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Verfassungsbeschwerde zu Mutterschutz nach Fehlgeburt erfolglos

Redaktion beck-aktuell (dpa)
Meh­re­re Frau­en, die nach der zwölf­ten, aber vor der 24. Schwan­ger­schafts­wo­che eine Fehl­ge­burt hat­ten, sind mit einer Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­schei­tert. Sie hat­ten er­rei­chen wol­len, wie Ent­bin­den­de be­han­delt zu wer­den, die unter die Schutz­fris­ten des Mut­ter­schutz­ge­set­zes fal­len. Das BVerfG nahm die Be­schwer­de nicht zur Ent­schei­dung an.

Die Beschwerde sei zum einen zu spät eingelegt worden. Zum anderen hätten die Frauen den Grundsatz der Subsidiarität nicht beachtet, so das BVerfG (Beschluss vom 21.08.2024 – 1 BvR 2106/22).

Die Frauen hatten sich gegen die Regelung in § 3 Abs. 2 bis Abs. 4 MuSchG gewandt. Darin sind unter anderem Schutzfristen geregelt, in denen Frauen nach einer "Entbindung" nicht beschäftigt werden dürfen. Während dieser Schutzfristen haben Frauen, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, gegen die Krankenkassen Anspruch auf Mutterschaftsgeld und gegebenenfalls gegen den Arbeitgeber auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Die Frauen halten diese Schutzfristenregelungen für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn Frauen, die zwischen der zwölften und der 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt mit einem weniger als 500 Gramm schweren Kind erlitten haben, würden nicht erfasst.

Das BVerfG wies zunächst darauf hin, dass eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Norm richtet, nur binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden kann. Diese Frist sei bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde abgelaufen gewesen.

Zumutbaren fachgerichtlichen Rechtsschutz nicht in Anspruch genommen

Die Beschwerde genüge auch dem Grundsatz der Subsidiarität nicht. Die Beschwerdeführerinnen hätten, jedenfalls soweit sie Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse sind, gegen die Krankenkassen einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld beziehungsweise gegen ihre Arbeitgeber einen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld geltend machen können. Beide Ansprüche hätten sie vor den Fachgerichten verfolgen können. Sie hätten zudem auf Feststellung eines Beschäftigungsverbots klagen können.

Gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, sei den Frauen auch zumutbar gewesen. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld knüpfe an die gesetzlichen Schutzfristen des § 3 MuSchG und damit an die "Entbindung" an. Der Gesetzgeber habe diesen Begriff weder im Mutterschutzrecht noch in den zugehörigen sozialrechtlichen Bestimmungen konkretisiert. Die Rechtsprechung habe zu seiner Auslegung bislang in einem anderen Kontext auf die Regelungen der Personenstandsverordnung zurückgegriffen. Diese Auslegung erachtete der Gesetzgeber laut BVerfG aber bei Einführung des gesetzlichen Kündigungsverbots für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, im Zuge der Reform des Mutterschutzgesetzes im Jahr 2017 aus medizinischer Sicht und nach der Intention des Mutterschutzgesetzes für nicht sachgerecht. Dass die Gerichte gleichwohl an der bisherigen Auslegung des Begriffs "Entbindung" in Bezug auf die beanstandeten Regelungen festhalten würden, sei nicht offensichtlich, betonen die Verfassungsrichter und -richterinnen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der Personenstandsverordnung und der mutterschutzrechtlichen Fristenbestimmungen sei dies auch unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 4 GG im Fall einer Fehlgeburt nicht zwingend. Bei der Auslegung seien zudem medizinische Wertungen zu beachten, die vorrangig im fachgerichtlichen Verfahren zu gewinnen seien (Beschluss vom 21.08.2024 - 1 BvR 2106/22).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Aligbe, Der Beweiswert von ärztlichen Beschäftigungsverboten nach § 16 MuSchG, ArbRAktuell 2021, 207

BAG, Entschädigung für immaterielle Schäden bei diskriminierender Kündigung, NZA 2014, 722


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