Wird eine paranoide Schizophrenie im Zielland nicht schulmedizinisch behandelt, kann dem VG Hannover zufolge ein Abschiebungsverbot bestehen. Gebetscamps, in denen solche Patienten angekettet würden und fasten müssten, seien jedenfalls unzumutbar.
Ein Ivorer reiste 2004 in Italien ein und siedelte 2015 nach Deutschland über. Er litt unter einer paranoiden Schizophrenie und unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Sein Asylantrag wurde abgelehnt und das BAMF wollte ihn nun in sein Heimatland abschieben, weil die Behörde rein wirtschaftliche Gründe für seine Einreise annahm. Dagegen wehrte der Mann sich erfolgreich vor dem VG Hannover.
Nach Ansicht der 10. Kammer (Urteil vom 19.12.2024 – 10 A 2073/23) liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor, weil dem Mann wegen seiner Krankheit sowohl Stigmatisierung als auch Diskriminierung in seiner Heimat drohe. So sei er bereits als Kind in einem sogenannten Gebetscamp untergebracht worden, in dem er angekettet worden sei und in Tierblut getränkte Lebensmittel habe essen müssen.
Psychisch Kranke werden exorziert
Auch heutzutage werden nach Ansicht der Einzelrichterin psychisch kranke Kinder noch als Hexenkinder oder Schlangenkinder bezeichnet. Katholische Priester würden nach wie vor den Exorzismus an ihnen betreiben. Das VG stützte sich dabei auf eine aktuelle Veröffentlichung des Französischen Amts für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen sowie eine Dokumentation der WHO. Schulmedizinische Behandlung und entsprechendes Personal hingegen gebe es lediglich rudimentär und sein Einsatz sei in der Regel – jedenfalls voraussichtlich für den Asylbewerber – unerschwinglich.
Das VG ging davon aus, dass der gänzlich alleinstehende Mann nach seiner Abschiebung keine Medikamente mehr erhalten und dann vermehrt unter Angstzuständen und Wahnvorstellungen leiden würde. Da die Krankheit auch seine Funktionalität beeinträchtige, sah ihn die Richterin dann binnen Kurzem arbeits- und wohnungslos. Auch diese prekäre Lage begründe das Abschiebungsverbot (Urteil vom 19.12.2024 - 10 A 2073/23).
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