Professor Dr. Stefan Korte und Ass. Iur. Nina Kunzi, Speyer
23/2023
Die Welt der Mobilität befindet sich im Wandel. Traditionelle Personenbeförderungsdienste, wie die des Taxigewerbes, geraten immer mehr in Wettbewerb mit internetgestützt agierenden Mietwagenbetreibern. Namentlich der amerikanische Branchenprimus Uber ist mittlerweile in 16 deutschen Städten „unterwegs“ und operiert bisweilen mit deutlich niedrigeren Preisen, was nicht unerhebliche Auswirkungen auf den öffentlichen Personenverkehr als Teil der Daseinsvorsorge hat, etwa weil ein Rosinenpicken droht und die Beförderungsquote in der Fläche leidet. Naht infolgedessen sogar das Ende des ÖPNV in Deutschland? Mag diese Befürchtung auch dystopisch anmuten, traten einige deutsche Städte zwischenzeitlich doch auf die Bremse und ergriffen Maßnahmen auf Basis des § 51a I PBefG. So hat etwa der Landkreis Lörrach ein Mindestbeförderungsentgelt für den Verkehr mit Mietwagen per Allgemeinverfügung festgesetzt. Die Stadt Heidelberg will im nächsten Jahr ähnlich vorgehen.
Allerdings: Derartige Festsetzungen stellen die Genehmigungsbehörden vor bislang ungeklärte rechtliche Fragen. Zwar erlaubt ihnen § 51a I PBefG zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen für den Verkehr mit Mietwagen, der in ihrem Bezirk betrieben wird, die Festlegung tarifbezogener Regelungen. Die einzelnen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind allerdings sehr offen formuliert, was verwaltungs- und verfassungs-, vor allem aber unionsrechtliche Fragen aufwirft. Besonders die EU-Grundfreiheiten bringen insoweit Ungemach mit sich. Namentlich für eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit reicht es aus, dass Mietwagenbetreiber aus anderen Mitgliedstaaten der EU im Bundesgebiet tätig werden können. Da Mindestpreise deren Angebote dann aber teurer machen, erschweren sie zwangsläufig den Marktzugang und beeinträchtigen so den Schutzbereich dieser Grundfreiheit. Wird nun deshalb spätestens der EuGH den kommunalen Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen und sie aus dem Verkehr ziehen?
Wie immer im juristischen Leben kommt es insoweit darauf an – vorliegend darauf, ob die in § 51a PBefG angelegten Freiräume im Lichte der Umstände des Einzelfalls in verhältnismäßiger Weise ausgeübt worden sind. Zwar reicht der Schutz des Taxigewerbes vor unliebsamer Konkurrenz nicht als Rechtfertigungsgrund aus, da er protektionistisch ansetzt. Ggf. kann aber auf den Schutz des Bestandes des öffentlichen Personennahverkehrs in Gänze als Bestandteil der Daseinsvorsorge abgestellt werden. In diese Richtung dürften auch die Erwägungen des EuGH in seiner Entscheidung zur Rechtslage in Barcelona (EuGH, NVwZ 2023, 1154 m. Anm. Antweiler, NVwZ 2023, 1159) sowie zu Honorarvorgaben in anderen Branchen (EuGH, NVwZ 2019, 1120 und EuZW 2007, 18) zu deuten sein. Gerade das Urteil zur HOAI macht nämlich eines sehr deutlich: Wenn Honorarregelungen vorgegeben werden, dann müssen sie die am Markt verfügbaren Alternativangebote vollständig abdecken. Lücken bzw. Privilegierungen führen insoweit zu Inkohärenzen und sind daher im Lichte der Grundfreiheiten angreifbar. So gesehen lassen sich die Mindestbeförderungsentgelte auch als Beitrag zu mehr Kohärenz verstehen, der preisbezogenen Überholspuren Einhalt gebietet!