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Freiflächen im Außenbereich nicht ohne Umweltprüfung überplanbar

BVerwG
Klei­ne Frei­flä­chen au­ßer­halb des Sied­lungs­be­reichs einer Ge­mein­de dür­fen nicht im be­schleu­nig­ten Ver­fah­ren ohne Um­welt­prü­fung über­plant wer­den. Denn § 13b Satz 1 BauGB, der dies für Flä­chen von we­ni­ger als 10.000 Qua­drat­me­tern er­mög­li­che, sei nicht mit Uni­ons­recht ver­ein­bar und dürfe daher wegen des­sen Vor­rangs nicht an­ge­wen­det wer­den, so das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt. Fach­leu­te gehen von einer weit­rei­chen­den Wir­kung des Ur­teils aus.

Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein circa drei Hektar großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest.

Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt, da die überplante Fläche weniger als 10.000 Quadratmeter betrug. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen (BeckRS 2022, 15558). Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar; seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor, so die Mannheimer Richter.

Keine typisierende Betrachtungsweise oder Pauschalierung

Das BVerwG hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Der Plan leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB, so das Fazit der Bundesrichter. Er sei zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden, da die Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 SUP-RL (Strategische Umweltprüfungs-Richtlinie) verstoße. So verlange Art. 3 Abs. 1 SUP-RL eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.

Ob dies der Fall ist, müssen die Mitgliedstaaten laut Gericht für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL) bestimmen. Der nationale Gesetzgeber habe sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden, so das BVerwG. Diese müsse nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber dürfe sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.

Bebauungsplan wegen Vorrang des Unionsrechts unwirksam

Diesem eindeutigen und strengen Maßstab werde § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht, so die obersten Verwaltungsrichter. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollen, erlaube § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen, so das BVerwG. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – seien daher nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gelte schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.

§ 13b BauGB dürfe daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin hätte vielmehr nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte Verfahrensmangel habe die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge, so das BVerwG abschließend.

Bauwirtschaft: Kommunen wird jegliche Flexibilität genommen

"Praktisch wird den Kommunen nun jegliche Flexibilität zu schnellen und sinnvollen Entscheidungen für eine erweiterte Wohnbebauung am Ortsrand genommen", kritisierte der Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg Markus Böll am Mittwoch. "Dies konterkariert unser aller Bemühen, möglichst rasch den dringend benötigten Wohnraum in den Gemeinden zu schaffen."

BUND-Rechtsanwalt Dirk Teßmer erklärte: "Das Urteil geht in seiner Bedeutung weit über den konkreten Fall hinaus." Es gelte deutschlandweit für alle Bebauungspläne, die im Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt wurden. Nach Einschätzung der im Verfahren konkret betroffenen Verwaltung in Gaiberg seien Hunderte, wenn nicht sogar Tausende weitere Gemeinden betroffen, die im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelung Bebauungsplanverfahren begonnen haben (Urt. v. 18.07.2023 - 4 CN 3.22).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • VGH Mannheim, Umweltschutzvereinigung, Strategische Umweltprüfung, Bebauungsplan, BeckRS 2022, 15558 (Vorinstanz)
  • Mayer, Die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren nach § 13b BauGB im Konflikt mit dem Gebot der Reduzierung der Freiraumflächeninanspruchnahme, ZfBR 2019, 9
  • EuGH, Definition des Begriffs "kleine Gebiete auf lokaler Ebene" im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der RL 2001/42/EG, BeckRS 2016, 83106
  • BVerwG, Klage von anerkannten Naturschutzvereinigungen gegen Festlegung von Flugverfahren, NVwZ 2014, 1097

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