Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat 2022 bei Besuchen in deutschen Haftanstalten Situationen festgestellt, die nach ihrer Einschätzung "eine eklatante Verletzung der Menschenwürde" darstellen. Das geht aus ihrem Jahresbericht hervor. Er beschäftigt sich mit den Lebensbedingungen von Menschen in Justizvollzugsanstalten sowie in Einrichtungen für suchtkranke und psychisch kranke Häftlinge, dem sogenannten Maßregelvollzug.
Personen wochenlang abgesondert untergebracht
In dem am Freitag veröffentlichten Bericht heißt es: "Sowohl im Maßregelvollzug als auch im Justizvollzug wurden Personen über mehrere Wochen, sogar Monate, von anderen Personen abgesondert untergebracht." Während dieser Zeit hätten sie lediglich eine eingeschränkte Betreuung erhalten, zudem seien ihnen kaum Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten worden. "Erschwerend kam hinzu, dass ihnen teilweise selbst die Möglichkeit verwehrt wurde, eine Stunde im Freien zu verbringen."
Knieend im "Glaskäfig"
Kritisiert wurden zudem besonders gesicherte Hafträume in der Justizvollzugsanstalt im bayerischen Bernau. Diese glichen einem "Glaskäfig", heißt es in dem Bericht. Die Nationale Stelle beschreibt die Situation folgendermaßen: "Die dort untergebrachten Gefangenen befinden sich hinter einer Glasfassade und müssen, um sich verständigen zu können, auf dem Boden liegen oder knien." Denn mit Menschen außerhalb des Haftraums sprechen könnten sie nur durch eine in Fußbodenhöhe angebrachte Klappe, durch die auch die täglichen Essensrationen gereicht würden. "Diese Bedingungen führen zu einer erniedrigenden Situation für die betroffenen Gefangenen und zu einer menschenunwürdigen Unterbringung", heißt es in dem Bericht.
Regelungen zu Fixierungen in vier Bundesländern moniert
Zudem stünden die Regelungen zu Fixierungen in den Landesgesetzen zum Maßregelvollzug im Saarland, in Niedersachsen, Berlin und Sachen-Anhalt nicht in Einklang mit den in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 formulierten rechtlichen Anforderungen (vgl. NJW 2018, 2619), monierten die ehrenamtlichen Mitglieder der Nationalen Stelle. In einer Klinik der Kinder und Jugendpsychiatrie sei aufgefallen, dass die wiederholte Fixierung eines Menschen für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen durch einen einzigen richterlichen Beschluss genehmigt worden sei.
Hintergrund: Ratifikation der Antifolterkonvention
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist in Folge der Ratifikation eines Protokolls zur Antifolterkonvention eingerichtet worden. Dieses verpflichtet alle Mitgliedstaaten, eine Stelle einzurichten, die das Recht hat, alle Einrichtungen aufzusuchen, in denen Menschen in Gewahrsam gehalten werden.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- BVerfG, Fixierung von Patienten in der Psychiatrie nur mit richterlicher Genehmigung, NJW 2018, 2619