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Die VwGO-Beschleunigungsnovelle 2023

Rechtsanwalt Dr. Frank Fellenberg, LL.M. (Cambridge), Berlin

5/2023

Editorial 5-2023Vielleicht war es ja Ausdruck höherer strategischer Finesse, dass im Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ plötzlich eine gesetzliche Klageerwiderungsfrist mit strenger Präklusionsfolge für die ihre Zulassungsentscheidung verteidigende Behörde auftauchte: Ein Regelungsvorschlag, der derart sinnwidrig ist, dass schon seine postwendende Rücknahme als Beitrag zur Planungsbeschleunigung verstanden werden kann.

Auch ohne diesen Aufreger hat das im Februar verabschiedete Artikelgesetz einiges zu bieten. Es schafft Sonderprozessrecht für das Gros der in die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte oder des BVerwG fallenden Vorhaben wie etwa Zulassungen von Windenergieanlagen oder größere Kraftwerke und Planfeststellungen für Leitungs-, Schienen-, Straßen und Wasserbauvorhaben. Größeres Beschleunigungspotenzial bietet zwar das vorlaufende Verwaltungsverfahren, aber das muss den Bundesgesetzgeber nicht daran hindern, sich auch dem Verwaltungsprozess zu widmen. Einzelne Neuerungen sind zu begrüßen, namentlich die zuletzt ergänzte Möglichkeit, Verfahren vor den Oberverwaltungsgerichten ausnahmsweise einem Einzelrichter (§ 9 IV VwGO) und vor dem BVerwG einem Senat in reduzierter Besetzung (§ 10 IV VwGO) zur Entscheidung zu übertragen. Gleiches gilt für die Klarstellung, dass die gesetzliche Klagebegründungsfrist auch zur Anwendung kommt, wenn der Beklagte nach Durchführung eines Fehlerheilungsverfahrens eine angepasste  Zulassungsentscheidung zum Gegenstand des Verfahrens macht (§ 6 S. 5 UmwRG). Dass Gerichtsverfahren nun für zahlreiche Vorhaben „vorrangig und beschleunigt durchgeführt werden“ sollen (§ 87c I 1 VwGO) und zum Teil auch noch „besonders zu priorisieren“ sind (§ 87c I 3 VwGO), macht die Warteschlange zwar insgesamt nicht kürzer, aber sie wird durch den Premium Access immerhin anders sortiert. Soweit die Gerichte wiederum „in geeigneten Fällen“ möglichst frühzeitig einen gerichtlichen Erörterungstermin – in fragwürdiger Anlehnung an den Zivilprozess „früher erster Termin“ genannt – durchführen sollen (§ 87c II VwGO), werden sie hiervon wohl wie bisher nur Gebrauch machen, wenn sie das Instrument für geeignet erachten.

Weitreichender sind die Neuregelungen im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes. Nach der neuen Unbeachtlichkeitsregelung des § 80c II VwGO kann das Gericht einen Mangel außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass er in absehbarer Zeit behoben sein wird. Damit der Heilungsprozess nicht unabsehbar dahindümpelt, soll das Gericht hierfür eine Frist setzen (§ 80c II 3 VwGO), deren Angemessenheit es freilich kaum sinnvoll bestimmen kann. Als eigentliche Beschleunigungspointe sieht § 80c III VwGO vor, dass die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf solche Maßnahmen beschränkt werden soll, bei denen anderenfalls irreversible Nachteile drohen. Die Bedeutung der Bestimmung wird weniger von dem unkonventionellen gesetzlichen Vorbehalt abhängen, all dies gelte nur „in der Regel“, als davon, welche Eingriffe man als reversibel ansieht. Darüber lässt sich, wie behördliche  Entscheidungen über die Zulassung des vorzeitigen Beginns zeigen, trefflich streiten. Fest steht: Eilanträge gegen die von der Novelle erfassten Zulassungsentscheidungen werden unattraktiver und dementsprechend wohl noch seltener. Die Musik spielt in den Hauptsacheverfahren.

 

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