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Sozialhilfe gibt es ab Kenntnis: Unvollständiger Antrag reicht

LSG Baden-Württemberg
Leis­tun­gen nach dem SGB XII gibt es ab dem Mo­ment, in dem die Be­hör­de Kennt­nis von dem Be­darf er­hält. Kennt­nis kann laut LSG Baden-Würt­tem­berg auch durch einen un­voll­stän­di­gen An­trag ein­tre­ten, der noch nicht alle An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen klärt.

Kann jemand seinen Bedarf nicht selbst decken, so genügt es für Leistungen nach dem SGB XII, dass die zuständige Behörde davon Kenntnis erlangt. Ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht dann grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Kenntnis. Aber was genau muss die Behörde für eine solche "Kenntnis" wissen? Dies ist im Gesetz nicht geregelt und in der Rechtsprechung umstritten.

Dazu hat das LSG Baden-Württemberg jetzt im Fall einer Frau entschieden, die in einem Pflegeheim lebt, dessen Kosten aber nicht von ihrer Rente decken kann. Ihr Betreuer wandte sich daher an das zuständige Sozialamt, um "die Übernahme der ungedeckten Kosten […] zu beantragen". Das Sozialamt hielt dies in einem Vermerk fest. Doch der Behörde reichten die vorgelegten Unterlagen nicht. Sie bat den Betreuer daher um weitere Papiere und wies ihn zugleich darauf hin, dass Leistungen der Hilfe zur Pflege erst ab dem Bekanntwerden der Notlage gewährt werden könnten. Die fehlenden Unterlagen wurden dem Amt aber erst über ein Jahr später vorgelegt.

In der Folge entbrannte ein Streit darüber, ab wann der pflegebedürftigen Frau Leistungen zustehen. Das LSG entschied zugunsten der Hilfebedürftigen (Urteil vom 19.09.2024 – L 7 SO 2479/23), dass dies ab dem Zeitpunkt der Antragstellung durch den Betreuer der Fall sei - und nicht erst mit Eingang der vollständigen Unterlagen.

Das Sozialamt habe über den formlosen Antrag des Betreuers auf Sozialhilfe für die vom ihm betreute Frau einen Vermerk verfasst. Zwar sei das Amt zu diesem Zeitpunkt – wegen der fehlenden Unterlagen – noch nicht in der Lage gewesen, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Dass ein Bedarfsfall vorliegt, sei aber später erwiesen worden. In einem solchen Fall seien die Leistungen ab der Stellung des Antrags zu gewähren. Denn: Antragsgebundene Leistungen würden auch bei einem unvollständigen Antrag bereits ab Antragstellung gewährt. In den Augen des LSG wäre es widersinnig, würde die Sozialhilfe im Übrigen trotz gleicher Ausgangslage erst später einsetzen (Urteil vom 19.09.2024 - L 7 SO 2479/23). 

 

Aus der Datenbank beck-online

LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2024, BeckRS 2024, 27663 (ausführliche Gründe)

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