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Wahlprogramm-Check III: Was die Parteien rechtspolitisch ausmacht

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, Denise Dahmen, Joachim Jahn, Pia Lorenz
Im ihrem Wahl­pro­gramm ver­kau­fen die Par­tei­en mehr als nur die har­ten The­men. Sie sen­den Bot­schaf­ten und set­zen Ak­zen­te, die auch rechts­po­li­tisch die Rich­tung vor­ge­ben. Unser Blick auf diese Zwi­schen­tö­ne: Mit wel­chem Uni­que Sel­ling Point tre­ten die Par­tei­en zur Wahl an?

In Teil I und Teil II unseres Wahlprogramm-Checks haben wir die rechtspolitischen Pläne der größten Parteien, die bei der Bundestagswahl antreten, unter die Lupe genommen. Doch die Themen sind im Wahlprogramm eben nicht alles. Abseits einzelner Wahlversprechen: Wo liegt ihr jeweiliger Markenkern?

SPD: unaufgeregt – aber erwartbar

Obwohl sie bereits auf Seite eins ihres Wahlprogramms anerkennt, dass "wir in schwierigen Zeiten leben", gibt sich die SPD betont optimistisch, aufgeschlossen und zukunftsgewandt. Jedes Kapitel ihres Programms beginnt mit den Worten "Wir kämpfen". Investitionsfreudig, pro-europäisch und gewohnt solidarisch scheinen die Sozialdemokraten ihrem Markenkern treu zu bleiben. Das Thema soziale Gerechtigkeit dominiert – aber auch Bürokratieabbau und Digitalisierung haben ihren Weg in das Wahlprogramm der SPD gefunden.

Auffällig: Bei ihrem rechtspolitischen Programm setzt die SPD auf Harmonisierung und wendet sich gegen Alleingänge der Bundesländer. So müsse etwa die Digitalisierung der Justiz unbedingt mithilfe bundesweit einheitlicher oder jedenfalls kompatibler Systeme erfolgen. Auch beim Thema Befugnisse von Ermittlungsbehörden dringt die SPD auf Einheit. Föderale Unterschiede im Bereich des Polizei- und Versammlungsrechts müssten harmonisiert werden. Mit der zunehmenden Zahl an Rechtsakten der EU und er damit einhergehenden Bürokratie hat die SPD – anders als andere Parteien – kein Problem. Immer wieder bekennt sie sich zu verschiedenen europäischen Vorhaben und plant, aktuelle Rechtsakte eins zu eins umzusetzen. Insgesamt ein Programm, das in vielen Teilen erwartbar, oft erfrischend unaufgeregt und manchmal ein klein wenig uninspiriert wirkt – in Sachen Rechtspolitik aber viele wichtige Themen auf dem Zettel hat.

Bündnis 90/Die Grünen: Bürgerlich, europäisch, digital

Einen konstruktiven Angang wählt auch die zweite aktuelle Noch-Regierungspartei im bislang vorliegenden Entwurf ihres Wahlprogramms. Die Grünen legen dar, was sie tun wollen – nicht, was es nicht mehr geben soll. Dahinter scheint mehr Message zu stecken als der naturgemäße Wunsch nach Fortsetzung der eigenen Regierungsarbeit: Die ehemalige Ökopartei betont Kraft und Zusammenhalt, formuliert positiv und zukunftsgerichtet.

Ihr traditioneller Markenkern zieht sich zwar durch alle Themen, wird aber bei weitem nicht mehr so stark betont wie bisher. Der Klima- und Umweltschutz ist die Basislinie des grünen Programms, die Vorschläge stellen aber die unmittelbaren Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund: eine starke Wirtschaft in einem funktionierenden und sicheren Sozialstaat für alle, das ist das Versprechen der Grünen. Der Entwurf zum "Regierungsprogramm" unter dem Motto "Zusammen wachsen" will das Programm einer bürgerlichen Partei nur knapp links von der Mitte sein.

