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Forscher: Große Flüchtlingsunterkünfte verstoßen gegen Menschenrechte

Redaktion beck-aktuell (dpa)
Die Un­ter­brin­gung von Ge­flüch­te­ten in gro­ßen Ge­mein­schafts­un­ter­künf­ten ver­stö­ßt nach An­sicht der Hal­le­schen Ju­ris­ten Win­fried Kluth und Jakob Jung­hans gegen Men­schen­rech­te. "In gro­ßen Un­ter­künf­ten sind Pro­ble­me nur ganz be­grenzt durch Maß­nah­men ein­schränk­bar", sagte Kluth im In­ter­view der Deut­schen Pres­se-Agen­tur. Kom­mu­nen ver­stie­ßen damit gegen grund­le­gen­de Men­schen­rech­te und in­ter­na­tio­na­le Dis­kri­mi­nie­rungs- und Miss­brauchs­ver­bo­te.

Teilweise seien sehr große Unterkünfte aufgebaut worden, die "sehr problematisch" sind, so Kluth, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Öffentliches Recht lehrt. Wo Hunderte Menschen untergebracht seien, mangele es an Privatsphäre und ausreichendem Schutz vor den Übergriffen anderer, schreiben er und Junghans, der an der gleichen Uni unter anderem zum Aufenthalts- und Asylrecht forscht, in einem Papier, das der dpa vorliegt.

Angaben des Landesinnenministeriums zufolge hat die größte der 37 Gemeinschaftsunterkünfte in Sachsen-Anhalt eine Kapazität von 360 Plätzen. Auch wegen unterschiedlicher Größen von Familien oder Instandsetzungsarbeiten könne diese jedoch nicht voll genutzt werden. In der Spitze seien hier 260 Menschen gemeinsam untergebracht.

Große Unterkünfte bergen neue Gefahren für Geflüchtete

Die Forderung der Juristen nach kleineren Unterkünften beruht auf 50 qualitativen Interviews mit Geflüchteten und Experten. "Außerdem haben wir uns mit Forschungsgruppen aus Belgien, Italien, Norwegen, Kanada, Uganda und dem Libanon ausgetauscht. Die kommen alle zu dem gleichen Schluss." Auch andere in Deutschland in dem Feld Forschende hätten die Ergebnisse "ausnahmslos bestätigt". 

Durch die Unterbringung in großen Unterkünften seien Geflüchtete neuen Gefahren ausgesetzt, was auch dazu führe, dass es ihnen schlechter statt besser gehe. "Das steht im Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen", so Kluth. Zwar habe er Verständnis dafür, dass in bestimmten Situationen die Möglichkeiten für die Unterbringung Geflüchteter begrenzt seien. "Aber kleine Unterkünfte sind der einzig gebotene Weg."

Forderung nach dezentralen, sicheren Unterkünften

Gemeinschaftsunterkünfte seien vor allem dazu da, die Geflüchteten zu kontrollieren, so Junghans. "Es gibt keinen anderen überzeugenden Grund, viele Menschen ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus und ihrer individuellen Bedürfnisse auf engstem Raum unterzubringen." Ihre Lage erschwere sich außerdem, weil die Unterkünfte weit entfernt von städtischen Zentren liegen. Die Geflüchteten würden so räumlich und sozial vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen.

Anstelle großer Gemeinschaftsunterkünfte sollten dezentrale, sichere Unterkünfte über möglichst alle Wohngebiete der Städte und Kommunen verteilt eingerichtet werden, forderten Kluth und Junghans. Zudem sei es sinnvoll, die Wohnpflicht in den Aufnahmeeinrichtungen nach der Anfangsphase des Asylverfahrens aufzuheben. Darüber hinaus müssten Mindeststandards eingeführt und regelmäßig Kontrollen durchgeführt werden.

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • Kluth/Junghans, Die kommunale Unterbringung von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften missachtet ihre Rechte und verhindert ein effektives Migrationsmanagement, ZAR 2023, 209
  • Engler, Wohnen als ordnungspolitische Funktion: Deutsche Flüchtlingsunterbringung zwischen dem Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung und der Abgrenzung zum Freiheitsentzug, ZAR 2019, 322

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