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"Tatsachenrevision" hindert asylgerichtliche Eilentscheidung nicht

BVerfG
Einem in Grie­chen­land als in­ter­na­tio­nal Schutz­be­rech­tig­ten an­er­kann­ten Af­gha­nen wurde Eil­rechts­schutz gegen die Ab­leh­nung sei­nes Asyl­an­trags ver­sagt. Das BVerfG hat keine Ein­wän­de, ob­wohl beim BVer­wG eine "Tat­sa­chen­re­vi­si­on" zur Lage in Grie­chen­land an­hän­gig ist.

Das VG hatte den - neben der auch erhobenen Klage gestellten – Eilantrag des Mannes abgelehnt, weil ihn in Griechenland keine unmenschliche Behandlung erwarte. Mit seiner dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerde rügte der Afghane eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz. Er monierte, dass das VG hätte abwarten müssen, bis das BVerwG über eine bei ihm anhängige "Tatsachenrevision" (§ 78 Abs. 8 AsylG) zur Lage für international Schutzberechtigte in Griechenland entschieden habe.

Ob diesen in Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht und eine Abschiebung daher unzulässig ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Nach § 78 Abs. 8 AsylG steht den Beteiligten in asylgerichtlichen Verfahren die Revision gegen ein Urteil des OVG auch dann zu, wenn dieses "in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von der Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht" und das OVG die Revision deswegen zugelassen hat.

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das BVerfG nahm sie mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 12.12.2024 - 2 BvR 1341/24). Der Afghane habe eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht ausreichend dargelegt. Er habe nicht erläutert, aus welchen Gründen ihm wegen der aktuellen Lebensbedingungen in Griechenland eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit drohe.

Keine Sperrwirkung der Tatsachenrevision

Es sei im Übrigen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das VG die Entscheidung über die "Tatsachenrevision" beim BVerwG nicht abgewartet hat, so das BVerfG weiter. Eine Ausweitung des Suspensiveffekts über das als Revision anhängige Verfahren hinaus sei § 78 Abs. 8 AsylG nicht zu entnehmen, sie sei auch mit der beschränkten Präjudizwirkung revisionsrechtlicher Entscheidungen unvereinbar. Eine "Sperrwirkung" des Verfahrens hält das BVerfG verfassungsrechtlich nicht für geboten. Es sei Folge der im Grundgesetz garantierten richterlichen Unabhängigkeit und dem Charakter des Asylgrundrechts als Individualgrundrecht immanent, dass die Erfolgschancen eines Antragstellers davon abhingen, wie das jeweilige Gericht die Tatsachen werte. Zudem entbinde die mit der "Tatsachenrevision" bezweckte einheitliche Beurteilung der tatsächlichen Lage in einem Zielstaat die Gerichte nicht von der verfassungsrechtlichen Pflicht, die entscheidungserhebliche Sachlage tagesaktuell zu erfassen.

Abwarten müssten Verwaltungsgerichte den Abschluss der "Tatsachenrevision" auch dann nicht, wenn es im Eilverfahren um gleichgelagerte Fälle geht. Das BVerfG verweist auf strengere Prüfpflichten bis hin zu einer Vollprüfung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Das gelte für das Verfahren nach § 78 Abs. 8 AsylG umso mehr, da es besonders unbeständige Tatsachenfragen zum Gegenstand habe (Beschluss vom 12.12.2024 - 2 BvR 1341/24).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

VGH Kassel, Unzulässiges Asylverfahren nach Schutzgewährung in Griechenland, BeckRS 2024, 22465

VG München, Asylrecht, Herkunftsland: Palästinensische, Autonomiegebiete, Drittstaatenbescheid (Griechenland), Ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, BeckRS 2024, 24615

VGH Mannheim, Dublin-Asylsystem, Unzulässigkeit, Griechenland, Brot, Seife, Obdachlosigkeit, Rückkehrgefahr, Anerkannte Schutzberechtigte, BeckRS 2022, 1241

VGH München, Versorgungs- und Sicherheitslage in Griechenland für international Schutzberechtigte, BeckRS 2022, 15391

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