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Syndikusanwälte: BSG entscheidet doppelt zur Befreiung von der Versicherungspflicht

Martin W. Huff
Acht Jahre nach der Schaf­fung einer ei­ge­nen Zu­las­sung als Syn­di­kus­rechts­an­walt hat das BSG nun Klar­heit beim Thema Be­frei­ung von der Ver­si­che­rungs­pflicht ge­schaf­fen. Es ging um Alt­be­schei­de und rück­wir­ken­de Be­frei­ung. Die Ur­tei­le be­spricht Mar­tin W. Huff.

Am Donnerstag entschied das BSG zum einen über die Frage, ob die Befreiung von der Versicherungspflicht auch beim Arbeitgeberwechsel fortbestehen kann. Zum anderen hat das Gericht sich mit der Auslegung der Vorschriften zur rückwirkenden Befreiung befasst. Das BSG schafft Klarheit – allerdings sind immer noch nicht alle streitigen Fragen beantwortet.

Fortgeltung sogenannter Altbescheide

Im ersten Verfahren ging es um die seit langem umstrittene Frage der Fortgeltung sogenannter Altbescheide, in denen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks befreit worden waren.

Diese alten Bescheide waren in der Vergangenheit sehr weit formuliert und konnten auch so verstanden werden, dass sie bei einem Wechsel des Arbeitgebers fortgalten, wenn weiterhin die Zulassung als Rechtsanwalt und die Pflichtmitgliedschaft im anwaltlichen Versorgungswerk bestand.

Die LSG hatten bisher die Auffassung vertreten, dass die Bescheide mit dem Arbeitgeberwechsel ihre Wirkung verloren und eine Befreiung hätte beantragt werden müssen. Diese Auffassung hat das BSG jetzt in aller Deutlichkeit bestätigt (Urteil vom 19.9.2024 – B 12 6/22 R).

LSG: Formulierung im Bescheid kein Verwaltungsakt

Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) befreite eine zugelassene Rechtsanwältin, die bei einem Verband angestellt war, von der Versicherungspflicht gemäß § 6 SGB VI. Der Bescheid enthielt, wie damals üblich, die Aussage: "Auf Ihren Antrag werden Sie von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit."

Außerdem wurde ausgeführt: "Die Befreiung gilt für die oben genannte und weitere berufsspezifische Beschäftigungen/Tätigkeiten, solange hierfür eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der Berufskammer besteht und solange Versorgungsabgaben beziehungsweise Beiträge in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wären." Als berufsspezifische Beschäftigung nannte der Bescheid eine Tätigkeit als "Rechtsanwältin".

Als die Juristin dann später für einen neuen Arbeitgeber tätig wurde, beantragte sie bei der DRV erfolglos die Feststellung, dass die im früheren Bescheid ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch die neue Tätigkeit umfasse. SG und LSG haben die Klage auf Fortgeltung abgewiesen. Mit dem Wechsel der Beschäftigung habe er sich erledigt. Der Passus zur Geltung der Befreiung für weitere berufsspezifische Beschäftigungen sei lediglich ein Hinweis ohne Verwaltungsakt-Qualität.

BSG beendet die Debatte

Das BSG stellt klar, dass es dieser Auffassung folgt. Den konkreten Beginn der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk und in der Berufskammer habe der Bescheid separat festgestellt. Er bestimme den Beginn der Befreiung demnach nach dem Beginn des damaligen Beschäftigungsverhältnisses und dem konkret darauf bezogenen Antrag. Daraus ergebe sich, dass es sich bei dem zu befreienden Beschäftigungsverhältnis nicht pauschal um eine Tätigkeit als "Rechtsanwältin" handele.

Mit der Aufgabe der damaligen Beschäftigung habe sich der frühere Bescheid erledigt. Er könne nicht so verstanden werden, dass er die neue Beschäftigung der Anwältin bei einem anderen Arbeitgeber in die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung einbeziehe.

Das BSG beendet damit eine Diskussion, die besonders deswegen geführt worden war, weil in der Vergangenheit auch die DRV die Fortgeltung akzeptiert hatte, insbesondere bis Ende 2008 bzw. Anfang 2009.

Damit ist endgültig klargestellt, dass alte Befreiungsbescheide bei einem Arbeitgeberwechsel wirkungslos wurden. Auf diese können sich also jetzt weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer berufen. Denn es gibt immer noch Fälle, in denen auch bei einem Tätigkeitswechsel noch die Beiträge ohne gültige Befreiung an das Versorgungswerk abgeführt werden. Hier kann in Zukunft nur die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt die Unsicherheit beenden.