Neben dem Klima- und Umweltschutz ziehen sich zwei Ideen durch den gesamten Wahlprogrammentwurf. Die Grünen setzen in fast allen Kontexten auf eine starke Europäische Union. Sie wollen mehr Kräfte bündeln, an einigen Stellen auch mehr Kompetenzen für die EU und ihre Institutionen. Eine andere auffällige Rolle spielt die Digitalisierung, und zwar als Chance wie als Risiko. Die Notwendigkeit, die deutschen Strukturen zu digitalisieren und so anschlussfähig zu halten, betont die Partei ebenso sehr wie die Risiken (von Cyberangriff bis Hasskriminalität), die der digitale Raum birgt und gegen die das Land mehr Resilienz aufbauen müssen – ein eklatanter Unterschied zu Programmen anderer Parteien, von denen manche in puncto Digitalisierung weiterhin eher an Angela Merkels "Neuland Internet" aus dem Jahr 2013 erinnern.

CDU/CSU: Fokus Migration

Wie bereits in Teil eins unserer Serie beschrieben ist die Sicherheit der Markenkern der Unionsparteien. Dementsprechend prominent steht sie auch diesmal wieder im Programm für die anstehende Bundestagswahl und trifft damit – nicht erst seit dem Anschlag von Magdeburg – den Zeitgeist so genau wie schon lange nicht mehr. Dabei geht es nicht nur um Sicherheit im engeren (behördlichen) Sinne, denn die Welt hat sich zuletzt rasant verändert, was das allgemeine Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung hat wachsen lassen. Hierauf zielt auch die Union mit einem unausgesprochenen Versprechen: Für uns bleibt im Wesentlichen alles, wie es ist: gesellschafts-, außen- und sicherheitspolitisch.

Das führt auch zum zweiten Markenkern der Union, einem Bereich, in dem man hofft, gegen die verbliebenen Regierungsparteien punkten zu können: die Migration. Hier will man die alte Regierung für ihre vermeintlich verfehlte Politik stellen, die mehrheitliche Meinung in der Bevölkerung, die Migration müsse besser unter Kontrolle gebracht werden, aufgreifen und damit auch der AfD das Wasser abgraben. Letzteres hat jedenfalls in den vergangenen Jahren nicht funktioniert, vehemente Asylkritiker scheinen eher nach Rechtsaußen abzuwandern. Mit dem Versprechen, die illegale Migration durch Zurückweisungen an der Grenze, mehr Sachleistungen und zügige Rückführungen zu stoppen, versucht man es nun aufs Neue.

AfD: Weg damit

Ein Leitmotiv zieht sich deutlich durch das gesamte Wahlprogramm der AfD. Nach der Lektüre von 85 Seiten weiß jeder Leser und jede Leserin: Die AfD wird abschaffen. Beenden, stoppen, Schluss machen. Austreten, kündigen, zurücknehmen. Kaum ein Gesetz der Ampelregierung, das die AfD unangetastet lassen möchte. Das Verpackungsgesetz, das Selbstbestimmungsgesetz und das Heizungsgesetz sind nur drei Beispiele dafür, was unter der AfD alles passé wäre. Zudem werde man unzählige Rechtsakte der EU "abschaffen". Aber die AfD will auch an Altgedientes ran. Sie will die Erbschaftssteuer, die Grundsteuer und ganz überwiegende Teile der Grunderwerbssteuer abschaffen, die Strom- und Energiesteuer auf ein Minimum reduzieren. Vermögenssteuer? Abschaffen. EEG-Umlage, Rundfunkbeitrag, Briefwahl? Raten Sie mal.

Die AfD will keinen Stein auf dem anderen lassen und ignoriert dabei nicht nur die Verpflichtungen, die sich für Deutschland als Mitglied der EU ergeben, sondern an vielen Stellen (insbesondere beim Bürgergeld und in Aufenthaltsfragen) auch die Feststellungen des BVerfG zur verfassungskonformen Auslegung geltenden Rechts.

