angeboten sichern
Ein weiterer Schwerpunkt des 34-seitigen Papiers betrifft den Zugang für Bürgerinnen und Bürger zum "Staat als digitalen Dienstleister", der die Werte der Demokratie in die moderne Zeit übertragen könne und dadurch eine inklusive, souveräne und selbstbestimmte Gesellschaft unterstützte.
Um das zu erreichen, sollten Bund und Länder eng zusammenarbeiten und den Bürgerinnen und Bürgern Angebote zum Ausbau ihrer eigenen Digitalkompetenz machen. Staatliche Angebote müssten zwingend niedrigschwellig und nutzerorientiert sein.
Initiator entwickelt auch Online-Verfahren
Die DigitalService GmbH des Bundes ist eine hundertprozentige Tochter des Bundesinnenministeriums und realisiert Digitalisierungsprojekte des Bundes. DigitalServices steht auch hinter Projekten wie dem Neuen Rechtsinformationssystem (NeuRIS), wo Gesetze und Urteile veröffentlicht werden sollen, und dem Digitalcheck, einem Tool zur Unterstützung der Verwaltung. Sie entwickelt außerdem die digitale Infrastruktur für ein sogenanntes "Zivilgerichtliches Online-Verfahren".
Die Initiative D21 e.V. ist ein gemeinnütziges Netzwerk aus Wirtschafts-, Politik, und Wissenschaftsvertretern, das sich für eine digitale Gesellschaft einsetzt und regelmäßig Empfehlungen an die Politik abgibt. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen des Bundesbildungsministerium fördert Erfindungen und Entwicklungen durch Wettbewerbe.