Eine Studentin bezog im Wintersemester 2014/2015 BAföG, wobei ihr das Einkommen ihrer Eltern angerechnet wurde. Weil es hinten und vorne nicht reichte, klagte sie bis zum BVerwG auf mehr Leistung. Das oberste Verwaltungsgericht legte die Sache dem BVerfG vor, weil auch die Bundesrichter der Ansicht waren, dass die Grundpauschale nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAfÖG aF in Höhe von 373 Euro monatlich zu niedrig bemessen waren. Der 1. Senat des BVerfG sieht das anders (Beschluss vom 23.09.2024 – 1 BvL 9/21).
Kein Anspruch auf Lebensunterhalt
Studierende haben dem BVerfG zufolge keinen Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Dieses Recht sei nicht darauf ausgerichtet, mittellosen Abiturienten ein Studium durch die Leistung von Lebensunterhalt zu ermöglichen, so das BVerfG. Vielmehr ziele es darauf ab, denjenigen Menschen durch Bürgergeld oder Grundsicherung ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, die ihre Bedarfe nicht selbst decken könnten. Sobald sich für sie eine Möglichkeit zur Generierung eigenen Einkommens eröffne, entfalle die Pflicht des Staats, für deren Lebensunterhalt aufzukommen. Studierende hingegen seien grundsätzlich in der Lage, zu arbeiten.
Die Verfassungsrichterinnen und -richter lehnten auch einen Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot ab: Hieraus lasse sich nur ableiten, dass der Staat die zur Verfügung gestellten Ausbildungskapazitäten gleichheitsgerecht verteilen müsse. Er müsse aber nicht dafür sorgen, dass gesellschaftliche Verhältnisse – wie ungleiches Einkommen der Eltern – durch die Leistung von Lebensunterhalt an bedürftige Studierende ausgeglichen würden.
Der sozialstaatliche Auftrag in Art. 20 Abs. 1 GG hilft der Studentin auch nicht: Bei der Herstellung einer gerechten Sozialordnung habe der Staat einen weiten Gestaltungsraum. Ob er nun die Bildung von Zugewanderten fördert oder Kleinkinder, um deren Bildungschancen zu erhöhen, liegt dem 1. Senat zufolge in dessen Ermessen.
Hinzu komme, dass die einsetzbaren Mittel hierfür begrenzt seien, sodass der Staat Prioritäten setzen müsse. Eine Ausnahme sehen die Verfassungsrichter nur für den Fall, dass besondere Umstände vorliegen, die staatliche Leistungen zur Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit absolut unverzichtbar machen. Das sei hier nicht der Fall, denn auch mit der geringen Grundpauschale wären ein Fünftel bis ein Viertel aller Studenten in der Lage, ihre Ausbildung zu machen.
BAföG-Satz politisch umstritten
Die Höhe der Studienfinanzierung ist immer wieder Streitpunkt in der Politik. Nach der BVerfG-Entscheidung erklärte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl: "Nach diesem Beschluss ist klar: Ob die BAföG-Förderung für Studierende ausreichend ist, ist eine politische Entscheidung." Handlungsdruck bleibe hoch, der BAföG-Grundbedarf hinke dem Unterhaltsanspruch junger Menschen hinterher. "Andere staatliche Leistungen wie die Renten, das Wohngeld oder das Bürgergeld werden automatisch erhöht, das BAföG nicht."
Auch nach jüngsten Erhöhungen liege der BAföG-Bedarfssatz noch weit unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld, kritisierte auch der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller. Das sei "zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben". Die Bundesregierung dürfe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Anlass nehmen, in Sachen Bafög-Reform "die Hände in den Schoß zu legen".
Zuletzt war der Satz zum Wintersemester 2024 angehoben worden. Der sogenannte Grundbedarfssatz stieg um fünf Prozent auf 475 Euro. Für Studierende, die nicht mehr zu Hause wohnen, wuchs die Wohnkostenpauschale auf 380 Euro an. Der Förderungshöchstbetrag stieg von 934 Euro um 58 Euro auf 992 Euro. Studienanfänger unter 25 Jahren aus ärmeren Haushalten haben zudem Anspruch auf eine einmalige Studienstarthilfe in Höhe von 1.000 Euro (Beschluss vom 23.09.2024 - 1 BvL 9/21).