FDP: Kein Bürokratie-Burnout

Papierkram, Formulare und Vorschriften sind den Freidemokraten ein besonderer Dorn im Auge. Sie wollen den "Bürokratie-Burnout" beenden und rufen nach einem "sofortigen dreijährigen Moratorium" für neue Regularien (sofern nicht zugleich genauso viele Bestimmungen gestrichen werden). Gefordert wird zudem ein bürokratiefreies Jahr für Betriebe, in dem diese keine Berichtspflichten erfüllen müssen. Jedes Jahr soll ein "Jahresbürokratieentlastungsgesetz" einen "Abbau-Pfad" für überflüssige Normen schaffen, etwa im Datenschutz- und im Vergaberecht. Als Verursacher dafür wird überdies die EU angesprochen. Und um all das zu toppen, soll eine "Bürokratiebremse" im Grundgesetz die Entrümpelung des Bundesrechts sicherstellen.

BSW: Dagegen

Auch das BSW ist vor allem: dagegen. Gegen die drohende Deindustrialisierung, gegen hohe Strompreise, die marode Infrastruktur, das "Verbrenner-Verbot", das Heizungsgesetz, Waffenlieferungen an die Ukraine, Steuerschlupflöcher für Konzerne, zu viel Europa, zu viel Migration und zu viel Bürokratie.

Das noch neue Bündnis setzt voll auf die steigende Unzufriedenheit im Land und baut sein erst Mitte Januar im Entwurf vorgelegtes Wahlprogramm vor allem auf dem auf, was die Deutschen aktuell tagtäglich stört. Da dazu nur wenige rechtspolitische Themenfelder gehören, gibt der Entwurf des Programms über das, was vom BSW in Sachen Rechtspolitik zu erwarten wäre, eher wenig Aufschluss.

Die Linke: wie man sie kennt

Dass soziale Gerechtigkeit den Markenkern der Linken bildet, ist keine sonderlich kreative Botschaft, stimmt aber nach wie vor. So finden sich in ihrem Programm Forderungen nach mehr sozialem Wohnungsbau, höheren Renten oder dem Wegfall der privaten Krankenversicherung. Auch Superyachten über 60 Metern Länge will die Partei verbieten. 

Besonders steht jedoch das Steuerrecht im Fokus: Es ist für Die Linke nicht – wie für CDU/CSU oder FDP – bloß eine notwendige, aber begründungspflichtige staatliche Einnahmequelle, sondern ein Werkzeug zum Umbau der Gesellschaft. Passend dazu ist das dritte Kapitel des noch vorläufigen Wahlprogramms mit "Umsteuern" überschrieben. Neben einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer und einem Spitzensteuersatz von 53% will man vor allem "Schlupflöcher für die Reichen schließen". Ab einem zu versteuernden Erbe von drei Millionen Euro soll ein Spitzensteuersatz der Erbschaftsteuer von 60% greifen und in der Grunderwerbsteuer will man Steuervorteile für Immobilieninvestorinnen und -investoren abbauen. Außerdem sollen alle deutschen Staatsangehörigen in Deutschland besteuert werden, unabhängig davon, wo sie leben oder ihr Geld verdienen.

Auch Unternehmen will man ans Portemonnaie, besonders im Auge hat man dabei international agierende Großkonzerne. So will man nicht nur die Körperschaftssteuer auf 25% erhöhen (perspektivisch auch global), sondern auch transnationale Konzerne dazu verpflichten, Daten zu ihrer Wertschöpfung, Umsätzen, Gewinnen und Steuerzahlungen länderweise offenzulegen, um so zu verhindern, dass Geldströme – etwa über Briefkastenfirmen – verschleiert werden. Um zu verhindern, dass Konzerne von Krisensituationen wirtschaftlich profitieren, fordert die Linke auch eine Übergewinnsteuer in Höhe von 90% auf alle Krisenprofite.

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