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Kasse muss für Samenzellen-Konservierung bei Geschlechtsangleichung zahlen

BSG
Die ge­setz­li­che Kran­ken­kas­se über­nimmt die Kos­ten für eine Kryo-Kon­ser­vie­rung von Sa­men­zel­len, wenn dies not­wen­dig ist, um einen spä­te­ren Kin­der­wunsch zu er­fül­len. Das gilt auch, wenn man durch eine Ge­schlechts­an­glei­chung die Fort­pflan­zungs­fä­hig­keit selbst be­sei­tigt, sagt das BSG.

Steht Versicherten eine Behandlung bevor, die ihre Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte, haben sie gemäß § 27a Abs. 4 S. 1 SGB V einen Anspruch auf Kostenübernahme für die Kryo-Konservierung ihrer Samen- oder Eizellen. So sollen sie auch nach der Behandlung die Möglichkeit haben, eine eigene Familie zu gründen. Doch wie verhält es sich bei einer Geschlechtsangleichung, die zu Unfruchtbarkeit führt? Ob die Kryo-Konservierung auch dann erstattungsfähig ist, wenn die Fortpflanzungsfähigkeit nicht durch eine Krankheit unfreiwillig beeinträchtigt wird, hatte das BSG zu entscheiden.

Krankenkasse verweist auf Leistungskatalog

In dem Fall hatte ein biologischer Mann vor der medizinischen Angleichung an das weibliche Geschlecht Samenzellen konservieren lassen, um später mittels künstlicher Befruchtung doch noch ein Kind zeugen zu können. Die Person beantragte bei der Krankenkasse, die Kosten der Behandlung zu übernehmen, da die hormonelle und operative Behandlung im Rahmen der Transition die Fortpflanzungsfähigkeit beenden würde.

Die Krankenkasse verweigerte jedoch eine Kostenübernahme, da eine Kryo-Konservierung aufgrund einer Geschlechtsangleichung nicht zum Leistungskatalog zähle. Nach der Weigerung der Kasse ließ die Person die Konservierung zunächst auf eigene Kosten durchführen, ehe sie vor den Sozialgerichten gegen die Ablehnung der Kasse klagte – vor dem SG mit Erfolg.

LSG stellt auf fehlende Grunderkrankung ab

Dieses verpflichtete die Krankenkasse, die Kosten der Kryo-Konservierung in Höhe von 693,77 Euro zu erstatten. Doch das LSG beurteilte den Fall in der Berufung wiederum anders und wies die Klage ab. Die Voraussetzungen für eine Kryo-Konservierung nach § 27a Abs. 4 SGB V sowie der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Kryo-Konservierung lägen nicht vor, begründete das Gericht seine Entscheidung.

In der Kryo-Richtlinie legt der G-BA für den Bereich der Kryo-Konservierung verbindlich fest, welche konkreten Behandlungen und Untersuchungen von Ärztinnen und Ärzten gegenüber den Kassen abgerechnet bzw. von diesen erstattet werden können. Das LSG stützte sich in seiner Entscheidung maßgeblich darauf, dass eine Geschlechtsangleichung keine "keimzellschädigende Therapie" im Sinne der Richtlinie sei. "Das LSG meinte, es könne bereits an einer Grunderkrankung fehlen, die eine Kryo-Behandlung erforderlich mache, wie etwa der Krebs bei einer Chemo-Therapie", erklärt Marko Oldenburger, Fachanwalt für Familien- und Medizinrecht gegenüber beck-aktuell die Entscheidung des LSG. Eine solche Erkrankung sei nach dem Wortlaut der Kryo-Richtlinie grundsätzlich Voraussetzung für einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse.

Das LSG habe zum einen darauf abgestellt, dass die Therapie hier nicht – wie es der Wortlaut von § 2 Abs. 2 Kryo-Richtlinie vorsehe – keimzellschädigend, sondern vielmehr keimzellvernichtend sei. Zudem sei die Vernichtung der Keimzellen nicht bloß die Folge, sondern gerade das Ziel der Behandlung einer Geschlechtsangleichung. Das sei folglich nicht Gegenstand der Kryo-Richtlinie. Eine rechtsfortbildende, ggf. analoge Anwendung der Richtlinie auf den vorliegenden Fall lehnte das Gericht ebenfalls ab, da keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Das Gericht habe sich auch auf die Rechtsprechung des BVerfG gestützt, wonach die Kassen keine Maßnahmen zur Familienplanung finanzieren müssten, sofern diese nicht als Krankheitsbehandlung gälten, so Oldenburger.

BSG: Kinderwunsch unabhängig vom Geschlecht

Das BSG war nun anderer Ansicht als die Vorinstanz (Entscheidung vom 28.08.2024 – B 1 KR 28/23 R). Das Gesetz räume die Möglichkeit der Kryokonservierung vor keimzellschädigenden Behandlungen ein. Das trage dem Bedürfnis Rechnung, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten – und gelte unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Den Anspruch hätten daher auch Personen, die auf Kosten der Krankenkasse eine geschlechtsangleichende Behandlung von Mann zu Frau durchführten.

Oldenburger hält diese Interpretation für richtig. Schließlich könne man im Wege eines Erst-recht-Schlusses annehmen, dass, wenn schon eine keimzellschädigende, dann auch eine keimzellvernichtende Therapie Gegenstand des Leistungskatalogs sein müsse.

Außerdem sei zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits das von der Ampel-Koalition eingeführte Selbstbestimmungsgesetz in Vorbereitung gewesen, mit dem ab dem 1. November 2024 das Recht auf Änderung des Geschlechtseintrags in vielen Punkten gestärkt werden wird. Vor diesem Hintergrund müsse man auch §§ 2, 3 der Kryo-Richtlinie interpretieren, welche u.a. die medizinische Indikation zur Kryo-Konservierung vorgeben. In der Folge, so Oldenburger, müsse auch eine keimzellvernichtende Therapie erstattungsfähig sein, die zwar nicht auf einer Grunderkrankung basiere, aber auf dem Rechtsanspruch auf Anpassung des Geschlechts. Andere Gerichte hätten bereits auch in diesem Sinne entschieden, so der Rechtsanwalt (Urteil vom 28.08.2024 - B 1 KR 28/23 R).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Der Anspruch auf Kryokonservierung – eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung?, LSK 2023, 29810225


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