Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Passwesens, der unter anderem die Abschaffung des Kinderreiesepasses vorsieht, ist bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während Datenschützer vor der Entstehung von Schattendatenbanken warnten, begrüßten andere den Willen zur Vereinfachung und Modernisierung.
Neben Gesetzentwurf auch Entschließungsanträge diskutiert
Der Regierungsentwurf (BT-Drs. 20/6519) sieht vor, dass statt des Dokumententyps "Kinderreisepass" künftig ein elektronischer Reisepass mit der längeren Gültigkeitsdauer sowie der Nutzungsmöglichkeit für weltweite Reisen beantragt werden kann. Zudem soll durch die Einführung eines neuen Passversagungsgrundes Kindesmissbrauch im Ausland verhindert werden. In einem Entschließungsantrag verlangen die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, das Datenschutzcockpit nach Umsetzung der bereits bestehenden Anforderungen aus dem Registermodernisierungsgesetz als zentrales Transparenz- und Steuerungswerkzeug für Bürgerinnen und Bürger zu etablieren. Außerdem wird ein Passversagung bei Teilnahme an ausländischen Veranstaltungen, deren Inhalte im Widerspruch zu den Grundsätzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes stehen, gefordert. Eine weitere Entschließung thematisiert die Eintragung des Doktorgrades sowie Eintragungsfähigkeit von ausländischen akademischen Graden in hoheitlichen Ausweisdokumenten. Weitere Änderungsvorschläge betreffen das Bundesverfassungsschutzgesetz und das Aufenthaltsgesetz.
Datenschützer sehen Gesetzentwurf kritisch
Jürgen Müller, Stellvertreter des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, übte Kritik an der geplanten Regelung, wonach Daten, die Behörden im Rahmen einer Identitätsprüfung aus dem Chip ausgelesen haben, medienbruchfrei in anderen Datenverarbeitungssystemen weiterverarbeitet können, "sofern sie dazu durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes berechtigt sind". Diese Regelung entspräche nicht den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Es müsse ausgeschlossen werden, dass Schattendatenbanken entstehen, "in denen Daten aus Identitätsfeststellungen ohne klare Zweckbindung für möglicherweise erst in der Zukunft erforderliche weitere Datenverarbeitungen gespeichert werden", forderte Müller. Auch Kai Dittmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sah die Gefahr von Schattendatenbanken mit sensiblen biometrischen Daten. Dies könne zu einem ganz anderen Gefühl der Überwachung in der Bevölkerung führen. Sehr kritisch stehe er auch der Entschließung zu Passversagungsgründen gegenüber. Eine Anknüpfung an die inhaltliche Ausrichtung einer Versammlung oder einen undefinierten Extremismusbegriff sei unzulässig. Entsprechend habe das Bundesverfassungsgericht auch schon 2009 entschieden. Kirsten Bock von der Stiftung Datenschutz wiederum wandte sich gegen einen automatisierten Lichtbildabruf für öffentliche Stellen. Die Verarbeitung biometrischer Daten stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der betroffenen Person dar. Daher müssten erhebliche öffentliche Interessen erfüllt sein, um einen solchen Zugriff zu rechtfertigen und besonders hohe technische Anforderungen an die Sicherheit der Übermittlung gestellt werden, sagte sie.
Geteiltes Echo zu Abschaffung des Kinderreisepasses
Stefan Hofschen von der Bundesdruckerei GmbH begrüßte die geplante Regelung zum Kinderreisepass. So führe die Abschaffung dieses Passes zu einer Vereinheitlichung der Prozesse. Joost Raue vom Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart begrüßte zwar auch den Wegfall des einjährigen Kinderreisepasses. Das angenommene Entlastungspotenzial sei jedoch unrealistisch, befand er. Gerade Kinder in den ersten Lebensjahren veränderten ihr Erscheinungsbild in kurzen Zeiträumen. Ein für sechs Jahre gültiger Pass werde daher im Regelfall vor dem Ende seiner Gültigkeitsdauer ungültig werden. Aus Sicht von Meinhard Schröder von der Universität Passau geht die Gesetzesbegründung bei der Abschaffung von Kinderreisepässen in mindestens zwei Punkten von falschen Voraussetzungen aus und verschleiert damit einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Ein- und Ausreisefreiheit sowie in die europäischen Freizügigkeitsrechte. Sie erhöhe zudem die Rechtsunsicherheit über die Gültigkeit von Kinderpässen, sagte Schröder. Es werde übersehen, dass die Gültigkeit eines Passes nicht nur durch das Verfalldatum begrenzt ist, sondern auch endet, wenn dieser "eine einwandfreie Feststellung der Identität des Passinhabers nicht zulässt".
Auch geplanter Direktversand von Dokumenten strittig
Ebenso wie Stefan Hofschen von der Bundesdruckerei begrüßte auch Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag die geplante Option des Direktversandes von Dokumenten. Auf diese Weise könnten sowohl die Bürger als auch die derzeit "außergewöhnlich hoch belasteten" Ausländerbehörden entlastet werden. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die prinzipiell entlastende Wirkung des Direktversandes "nicht durch neue bürokratische Erschwernisse konterkariert wird". Hingegen hielt Simon Japs vom Deutschen Städtetag den geplanten Versand der Ausweisdokumente für problematisch, da dieser an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sei, insbesondere an die Vorlage eines gültigen Ausweisdokumentes und an die Zustellung ausschließlich an die Meldeanschrift. Dies schränke den in Frage kommenden Personenkreis erheblich ein, sagte er. Weitere Probleme seien durch die vorgesehene persönliche Zustellung zu befürchten.
Zweifel an Zulässigkeit der Registermodernisierung
Mit Blick auf die Registermodernisierung sagte Christoph Sorge von der Universität des Saarlandes, es bestehe eine nicht nur geringe Wahrscheinlichkeit, "dass die Verwendung der Steuer-ID als allgemeines Personenkennzeichen durch das Bundesverfassungsgericht untersagt werden wird". Die Registermodernisierung voranzutreiben, werde sicherlich zu Effizienzgewinnen beitragen, so Sorge. Eine verfassungskonforme, datenschutzgerechte Lösung auf dem Stand der Technik sollte seiner Ansicht nach aber Priorität genießen.
BKA für Erweiterung des Passversagens
Kriminalrätin Linda Söllenböhmer vom Bundeskriminalamt sieht die Änderung des Passgesetzes zur Prävention von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen als "immanent wichtig" an. "Wir haben die Pflicht, die schwächsten Menschen in unserer Gesellschaft – die Kinder – insbesondere auch diejenigen, die keinen Schutz durch Familie und Staat im Ausland aufgrund vielfältiger Ursachen erfahren, vor deutschen Staatsangehörigen, die mit dem alleinigen Ziel des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ins Ausland reisen, zu schützen", sagte sie und sprach sich für eine Erweiterung des § 7 (Passversagen) im Passgesetz aus.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- BGH, Zur Herausgabe eines Kinderreisepasses in der Wahrnehmung des Umgangsrechts, NZFam 2019, 568