Rückwirkende Befreiung ohne Anwaltszulassung

Mit seinen Urteilen vom 3. April 2014 hatte das BSG entschieden, dass Rechtsanwälte für eine Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können. Der Gesetzgeber war daraufhin rasch tätig geworden und hatte nicht nur die Figur des Syndikusrechtsanwalts geschaffen, sondern auch im SGB VI – dem Rentenrecht - eine komplizierte rückwirkende Befreiungsregelung in § 231 Abs. 4b SGB VI geschaffen.

Vereinfacht gesprochen: Wer als Syndikusrechtsanwalt nach dem neuen Recht gemäß §§ 46, 46a BRAO zugelassen wurde, konnte auch unter den Voraussetzungen des § 231 Abs. 4b SGB VI eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks erhalten.

BSG stellt auf Wortlaut ab

Das BSG hat jetzt entschieden, wie die Vorschrift des § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI zu verstehen ist: Eine rückwirkende Befreiung für die Tätigkeit, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt ist, habe auch dann zu erfolgen, wenn für die Zeit vor der Zulassung der Antragsteller nicht als Rechtsanwalt zugelassen und auch kein Pflichtmitglied im anwaltlichen Versorgungswerk war. Dafür spreche der klare Wortlaut des Satzes 1 der Vorschrift und auch die Motivation des Gesetzgebers, Doppelmitgliedschaften und Brüche in den Versicherungsbiografien zu vermeiden (Urteil vom 19.9.2024 – B 12 R 3/22 R).

Die Vorschrift lautet auszugsweise: "Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt …. nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung … erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird." Im Satz 1, so das BSG, stehe eben nichts von einer Pflichtmitgliedschaft, anders als in den folgenden Sätzen.

Im entschiedenen Fall war ein Jurist nach seinem erfolgreich bestandenen Zweiten Staatsexamen ab dem 1. November 2014 bei einem Arbeitgeberverband versicherungspflichtig beschäftigt. Er beantragte zunächst keine Zulassung als Rechtsanwalt. Am 29.3.2016 beantragte er nach der gesetzlichen Neuregelung die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Zugleich beantragte er bei der DRV die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die rückwirkende Befreiung.

Die Rechtsanwaltskammer ließ ihn als Syndikusrechtsanwalt zu. Die DRV befreite ihn zwar von der Versicherungspflicht, lehnte aber die rückwirkende Befreiung ab. Der Syndikusanwalt sei erst seit dem 17. November 2016 Pflichtmitglied des beigeladenen Versorgungswerks und diese Pflichtmitgliedschaft sei Voraussetzung auch für die rückwirkende Befreiung, auch wenn dies so nicht ausdrücklich in der Vorschrift des § 231 Abs. 4b SGB VI stehe. Das SG hatte die Bescheide aufgehoben und die DRV verurteilt, den Kläger rückwirkend zu befreien. Das LSG hatte die Klage abgewiesen, weil keine Pflichtmitgliedschaft bestanden habe. Dies hat das BSG jetzt anders gesehen und die rückwirkende Befreiung ab dem 1. November 2014 ausgesprochen.

Noch nicht alle Fragen geklärt

Das BSG sorgt auch hier für Klarheit. Insbesondere die DRV hatte in der Vergangenheit immer wieder eine andere Auffassung vertreten und eine Pflichtmitgliedschaft verlangt. Das BSG knüpft damit auch an sein Urteil vom 26. Februar 2020 (B 5 RE 2/19 R) an, in dem der Senat schon einmal entgegen der Auffassung der DRV entschieden hatte, dass § 231 Abs. 4b SGB VI wortgenau zu verstehen ist.

Noch sind nicht alle Streitigkeiten um die Auslegung von § 231 Abs.  4b SGB VI erledigt. So vertritt die DRV die Auffassung, dass Satz 2 der Vorschrift keine Befreiung für Tätigkeiten ermögliche, die vor der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt geendet haben, für die aber eine Pflichtmitgliedschaft bestand. Im Streit ist auch, ob bei einem laufenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überhaupt ein erneuter Befreiungsantrag erforderlich war (Urteil vom 19.09.2024 - B 12 6/22 R).

Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und war lange Jahre Geschäftsführer der Anwaltskammer Köln. Er publiziert regelmäßig zum anwaltlichen Berufsrecht.

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Henssler/Deckenbrock, Keine Zulassungspflicht für Alt-Syndizi mit gültigem Befreiungsbescheid, NJW 2016, 1345

Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung als Syndikusrechtsanwalt, LSK 2023, 34812241

Zur rückwirkenden Befreiungsmöglichkeit für Syndikusrechtsanwälte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, LSK 2022, 06801843

Dahns, Ungleichbehandlung bei der rückwirkenden Befreiung?, NJW-Spezial 2021, 638


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