Soldaten dürfen sich auch im Ruhestand nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigen. Die Reichsbürgerbewegung spricht dem BVerwG zufolge der Bundesrepublik ihre Legitimität ab, eine entsprechende Betätigung habe daher auch für Ruheständler disziplinarische Konsequenzen.
Ein hochverdienter und -dekorierter Soldat im Ruhestand geriet 2015 in Reichsbürger-Kreise. Er beantragte einen "Staatsangehörigenausweis" bei seinem Landratsamt in Bayern. Dabei gab er an, er sei im "Königreich Bayern" geboren. Knapp ein Jahr später forderte er den Landrat auf, "unsere Gebietskörperschaften treuhänderisch analog der HLKO so lange weiter zu verwalten, bis unser Heimatstaat seine volle Souveränität zurückerhalten hat". Er widerspreche der Umwandlung der Gebietskörperschaften in private Firmen.
2021, er hatte bereits sein 65. Lebensjahr vollendet, demonstrierte er auf einer Versammlung von Corona-Maßnahmenkritikern mit einem Schild, auf dem er KZ-Aufseher, Mauerschützen und heutige Polizeibeamten gleichsetzte. Das Truppendienstgericht erkannte ihm deshalb die Ruhestandsbezüge ab. Seine Berufung vor dem BVerwG war aber teilweise erfolgreich (Urteil vom 15.08.2024 – 2 WD 6.24).
Truppendienstgericht hatte falsche Norm angewendet
Das BVerwG hob das erstinstanzliche Urteil auf und degradierte den Ruhestandssoldaten zum Hauptfeldwebel a.D. Die Bundesrichterinnen und -richter begründeten ihr Urteil hauptsächlich damit, dass das Truppendienstgericht seine Verurteilung auf eine falsche Norm gestützt hatte: § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG definiere, wann ein Offizier oder Unteroffizier nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst durch unwürdiges Verhalten ein Dienstvergehen begeht. Eine Anwendbarkeit dieser Norm setze daher die Wiederverwendungsfähigkeit für den Dienst des Offiziers voraus. Diese sei bei dem über 65-Jährigen nicht gegeben.
Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten war der Mann zwar noch theoretisch wiederverwendungsfähig, nicht aber zum Zeitpunkt seiner Verurteilung, weil er da bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte. Er könne also nicht dafür verurteilt werden, dass er "wegen seines unwürdigen Verhaltens nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die für seine Wiederverwendung als Vorgesetzter erforderlich sind".
BVerwG stellt auf nachwirkende Verfassungstreuepflicht ab
Allerdings erfülle sein Verhalten unproblematisch den Tatbestand der Betätigung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG. Mit seinem Antrag auf den Staatsangehörigenausweis und der Angabe, er sei im Königreich Bayern geboren, negierte er den Leipziger Richterinnen und Richtern zufolge die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland und die verfassungsmäßige Ordnung. Seine Schreiben legten eine hohe Identifikation mit der sogenannten Reichsbürgerbewegung nahe und verstießen in besonders intensiver Weise gegen seine nachdienstliche Verfassungstreuepflicht.
Die letzte Tat auf der Versammlung der Corona-Maßnahmenkritiker allerdings hält das BVerwG für disziplinarrechtlich irrelevant; sie sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Kritik – auch heftige und polemische – an den Verhältnissen in der Bundesrepublik sei erlaubt, so die Bundesrichterinnen und -richter. Der Mann habe den Nationalsozialismus nicht verherrlicht, sondern vor einer Annäherung an diese Zeiten gewarnt (Urteil vom 15.08.2024 - 2 WD 6.24).